Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Guatemala
I Guatemala Fläche: 108 889 km2
Einwohner: (1995) 10,62 Mio.
Hauptstadt: Guatemala
Verwaltungsgliederung: 22 Departamentos
Amtssprache: Spanisch
Nationalfeiertag: 15. 9.
Währung: 1 Quetzal (Q) = 100 Centavos (cts)
Zeitzone: MEZ — 7 Std.
(amtlich span. República de Guatemala; dt. Rep. G.), Staat in Zentralamerika, zw. Pazifik und Karib. Meer, grenzt im W und N an Mexiko, im NO an Belize, im SO an Honduras und El Salvador.
Staat und Recht: Nach der Verf. vom 3. 6. 1985 (Reform von 1993 am 30. 1. 1994 durch Volksabstimmung gebilligt) ist G. eine präsidiale Rep. mit Mehrparteiensystem. Staatsoberhaupt und Reg.chef ist der für vier Jahre direkt gewählte Präs. Die Legislative liegt beim Kongress, dessen 80 Abg. für vier Jahre gewählt werden. - Nach den Wahlen von 1995 sind die stärksten Parteien: die Partei der Nat. Aktion (Partido de Avanzada Nacional, PAN), Republikan. Front G.s (Frente Republicano Guatemalteco, FRG). Im Untergrund operieren die kommunist. Arbeiterpartei G.s (Partido Guatemalteco de Trabajo, PGT), die linksgerichtete Guerillaorganisation Revolutionäre Nat. Einheit G.s (Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca, URNG) sowie rechtsextreme Verbände.
Landesnatur: G. ist überwiegend ein Gebirgsland. Im nordwestl. Zentrum liegen die bis 3 800 m hohen Altos Cuchumatanes (nördl. Zweig der Kordilleren); der südl. Zweig der Kordilleren, die Sierra Madre, setzt sich aus Kettengebirgen, Massenbergländern und Hochflächen zusammen. Am Abfall zur 30-50 km breiten Küstenebene liegt längs einer erdbebenreichen Bruchzone eine Reihe von z. T. noch aktiven Vulkanen (Tajumulco 4 210 m ü. M., Tacaná 4 064 m ü. M.). Im N (Petén) hat G. Anteil an der Hügellandschaft der Halbinsel Yucatán, im O am karib. Küstentiefland. - G. hat trop. Klima (Regenzeit von Mai bis November); die mittleren Jahrestemperaturen nehmen von 25-30 ºC im Tiefland auf 18-20 ºC im mittleren Hochland ab. Der N ist von immerfeuchtem Regenwald, z. T. auch von Kiefernsavannen bedeckt. Die luvseitigen Gebirge tragen trop. Berg- und Nebelwald, im trockeneren Binnenhochland treten Eichen-Kiefern-Mischwälder und Savannen auf. Das pazif. Küstentiefland wird von trop. Feucht- (im W) und Trockenwald (im O) eingenommen.
Bevölkerung: G. ist das einzige Land Zentralamerikas mit überwiegend indian. Bev. (rd. 45 % sind reine Indianer, v. a. Quiché und Cakchiquel, 45 % Mestizen, sog. »Ladinos«); 5 % sind Weiße, von den restl. sind es v. a. 5 % Schwarze (an der Karibikküste). Der N (Petén) und das karib. Küstentiefland sind dünn besiedelt, Hauptsiedlungsraum ist das südl. Hochland. Das Bev.wachstum beträgt 2,9 %; einzige Großstadt ist die Hauptstadt Guatemala. - Allg. Schulpflicht besteht vom 7. bis 14. Lebensjahr; der Unterricht ist unentgeltlich. Die Analphabetenquote liegt bei 45 %; es gibt zwei staatl. und drei private Universitäten. - Die Ew. sind zu 75 % Katholiken, zu 25 % Protestanten.
Wirtschaft, Verkehr: G. gehört zu den industriell am weitesten entwickelten Ländern Zentralamerikas, obwohl auch hier der Agrarbereich dominiert. Rd. 30 % der Gesamtfläche werden landwirtschaftlich genutzt. Die meisten kleinbäuerl. Betriebe produzieren weitgehend für den Eigenbedarf, überwiegend im Hochland (u. a. Mais, Bohnen, Reis). Wenige (z. T. US-amerikan.) Großbetriebe liefern den größten Teil der Exportgüter, so 80 % des Kaffees (größter Produzent Zentralamerikas; Anbau im Hochland), Baumwolle, Rohrzucker, Kardamom sowie Bananen (bes. im pazif. Küstentiefland). Im karib. Küstenland wird extensive Rinderhaltung betrieben. Rd. 33 % des Landes sind mit Wald bedeckt. Die Nutzung der vielen wertvollen Holzarten (Mahagoni, Harthölzer) ist durch unzureichende Verkehrserschließung gering. Der in den Wäldern von Petén gesammelte Chicle (Saft des Sapotillbaums) dient als Rohstoff für die Kaugummiind. der USA. Noch relativ gering genutzt werden die Bodenschätze (u. a. Blei, Zink, Chrom, Kupfer); seit 1975 wird Erdöl gefördert und exportiert. Die Ind. stellt v. a. Nahrungsmittel, Getränke und Textilien her. 70 % der Ind.betriebe befinden sich in der Hauptstadt. 1975 wurde in Santo Tomás de Castilla eine Freihandelszone eröffnet. Bedeutung hat auch das Kunsthandwerk der Indianer (bes. Weberei). Der Fremdenverkehr (jährlich mehr als 500 000 Auslandstouristen) spielt eine wichtige Rolle, Anziehungspunkte sind v. a. die Zeugnisse der Maya-Kultur. - Von 26 429 km Straßen haben 2 850 km eine feste Decke. Die Carretera Interamericana durchzieht das Hochland, zu ihr parallel verläuft die Carretera Pacifica im pazif. Tiefland. Wichtigste Häfen sind Puerto Quetzal bei San José und Champerico (Fischereihafen) am Pazifik, Santo Tomás de Castilla bei Puerto Barrios an der karib. Küste. Nahe der Hptst. liegt der internat. Flughafen Aurora.
