Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
germanische Kunst
germanische Kunst, das kunsthandwerkliche Schaffen im germanisch besiedelten Europa von der späten röm. Kaiserzeit bis zum Ende der Wikingerzeit, soweit es sich nach Darstellungsweisen und -inhalten vom mediterranen Kunstkreis abhebt. Die g. K. ist im Wesentlichen mit den Tierstilen identisch, die bis um 800 n. Chr. in Mitteleuropa und bis kurz nach 1100 in Skandinavien und auf den Brit. Inseln verbreitet waren. Bereits seit etwa 250 n. Chr. wurden röm. Vorbilder aus dem Darstellungsbereich der Tierwelt zunächst v. a. in Südskandinavien nachgeahmt (Bild- und Schriftzeugnisse [Runen] setzten etwa gleichzeitig ein); stilbildend wirkte sich die Tierornamentik jedoch erst ab dem 5. Jh. n. Chr. aus. - Abgesehen von Keramik mit oft reichem Dekor sind v. a. Arbeiten aus Bronze sowie Eisen (Fibeln, Beschläge, Verzierungen an Waffen u. a.) und auch Stein überliefert. Für die meisten Metallarbeiten sind Vorbilder aus Holz vorauszusetzen, nachweisbar bes. beim Kerbschnittdekor an Werken des 4.-6. Jh. Übliche Schmucktechniken bei Metall waren die Pressblechformung über Modeln, Tauschierung und Punzierung, dazu kamen im farbigen Stil (400-700) Niello und Glasschmelz (Cloisonné). Beim Bronzeguss war anschließende Feuervergoldung häufig. - Die g. K. wird zw. dem späten 5. Jh. und der Wikingerzeit in drei Tierstile gegliedert, der erste (mit Vorstufen) war nur in Skandinavien verbreitet, der zweite entstand vor 600 n. Chr. in der germanisch-roman. Kontaktzone. Neben ihm gibt es die Vendelstile B und C (in Skandinavien). Der Tierstil III wird auch als Vendelstil E bezeichnet, daneben bestand noch ein Vendelstil D. Beide gehen in die Wikingerkunst über (Mitte 9.-11. Jh.), bekannt durch das Schiffsgrab von Oseberg. Man unterscheidet den Borrestil, im 10. Jh. den Jellingstil und den Mammenstil sowie den Ringerikestil (spätes 10. bis spätes 11. Jh.) und ab 1050 den Urnesstil. Die g. K. stellt offenbar exemplarisch-sakrales Geschehen dar (»Heilsbilder«).
▣ Literatur:
H. Roth. Kunst der Völkerwanderungszeit, hg. v. Berlin u. a. 1979.
germanische Kunst, das kunsthandwerkliche Schaffen im germanisch besiedelten Europa von der späten röm. Kaiserzeit bis zum Ende der Wikingerzeit, soweit es sich nach Darstellungsweisen und -inhalten vom mediterranen Kunstkreis abhebt. Die g. K. ist im Wesentlichen mit den Tierstilen identisch, die bis um 800 n. Chr. in Mitteleuropa und bis kurz nach 1100 in Skandinavien und auf den Brit. Inseln verbreitet waren. Bereits seit etwa 250 n. Chr. wurden röm. Vorbilder aus dem Darstellungsbereich der Tierwelt zunächst v. a. in Südskandinavien nachgeahmt (Bild- und Schriftzeugnisse [Runen] setzten etwa gleichzeitig ein); stilbildend wirkte sich die Tierornamentik jedoch erst ab dem 5. Jh. n. Chr. aus. - Abgesehen von Keramik mit oft reichem Dekor sind v. a. Arbeiten aus Bronze sowie Eisen (Fibeln, Beschläge, Verzierungen an Waffen u. a.) und auch Stein überliefert. Für die meisten Metallarbeiten sind Vorbilder aus Holz vorauszusetzen, nachweisbar bes. beim Kerbschnittdekor an Werken des 4.-6. Jh. Übliche Schmucktechniken bei Metall waren die Pressblechformung über Modeln, Tauschierung und Punzierung, dazu kamen im farbigen Stil (400-700) Niello und Glasschmelz (Cloisonné). Beim Bronzeguss war anschließende Feuervergoldung häufig. - Die g. K. wird zw. dem späten 5. Jh. und der Wikingerzeit in drei Tierstile gegliedert, der erste (mit Vorstufen) war nur in Skandinavien verbreitet, der zweite entstand vor 600 n. Chr. in der germanisch-roman. Kontaktzone. Neben ihm gibt es die Vendelstile B und C (in Skandinavien). Der Tierstil III wird auch als Vendelstil E bezeichnet, daneben bestand noch ein Vendelstil D. Beide gehen in die Wikingerkunst über (Mitte 9.-11. Jh.), bekannt durch das Schiffsgrab von Oseberg. Man unterscheidet den Borrestil, im 10. Jh. den Jellingstil und den Mammenstil sowie den Ringerikestil (spätes 10. bis spätes 11. Jh.) und ab 1050 den Urnesstil. Die g. K. stellt offenbar exemplarisch-sakrales Geschehen dar (»Heilsbilder«).
▣ Literatur:
H. Roth. Kunst der Völkerwanderungszeit, hg. v. Berlin u. a. 1979.