Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Großbritannien und Nordirland
Großbritạnni|en und Nordịrland Fläche: 244 101 km2
Einwohner: (1997) 58,801 Mio.
Hauptstadt: London
Amtssprache: Englisch
Nationalfeiertag: Offizieller Geburtstag des Monarchen
Währung: 1 Pfund Sterling (£) = 100 New Pence (p)
Zeitzone: WEZ
(amtlich engl. United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland; dt. Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland), Monarchie in Nordwesteuropa, umfasst England, Wales, Schottland und Nordirland. Einzige Landesgrenze ist die Nordirlands gegen die Rep. Irland. Die brit. Kanalinseln und die Insel Man gehören staatsrechtlich nicht zum Vereinigten Königreich von G. u. N., sie unterstehen direkt der Krone.
Staat und Recht: G. u. N. kennt keine geschriebene Verfassung. Die Verf.ordnung beruht zu einem großen Teil auf ungeschriebenem Recht oder einzelnen Gesetzen: Magna Charta libertatum (1215), Petition of Right (1628), Habeas Corpus Act (1679), Bill of Rights (1689), Act of Settlement (1701), Representation of the People Acts (1832 und 1928), Parliament Acts (1911 und 1949). Daneben gelten zu Verfassungsfragen getroffene Gerichtsentscheidungen, das Gewohnheitsrecht und die Conventions, die ungeschriebenen Regeln des Verfassungsrechts.Das Vereinigte Königreich ist eine parlamentarisch-demokrat. Erbmonarchie des Hauses Windsor. Der Monarch ist Staatsoberhaupt, Haupt des Commonwealth und weltl. Oberhaupt der anglikan. Kirche. Für ihn ist die Ehe mit einem Mitgl. der kath. Kirche ausgeschlossen (über die Beseitigung dieser Regel wird diskutiert). Für die Thronfolge gilt der Vorrang des ältesten Sohnes; bei Fehlen von Söhnen ist auch weibl. Thronfolge möglich. Die polit. Mitwirkungsrechte der Krone sind begrenzt, der Monarch ist für sein Handeln nicht zur Verantwortung zu ziehen (»The King can do no wrong«). Die Krone verkörpert die Nation in ihrer histor. Kontinuität. Der Monarch hat ein umfassendes Konsultationsrecht und das Recht auf volle Akteneinsicht in die Regierungsdossiers. Die jährl. Thronrede zur Eröffnung der Parlamentssitzungen ist der Sache nach das vom Premiermin. verfasste Programm der Regierung.Die Legislative liegt beim Parlament, das aus dem Oberhaus (House of Lords) und dem Unterhaus (House of Commons) besteht. Die unbedingte Anerkennung der Souveränität des Parlaments und seines Willens ist wesentl. Grundsatz des brit. Verfassungsrechts.
Dem Oberhaus gehören (1995) 1 200 Mitgl. an, überwiegend Träger erbl. Peerswürden, ein großer Teil sind ferner von der Krone auf Vorschlag der Reg. in den Adelsstand erhobene Mitgl. auf Lebenszeit, sodann Bischöfe der anglikan. Kirche während ihrer Amtszeit u.a. Der Vors. des Oberhauses, der Lord Chancellor (Lordkanzler), ist Mitgl. des Kabinetts und administrativ für die Ernennung bestimmter Richter zuständig. Die Mitwirkungsrechte des Oberhauses an der Gesetzgebung sind begrenzt. Neben Beratungs- und Vorschlagsrechten besteht die Möglichkeit, bestimmte Gesetze für längstens ein Jahr zu blockieren.
