Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Grundrechte
Grundrechte,der Einzelperson zustehende Freiheitsrechte, die in modernen Verf. meist verbürgt sind. Teilweise handelt es sich um Rechte, die als Menschenrechte jedem Einzelnen unabhängig von staatl. Verleihung oder Anerkennung als im Kern unantastbare und unveräußerl. Rechte zustehen, teilweise sind G. Elementarrechte, deren Anerkennung und Ausgestaltung vom Willen des Verf.gebers abhängen. In Dtl. sind die wichtigsten G. im GG, Abschnitt I, enthalten: die Menschenwürde; die freie Entfaltung der Persönlichkeit; das Recht auf Leben und körperl. Unversehrtheit und die Freiheit der Person; der Gleichheitssatz; die Religions- einschl. der Glaubens-, Gewissens- und der Bekenntnisfreiheit; Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit; die Versammlungsfreiheit; das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis; die Freizügigkeit, die Koalitionsfreiheit einschließlich des Rechts zum Arbeitskampf u. a. Grundrechtsähnl. Verbürgungen sind auch in anderen Abschnitten enthalten, so das Widerstandsrecht, das Wahlrecht sowie die Justizgewährleistungsrechte (u. a. Anspruch auf rechtl. Gehör). Träger der G. sind natürl. Personen, jurist. Personen des Privatrechts insoweit, als sie ihrer wesensgemäß bedürfen, wobei bestimmte G. als »Menschenrechte« (z. B. die Menschenwürde) jedermann zustehen, während andere G. als »Bürgerrechte« i. Allg. nur Deutschen, im Kern jedoch auch Ausländern Schutz gewähren (z. B. Versammlungsfreiheit).Ihrem Wesen nach sind G. Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat; gleichzeitig verbürgen sie aber auch das Recht auf Mitwirkung im staatl. Gemeinwesen und bilden die Grundlage für den Anspruch der G.-Träger auf Teilhabe an den staatl. Leistungssystemen im Rahmen des vernünftigerweise Möglichen.
Die G. wenden sich an alle drei Staatsgewalten und binden daher auch die gesetzgebende Gewalt. Diese darf ein G. durch Ges. grundsätzlich nur dann einschränken, wenn das G. diese Beschränkung ausdrücklich vorsieht (Gesetzesvorbehalt). In keinem Fall darf ein G. in seinem Wesensgehalt angetastet werden (Art. 19 Abs. 2). Inwieweit die Befehlswirkung der G. auch den nichtstaatl. Bereich erfasst, ist strittig; diese sog. Drittwirkung der G. wird überwiegend abgelehnt und nur vereinzelt, bes. im Rahmen der Koalitionsfreiheit, bejaht.
Wer bestimmte G. zum Kampf gegen die freiheitl. demokrat. Grundordnung missbraucht, verwirkt sie (Art.18 GG). Hierüber entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Gegen eine Verletzung der G. durch die öffentl. Gewalt kann jedermann Verf.beschwerde erheben. Außerhalb des GG finden sich G. in vielen Landesverf. Diese G. bleiben gemäß Art. 142 GG insoweit in Kraft, als sie mit dem GG übereinstimmen. G. sind u. a. auch in der Europ. Menschenrechtskonvention enthalten; sie haben jedoch keinen Verf.rang. - In Österreich fehlt es derzeit noch an einer umfassenden Kodifikation der G. Enthalten sind G. im Bundesverfassungs-Ges., im Staatsgrund-Ges. von 1867 und in der als österr. Verf.recht in Geltung gesetzten Europ. Menschenrechtskonvention. In der Schweiz sind die G. (auch Freiheitsrechte gen.) in der Bundesverf. und in den Kantonsverf. aufgeführt. Die Bundesverf. garantiert u. a. das Eigentum, die Handels- und Gewerbefreiheit, die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Kultusfreiheit, das Recht auf Ehe, die Pressefreiheit. Seit 1960 anerkennt das Bundesgericht ungeschriebene G. der Bundesverf., z. B. persönl. Freiheit, Meinungs-, Sprachen-, Versammlungsfreiheit.Geschichte: Die G. leiten sich vom Naturrechtsgedanken der Antike, den german. Volksrechten und den Rechten der mittelalterl. Stände gegenüber der Obrigkeit her. Als Ursprung der modernen G. gelten die engl. Magna Charta (1215), die Petition of Right (1628), die Habeas-Corpus-Akte (1679) und die Bill of Rights (1689). In den USA wurden seit 1776 die G. des Einzelnen in den Verf. der Gliedstaaten und in Zusatzart. der Unionsverf. zusammengefasst. Daran lehnte sich in der Frz. Revolution die »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte« an (1789), das klass. Dokument der G., unter dessen Eindruck sich im 19. Jh. die verfassungsrechtl. Gewährleistung der G. in W-Europa durchsetzte. Die von der Frankfurter Nationalversammlung festgelegten »G. der Deutschen« von 1848 wurden Vorbild für die spätere dt. Rechtsentwicklung. Die Weimarer Reichsverf. von 1919 behandelte sie im 2. Hauptteil. 1933 wurden die wichtigsten G. außer Kraft gesetzt.
Literatur:
G. Commichau. Die Entwicklung der Menschen- u. Bürgerrechte von 1776 bis zur Gegenwart, hg. v. Göttingen 51985.
Rengeling, H.-W.: Grundrechtsschutz in der Europ. Gemeinschaft. München 1992.
Staatsrecht, 3 Bde. Heidelberg 6-121996-97.
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