Geschichte: G. ist altes Siedlungsgebiet der Maya; etwa ab 1200 beherrschten die Stämme der Quiché und Cakchiquel das Hochland. Ab 1524 drangen die Spanier unter der Führung von P. de Alvarado in das Land ein und gründeten 1570 die Audiencia de G., die später zus. mit den Territorien der heutigen Staaten Honduras, El Salvador, Costa Rica und einem Teil S-Mexikos das Generalkapitanat G. bildete. Dieses löste sich 1821 von Spanien und schloss sich dem Kaiserreich Mexiko an, 1823-39 der Zentralamerikan. Föderation. Machtkämpfe zw. Liberalen und Konservativen bestimmten bis ins 20. Jh. hinein die Politik, zunehmend beeinflusst von den Pflanzergesellschaften aus den USA, bes. der United Fruit Company.General J. Ubico (1931-44) gelang zwar eine gewisse Stabilisierung von Staat und Wirtschaft, doch ging sie einher mit verstärkten sozialen Repressionen. Nach seinem Sturz bemühten sich seine - gewählten - Nachfolger J. J. Arévalo (1945-51) und J. Arbenz Guzmán (1951-54) um Reformen (u. a. radikale Bodenreform mit Enteignung in- und ausländ. Grundbesitzer), doch wurden diese nach einem von den USA unterstützten Putsch 1954 wieder zurückgenommen. Seit der Wende von den 1950er- zu den 1960er-Jahren entwickelten sich die sozialen Spannungen in G. zu einem Bürgerkrieg, der regierungsseitig v. a. von den Militärs und vonseiten der Aufständischen von der Guerilla-Organisation URNG (Nationale Revolutionäre Einheit Guatemalas) getragen wurde. Bis 1965/66 regierten von neuem die Militärs, auch die folgenden gewählten Regierungen wurden von ihnen beherrscht, z. T. durch Fälschung der Wahlergebnisse. Der Putsch von General J. E. Ríos Montt 1982 setzte die Verf. außer Kraft, jede Opposition wurde mit Gewalt unterdrückt. 1983 übernahm ebenfalls durch Putsch General O. H. Mejía Victores die Macht, er führte schrittweise eine Zivilverw. ein und ließ 1984 Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung abhalten. Dennoch blieben auch unter dem gewählten Präs. M. V. Cerezo Arévalo (1985-91) die Militärs in wichtigen Machtpositionen.Das innenpolit. Klima wurde weiterhin von Gewalt, bes. gegenüber den Indianern, Putschversuchen und Guerillabewegungen bestimmt (insgesamt fast 200 000 Opfer). Durch die Verleihung des Friedensnobelpreises 1992 an die Quiché-Indianerin Rigoberta Menchú wurde die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit bes. auf die Unterdrückung der indian. Bev.mehrheit gelenkt. Unter Präs. J. Serrano Elias (1991-93) begannen Friedensgespräche in Anwesenheit eines UN-Vertreters. Nachdem der Präs. im Mai 1993 die Verf. suspendiert hatte, wurde er selbst vom Militär abgesetzt, zum Nachfolger wurde der Menschenrechtsbeauftragte R. de León Carpio (im Amt bis Anfang 1996) ernannt. Unter seiner Reg. wurden die Friedensgespräche mit der URNG - trotz vieler Rückschläge - weitergeführt. Die Guerilla-Organisation rief erstmals zur Beteiligung an den Präsidentschaftswahlen Ende 1995 auf, die der Kandidat des PAN, E. A. Arzú Irigoyen, im Jan. 1996 im 2. Wahlgang gewann. Im April 1996 verkündete die URNG einen unbefristeten Waffenstillstand, am 29. 12. 1996 trat schließlich das Friedensabkommen in Kraft. Der innere Versöhnungsprozess dauert noch an.
Literatur:
Riekenberg, M.: Zum Wandel von Herrschaft u. Mentalität in G. Köln u. a. 1990.
Politik u. Gesch. in Argentinien u. G. (19./20. Jh.), hg. v. M. Riekenberg. Frankfurt am Main 1994.
Brosnahan, T: Ostmexiko-, G.- u. Belize-Handbuch. Dt. Bearb.: U. Schwark. A. d. Engl. Bremen 1995.
G. - Ende ohne Aufbruch, Aufbruch ohne Ende? Aktuelle Beiträge zu Gesellschaftspolitik, Wirtschaft u. Kultur, hg. v. F. Birk. Frankfurt am Main 1995.
Honner, B.: G.-Handbuch. Bielefeld 31995.
II Guatemạla
(Ciudad de G.), Hptst. der Rep. G. und bedeutendste Stadt Zentralamerikas, im zentralen Hochland, 1 500 m ü. M., 1,17 Mio. Ew.; Erzbischofssitz; fünf Univ., Museen, botan. und zoolog. Garten; polit., wirtsch. und kulturelles Zentrum des Landes; Verkehrsknotenpunkt an der Carretera Interamericana, internat. Flughafen.- Fünfschiffige Kathedrale (begonnen 1782, Türme nach Erdbebenschäden erneuert); die koloniale Altstadt wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.- 1776 erfolgte die Gründung (die beiden Vorgängerstädte wurden 1541 bzw. 1773 durch Naturkatastrophen zerstört), erneute schwere Erdbeben 1917/18 und 1976.
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