Dem Unterhaus obliegt die eigentliche Gesetzgebungsbefugnis. Seine (1997) 659 Mitgl. werden auf max. fünf Jahre nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt. Die aktive Wahlberechtigung beginnt mit dem 18., die passive mit dem 21. Lebensjahr. Für anglikanische kirchl. Würdenträger, Presbyterianer, kath. Geistliche, Polizisten, Berufssoldaten, Richter und Mitgl. des Oberhauses ist die Wählbarkeit ausgeschlossen. Der Sprecher des Unterhauses als sein Vorsitzender ist zu parteipolit. Neutralität verpflichtet. Neben ihm gibt es das Amt des »Leader of the House« (Führer des Hauses), ein im Kabinettsrang stehender Abg., der dafür zu sorgen hat, dass das Haus die Gesetzesvorlagen der Reg. umfassend und zügig behandelt. Hierzu arbeitet er mit den parlamentar. Geschäftsführern, den »Einpeitschern« (Whips), und der Oppositionsführung eng zusammen. Gesetze, die das Parlament beschlossen hat, werden vom Monarchen unterzeichnet und durch Eintragung im Book of Statutes zum Gesetz (Act).Die Exekutive liegt nominell bei der Krone, tatsächlich bei der Reg. unter Vorsitz des Premierministers. Der Premiermin. und die von ihm vorgeschlagenen Min. werden vom Monarchen ernannt. Sie müssen dem Unterhaus angehören. Die Reg. i. w. S. (ministry) ist wesentlich umfangreicher als das nur etwa 20 Mitgl. umfassende Kabinett (cabinet) als engere Reg.; zu dieser gehören neben den wichtigsten Min. der Lord Chancellor, der Präs. des Geheimen Kronrates (Lord President), der Lordsiegelbewahrer und der Kanzler des Herzogtums Lancaster. Der Premiermin. bestimmt die Richtlinien der Politik; er allein bestimmt den Zeitpunkt für Neuwahlen.
Als weiteres Organ existiert der Geheime Kronrat (Privy Council). Zu seinen 330 Mitgl. zählt u. a. das Kabinett. Als Plenum tritt er nur beim Tod des Monarchen zusammen. Im Übrigen nimmt er seine Aufgaben in Ausschüssen wahr, zu denen u. a. die Billigung von Reg.verordnungen gehört.Das Parteiensystem war - bedingt v. a. durch das Mehrheitswahlrecht - traditionell ein Zweiparteiensystem. Zw. 1931 und 1974 hatte immer eine der beiden großen Parteien (die Konservative und Unionistische Partei und die Labour Party) eine absolute Mehrheit im Unterhaus. Seit Anfang der 1980er-Jahre sind die Verhältnisse etwas instabiler geworden; darüber hinaus gibt es eine Bewegung zur Einführung des Verhältniswahlrechts, das die Begünstigung der großen Parteien beenden würde. Die Liberal Party ging 1981 ein Wahlbündnis mit der Social Democratic Party (SDP) ein; 1988 erfolgte die Vereinigung zu den Social and Liberal Democrats. Daneben existieren weitere kleinere Parteien von z. T. regionaler Bedeutung. In Nordirland hat sich aufgrund der histor. und polit. Sonderstellung ein eigenes Parteiensystem entwickelt, das nach konfessionellen Gesichtspunkten aufgebaut ist.Der Verwaltungsaufbau ist dreistufig. Gesetzl. Grundlage bilden die Local Government Acts von 1972. Seit 1974 sind England und Wales sukzessive in 53 Grafschaften (Counties) und sechs Großstadtverwaltungen (Metropolitan Counties) eingeteilt worden. Die Grafschaften untergliedern sich in 369 Distrikte, von denen 36 als großstädt. Bezirke gelten (Metropolitan Districts). Unterhalb der Distriktebene bestehen zahlr. Gemeinden (in England etwa 10 000). Eine Sonderstellung nimmt Greater London ein, das von 32 Distrikten verwaltet wird. Schottland und Nordirland haben ähnl. Verwaltungssysteme. Im April 1996 erfolgte in Wales und Schottland eine Neugliederung der Verwaltungseinheiten. An die Stelle von 8 Counties in Wales bzw. 9 Regionen in Schottland traten 22 Unitary Authorities bzw. 32 Local Authorities. Die Neugliederung in England ist parlamentarisch beschlossen und wurde sukzessive in den Jahren 1997 und 1998 eingeführt.
Landesnatur: Der von Nordsee, Atlant. Ozean, Irischer See und Ärmelkanal umgebene Inselstaat vor der NW-Küste des europ. Festlands umfasst außer der Insel Großbritannien v. a. die Inseln Wight (im S) und Anglesey (in der Irischen See), die Scilly-Inseln (im SW), die Hebriden (im NW), die Orkney- und Shetlandinseln (im N) sowie den NO-Teil der Insel Irland. Die Hauptinsel ist durch zahlr. Buchten und Mündungstrichter gegliedert, fast 1 000 km lang, aber nur stellenweise über 500 km breit. In ihrem mittleren, südl. und östl. Teil liegt das vorwiegend hügelige und ebene England. Sein Relief weist zwei Grundstrukturen auf. Zu den Hochlanden zählen die seenreichen Cumbrian Mountains (bis 978 m ü. M.), die Cheviot Hills, das Penninische Gebirge (bis 893 m ü. M.) sowie Cornwall und Teile von Devon mit Dartmoor und Exmoor. Das eigentl. Kernland ist das aus jüngeren Schichten bestehende Schichtstufenland. Die Juraschichtstufe im N erstreckt sich von den Cotswold Hills bis zu den North York Moors, die Kreideschichtstufe umfasst die Chiltern Hills, die Lincoln Wolds und die York Wolds. Ein weiterer Schichtstufenkomplex südlich von London mit den North Downs und den South Downs steht in Zusammenhang mit der Aufwölbung des Weald. Das über 1 000 m hohe Bergland von Wales springt als breite Halbinsel nach W vor. Den Nordteil der Hauptinsel bildet das überwiegend gebirgige Schottland, das im Hochland, den Grampians, den höchsten Gipfel G.s u. N.s trägt (Ben Nevis 1 343 m ü. M.). Vorwiegend von Berg- und Hügelland wird Nordirland eingenommen, in seinem zentralen Teil liegt der größte See (396 km2) von G. u. N., der Lough Neagh. Die bedeutendsten Flüsse sind Themse, Severn, Trent und Tweed.
Das Klima ist ausgeprägt ozeanisch mit milden Wintern und kühlen Sommern. Beeinflusst vom Nordatlant. Strom gliedert sich Großbritannien in eine trockenwarme Osthälfte und eine feucht gemäßigte Westhälfte. Die hohe Luftfeuchtigkeit, bes. im Winter, ist Hauptursache der häufigen Nebelbildung; typisch ist ein leichter Nebel, aus dem sich aber durch den Einfluss von topograph. Lage, hoher Luftverschmutzung u. a. lokal ein dichter Nebel entwickeln kann.
Das natürl. Pflanzenkleid von G. u. N. gehört zur atlant. Region des europ. Laubwaldgebietes mit Marschen (bes. ausgedehnt in den Fens) sowie Hoch- und Niederungsmooren. Unter- und oberhalb der natürl. Waldgrenze (300-600 m je nach Lage) erstrecken sich Bergheiden, zu deren Ausbreitung der Mensch durch Waldvernichtung wesentlich beigetragen hat. Heute sind nur noch 10 % der Landfläche mit Wald bedeckt. Ein großer Teil der Agrarlandschaft wird durch Einhegungen charakterisiert (Heckenlandschaft).
Bevölkerung: Den größten Anteil an der Bev. haben Engländer (81,5 %), ferner Schotten (9,6 %), Waliser (1,9 %) und brit. Iren (4,2 %). Die Zahl der seit Kriegsende aus den Ländern des Commonwealth Eingewanderten und deren Nachkommen betrug 1991 rd. 3 Mio., rd. 5,5 % der Gesamtbev., von denen 46,8 % bereits in G. u. N. geboren sind. Die mit Abstand größten ethn. Minderheiten bilden (1991) Inder mit 841 000 Ew., Black Caribbeans mit 476 000 Ew. und Pakistaner mit 476 000 Ew. Die meisten Angehörigen von ethn. Minderheiten leben in den großen urbanen Verdichtungsräumen, insbesondere London. - Im ganzen Königreich wird heute Englisch gesprochen. Rd. 19 % der Ew. von Wales sprechen Walisisch, dagegen ist die schott. Form des Gälischen nur wenig im Gebrauch. Durch starke Wanderungsbewegungen innerhalb G.s u. N.s werden die Unterschiede in der Bev.dichte zw. Großstädten, Ind.gebieten und den ländl. Gemeinden immer größer. Eine stark verstädterte Zone hoher Bev.dichte verläuft vom Raum London in nordwestl. Richtung über die Metropolitan County West Midlands zu den Metropolitan Counties Merseyside (Liverpool) und Greater Manchester. Seit 1960 ist eine starke Bev.zunahme im Umland von Greater London zu verzeichnen. Auch die S-Küste (SW-England) verzeichnet Wanderungsgewinne, sie ist bevorzugter Wohnstandort älterer wohlhabender Bev.gruppen.Bildung: Das Bildungswesen wurde 1944-47 neu geregelt. Es besteht allg. Schulpflicht vom 5. bis 16. Lebensjahr. Neben Primarschulen (bis 11. Lebensjahr) bestehen Sekundarschulen (vom 11. Jahr an), meist als Gesamtschulen (Comprehensive Schools), die den überwiegenden Teil der Sekundarschüler erfassen und seit 1976 Regelschule sind, in Nordirland v. a. die Grammarschools. Die altüberlieferten pädagog. Institutionen der Public School und des College genießen weiter hohes Ansehen. Es gibt (1995) 72 Universitäten. Die im MA. gegr. Univ. von Oxford und Cambridge sind der Ausgangspunkt des brit. Hochschulwesens, das eine Reihe traditionsreicher Univ., u. a. Saint Andrews (gegr. 1410), Glasgow (gegr. 1451, mit dem 1796 gegr. ältesten Technical College Großbritanniens), Edinburgh (gegr. 1583), Durham (gegr. 1832) und Belfast (gegr. 1845) umfasst. Eine Sonderstellung nimmt die »Open University« in London ein (Fernuniversität). Wachsende Bedeutung kommt dem außeruniversitären Bildungsbereich zu, der Einrichtungen der berufl. Erstausbildung sowie der berufl. und allg. Fortbildung umfasst. - Das Zeitungswesen wird vorwiegend von der Londoner Massenpresse beherrscht.Religion: Nominell gehören etwa 85 % der Bev. einer christl. Kirche an: rd. 57 % der anglikan. Kirche (»Church of England«, »Church of Ireland«, »Church in Wales«), rd. 15 % anderen prot. Kirchen (v. a. Presbyterianer, Kongregationalisten, Methodisten), rd. 13 % der kath. Kirche, rd. 0,5 % versch. Ostkirchen. Staatskirche in England ist die anglikan. »Church of England« (Kirche von England), in Schottland die ref. »Church of Scotland« (Schottische Kirche); Trennung von Staat und Kirche besteht in Wales und in Nordirland. Die zahlenmäßig stärkste Kirche ist in England und in Wales die anglikan. Kirche (rd. 70 % bzw. 16 % der Bev.), in Schottland die ref. (rd. 25 %) und in Nordirland die kath. (über 38 %; daneben rd. 17 % Anglikaner und über 25 % andere Protestanten [bes. Presbyterianer]). Nicht christl. religiöse Minderheiten bilden die Muslime (rd.1 Mio.), Hindus (über 400 000), Juden (rd. 300 000), Sikhs (rd. 230 000) und Buddhisten (rd. 25 000).
Wirtschaft, Verkehr: Wirtschaftlich bestimmend ist die Ind. neben dem Dienstleistungssektor. Das Vereinigte Königreich ist ein hoch industrialisierter Staat, der Anteil der verarbeitenden Ind. am Bruttoinlandsprodukt ist seit 1978 rückläufig. Die Landwirtschaft ist von hoher Produktivität. Sie deckt rd. 75 % des Bedarfs an inländisch produzierbaren Erzeugnissen. Von der landwirtsch. Nutzfläche, (1994) 18,5 Mio. ha, entfallen auf Ackerland 5,9 Mio. ha sowie 11,1 Mio. ha auf Grün- und Weideland, der Rest auf Dauerkulturen. Ackerbau gibt es bes. in den östl. Teilen Mittelenglands und Schottlands (u. a. Gerste, Weizen); Zuckerrüben werden vorwiegend in O-England und Lincolnshire angebaut. Der Gartenbau (Obstanbau bes. in Kent, Gemüse in S-England) wird intensiv betrieben. Drei Fünftel der Vollerwerbsbetriebe befassen sich mit Milchwirtschaft und Viehhaltung (v. a. Rinder und Schafe); diese Betriebe sind zum größten Teil im W angesiedelt. Schweine- und Geflügelhaltung findet man dagegen im S und O des Landes. Die Zukunft vieler landwirtsch. Betriebe mit Rinderhaltung ist jedoch durch die 1985 erstmals aufgetretene Rinderseuche BSE ungewiss. G. u. N. ist waldarm, doch sind umfangreiche Aufforstungen, vorwiegend durch private Landbesitzer, im Gange. Der Holzeinschlag deckt knapp 10 % des Bedarfs der Holz- und Papierindustrie. Die Fangmengen von Fisch (1994: 875 000 t) der ehem. führenden Fischereination sind eher rückläufig. Die Fischereiwirtschaft ist v. a. an der SW- und an der O-Küste zw. Humber und Moray Firth in Schottland konzentriert.G. u. N. ist reich an Energierohstoffen. Die Steinkohle hat jedoch ihre frühere Bedeutung verloren; die wichtigsten Kohlenreviere liegen in Yorkshire, den Midlands, ferner in NO-England, S-Wales und der mittelschott. Senke. Die (seit 1975) Erdölgewinnung in der Nordsee hat stark zugenommen; 1976 wurde der Export aufgenommen; seit 1980 kann der brit. Erdölbedarf durch die einheim. Förderung gedeckt werden. Erdgas wird seit 1967 gefördert. Auch hier ist G. u. N. Selbstversorger. Weiter werden gewonnen: Bleierz, Steinsalz, Kaolin, Flussspat und Gips. Der Abbau der nicht sehr reichen Kupfer-, Zinn- (in Cornwall) und Eisenerzvorkommen wurde inzwischen eingestellt.Die verarbeitende Ind. beschäftigt rd. 30 % der Erwerbstätigen. Einige Zweige (Eisen- und Stahlind., Luftfahrzeug- und Schiffbau u. a.) wurden verstaatlicht (in jüngster Zeit z. T. wieder privatisiert). Die wichtigsten Gebiete der Eisen- und Stahlerzeugung sind Wales, Humberside, Yorkshire, N-England, Mittelschottland. Die Nichteisenmetallind. gehört zu den größten in Europa. Der Maschinenbau hat für den Export große Bedeutung. Der Flugzeug- und Fahrzeugbau (bes. Nutzfahrzeuge), mit hohem Exportanteil, ist im Raum London, Liverpool, Oxford, Mittelschottland konzentriert, der elektrotechn. und der elektron. Zweig sowie die chem. Ind., die zu den Wachstumsind. gehören, v. a. in N- und NW-England und im Raum London. Der Schiffbau ist in den Mündungsgebieten von Mersey, Clyde, Humber, Tyne, Themse und in Belfast konzentriert. Der älteste Ind.zweig, die Textil- und Bekleidungsind., hat an Bedeutung verloren. Die meisten Betriebe sind in Mittelengland lokalisiert. Bedeutend ist die Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Wachsende Bedeutung als Energieträger haben Erdöl und Erdgas aus der Nordsee sowie die Kernkraft. In der Nuklearind. sind mehr als 100 000 Beschäftigte tätig. Elektr. Energie wurde (1994) zu 70,2 % in Wärmekraftwerken, zu 27 % in Kernkraftwerken und zu 2,8 % in Wasserkraftwerken und sonstigen Anlagen erzeugt. Wirtsch. Bedeutung haben außerdem die Zement- und Baustoff-, keram. und Glasind. sowie der Fremdenverkehr. 1995 besuchten 23,6 Mio. Auslandsgäste Großbritannien; die meisten kommen aus den USA, Frankreich und Deutschland. Hauptanziehungspunkte sind nach London die S- und SW-Küste sowie das schott. Hochland.Außenhandel: Importiert werden v. a. Maschinenbau-, chem. und elektrotechn. Erzeugnisse, Fahrzeuge, bearbeitete Waren, Nahrungsmittel. Wichtige Ausfuhrgüter sind Maschinen, Metallwaren und Fahrzeuge, Brennstoffe, chem. Produkte, elektron. Erzeugnisse, Genussmittel, Textilien. Haupthandelspartner sind die EU-Staaten und die USA. Das brit. Verkehrssystem ist auf den Straßenverkehr ausgerichtet; es besteht Linksverkehr. Es gibt (1994) 364 967 km Straßen, davon entfallen 3 168 km auf Autobahnen. - 1993 wurde die Privatisierung der seit 1947 verstaatlichten »British Rail« beschlossen; unwirtsch. Strecken wurden stillgelegt. Die Streckenlänge beträgt (1994) 16 542 km, davon 4 970 elektrifiziert. Vom ausgedehnten Netz der Kanäle werden nur etwa 400 km gewerblich genutzt. G. u. N. besitzt eine bed. Handelsflotte. Die wichtigsten der rd. 300 Seehäfen sind London, Southampton, Milford-Haven und Medway, Dover (Personenverkehr über den Kanal), Liverpool, Manchester u. a., in Schottland Greenock, Glasgow, Grangemouth. Zw. Larne und Belfast wird der Verkehr nach Nordirland abgewickelt. Für den Personen- und Kraftverkehr mit dem europ. Festland bestehen zahlr. Fährverbindungen. Grimsby, Hull und Aberdeen sind die größten Fischereihäfen. - Die größte Luftfahrtgesellschaft ist »British Airways« (seit 1987 verstaatlicht), daneben gibt es mehrere kleine Luftverkehrsgesellschaften; die größten Flughäfen sind die Londoner Flughäfen Heathrow und Gatwick sowie Manchester, Luton (London), Glasgow, Aberdeen, Belfast.
Geschichte: Entstehung der englischen Nation (bis 1066): Im 1. Jt. v. Chr. besiedelten kelt. Stämme Britannien und verschmolzen mit den Ureinwohnern. Für den Handel im Altertum wurde die Insel durch ihren Zinnreichtum wichtig. Cäsar unternahm zwei militär. Expeditionen (55 und 54 v. Chr.) nach Südengland; doch setzte die röm. Eroberung des Landes erst 43 n. Chr. unter Kaiser Claudius ein (Errichtung der Provinz Britannia). Die röm. Herrschaft, die sich weder über das nördl. Schottland (Kaledonien) noch über Irland erstreckte, hat nicht wie in Gallien die einheim. Bevölkerung romanisiert (zu Beginn des 5. Jh. Abzug fast aller röm. Truppen). Seit Mitte des 5. Jh. eroberten die in mehreren Wellen einwandernden nordwestgerman. Stämme nach und nach den Hauptteil Englands; nach der Überlieferung landeten 449 n. Chr. Jüten, Angeln und Sachsen (Angelsachsen). Nur in Wales und Schottland hielten sich die Kelten. Es entstanden sieben Teilkönigreiche: Kent, Sussex, Essex, East Anglia, Wessex, Mercia und Northumbria, deren Bewohner allmählich zum angelsächs. Volk, auch unter dem Einfluss der Christianisierung, zusammenwuchsen. König Egbert von Wessex (802-839) gewann die Oberhoheit über die übrigen Kleinkönigreiche. Das Christentum wurde seit dem 7. Jh. erst von Irland, dann von Rom aus eingeführt. Im 9. und 10. Jh. fielen norweg. und dän. Wikinger ins Land ein; gegen sie kämpfte erfolgreich der volkstümlichste angelsächs. König, Alfred d. Gr. (871-899). König Aethelstan (924-939) konnte die Wikinger zurückdrängen und beherrschte fast das ganze heutige England. Er legte den Grund für ein nat. Königtum. Dem zweiten großen Wikingeransturm war das Land jedoch nicht gewachsen. Die Dänenkönige (u. a. Knut d. Gr., 1016-35) beherrschten 1016-42 ganz England. Schließlich unterwarf der Herzog der Normandie, Wilhelm der Eroberer, England durch seinen Sieg bei Hastings 1066 über den König der Angelsachsen und ließ sich in Westminster als Wilhelm I. zum König krönen.Mittelalter (1066-1485): Die französischsprachigen normann. Eroberer bildeten nur die herrschende Oberschicht, gestalteten aber das engl. Staatswesen grundlegend um (Einführung des kontinentalen Lehnswesens, Schaffung einer starken königl. Zentralgewalt), bewahrten aber auch teilweise die angelsächs. Rechtstradition. Durch die Verbindung mit der Normandie ergab sich eine festländ. Eroberungspolitik. Heinrich II. (1154 bis 1189) aus dem frz.-normann. Haus Anjou-Plantagenet brachte durch Erbschaft und Heirat das gesamte westl. Frankreich in seine Hand; er begann auch 1171/72 die Unterwerfung Irlands. Aber Johann ohne Land (1199-1216) verlor 1214 nach der Niederlage bei Bouvines alle frz. Besitzungen mit Ausnahme der Guyenne. Seinen Baronen musste er 1215 die Magna Charta gewähren; sie wurde der Grundstein des engl. Verfassungsrechts. In den weiteren inneren Kämpfen des 13. Jh. bildeten sich die Grundlagen des Parlaments heraus; neben die Barone, die Peers des späteren Oberhauses, traten die Vertreter der Grafschaften und Städte (späteres Unterhaus), die zunächst nach Bedarf einberufen wurden. Um 1360 jedoch hatten sie unumgängl. Mitspracherecht erreicht.
Eduard I. (1272-1307) unterwarf 1284 Wales, vorübergehend auch das Königreich Schottland. Sein Enkel Eduard III. (1327-77) löste wegen seines Anspruchs auf die frz. Krone den Hundertjährigen Krieg (1337/39-1453) gegen Frankreich aus. Doch der Gewinn des Friedens von Brétigny 1360 (Calais und SW-Frankreich) ging bald darauf wieder verloren. Durch den Sturz Richards II. (1377-99) gelangte eine jüngere Linie der Plantagenets, das Haus Lancaster, auf den Thron. Heinrich V. (1413-22) eroberte in neuen Kämpfen gegen Frankreich (seit 1415) dessen Hauptteil mit Paris. Der Vertrag von Troyes (1420) brachte ihm (mit der Tochter Karls VI. von Frankreich als Ehefrau) die Regentschaft und das Thronrecht für Frankreich ein. Nach seinem Tod kündigte Frankreich den Vertrag. Zur entscheidenden Wende im Hundertjährigen Krieg kam es 1429 nach dem Eingreifen Jeanne d'Arcs; die Engländer wurden zurückgedrängt, bis der Krieg 1453 ohne Friedensschluss zu Ende ging: Außer Calais gingen alle Besitzungen in Frankreich verloren. Die bereits 1455 zw. den rivalisierenden Königshäusern Lancaster (rote Rose im Wappen) und York (weiße Rose) ausgebrochenen Thronkämpfe (»Rosenkriege«) endeten nach der Schlacht bei Bosworth 1485 (Tod Richards III. aus dem Hause York) mit der Thronbesteigung Heinrichs VII., des Erben des Hauses Lancaster; er begründete die Dynastie Tudor.Ausbau der königl. Machtstellung unter den Tudors (1485-1603): Die Politik des neuen Herrscherhauses wandte sich von der festländ. Eroberungspolitik ab und stärkte die Macht des Königtums gegenüber dem Parlament. Heinrich VII. (1485-1509) gründete sein Königtum auf eine starke Hausmacht, die mit der Vereinigung der Herrschaftsgebiete von York und Lancaster und der Einziehung der Güter ihrer Gegner geschaffen wurde. Sein Nachfolger Heinrich VIII. (1509-47) vollzog den Bruch mit dem Papst. Die Suprematsakte von 1534 schuf eine von Rom unabhängige Staatskirche, deren Haupt der König war; die Klöster wurden eingezogen. Indem er sich 1541 vom irischen Parlament den Titel eines Königs von Irland übertragen ließ, band er das Land endgültig an die engl. Krone. Doch erst unter der Reg. Eduards VI. (1547-53) wurde durch die Uniformitätsakte und das Allg. Gebetbuch (Common Prayer Book) von 1549 die eigentl. prot. Reform eingeführt. Maria I. (1553-58), mit Philipp II. von Spanien vermählt, stellte den Katholizismus wieder her. Nach ihrem Tod erneuerte ihre Halbschwester Elisabeth I. (1558-1603) durch die Uniformitätsakte von 1559 die anglikan. Kirche. Elisabeth, deren leitender Staatsmann Lord Burghley war, ließ Maria II. Stuart, die den Katholiken Englands als rechtmäßige Königin erschien (sie hatte auch den Titel »Königin von England« angenommen), 1568 gefangen setzen; hingerichtet wurde sie 1587. Im Kampf gegen Spanien errang die engl. Flotte 1588 den entscheidenden Sieg über die »Armada« und leitete damit den Aufstieg Englands als Seemacht ein. Der engl. Handel nahm durch die merkantilist. Wirtschaftspolitik einen großen Aufschwung, während in der Landwirtschaft das selbstständige Bauerntum durch die Großgrundbesitzer verdrängt wurde. Im Parlament verlagerte sich das Gewicht vom hohen Adel auf die Gentry, die aus dem Kleinadel und der städt. Oberschicht zusammenwuchs. Mit der Gründung der ersten engl. Kolonie in Nordamerika (1584) und der Bildung der Ostind. Kompanie (1600) wurde der Grundstein der engl. Kolonialmacht gelegt. Auch im Geistesleben war das Elisabethan. Zeitalter ein Höhepunkt der engl. Geschichte (Shakespeare und F. Bacon).Der Kampf zw. Krone und Parlament unter den Stuarts (1603-1714): Auf Elisabeth folgte der Sohn Maria Stuarts, Jakob,I. (1603-25); so wurde Schottland, wenn auch zunächst nur in Personalunion, mit England verbunden. Jakob I. und Karl I. (1625-49) strebten eine kirchl. Versöhnung mit Rom an. Dies beunruhigte die Anglikaner ebenso wie die Puritaner, daher fand der König zunehmend Widerstand im selbstbewussten Parlament. 1628 musste Karl I. die »Petition of Right« bewilligen, die Steuerauflagen ohne Zustimmung des Parlaments für gesetzwidrig erklärte; er löste aber 1629 das Parlament auf und regierte nun allein mithilfe seiner Ratgeber Lord Strafford und Erzbischof W. Laud. Ein Aufstand der kalvinist. Schotten veranlasste den König 1640 zur Einberufung des »Langen Parlaments«. 1642 brach der allg. Bürgerkrieg aus. Auf der Seite des Königs standen die Mehrheit des Adels, die meisten Bischofsstädte und die Katholiken; das Parlament stützte sich auf das Gros der Handelsstädte, bes. London. Die puritan. Parlamentspartei siegte 1644/45. Doch ihrer Hauptgruppe, den Presbyterianern, die ebenso wie vorher die Anglikaner einen Kirchenverband bewahrt wissen wollten, traten nun die Independenten als Anhänger der ungebundenen Gemeindekirche entgegen, gestützt auf das von O. Cromwell geführte Parlamentsheer. Cromwell erzwang Ende 1648 den Ausschluss der Presbyterianer aus dem Parlament, ließ im Jan. 1649 den gefangenen König hinrichten und erklärte England (unter Vermeidung des Wortes Republik) zum Commonwealth; die Erhebungen der Königstreuen in Irland und Schottland wurden blutig niedergeschlagen. Als Lord Protector (1653-58) vereinigte Cromwell alle Macht diktatorisch in seiner Hand. Durch die Navigationsakte von 1651 sicherte er den engl. Kaufleuten und Reedern den Handel mit den engl. Kolonien, wodurch der niederländ. Handel schwer getroffen wurde; im Seekrieg gegen Holland 1652-54 war er siegreich. Den Spaniern entriss er 1655 die westind. Insel Jamaika. Unter Cromwell wurde England zur ersten prot. Macht Europas. Bald nach seinem Tod kam es 1660 zur Restauration der Stuarts. Die Uniformitätsakte von 1662 suchte wieder die Alleinherrschaft der anglikan. Bischofskirche zu erzwingen. Karl II. (1660-85) erwarb durch einen neuen Krieg gegen Holland 1665-67 New York, das den bisherigen engl. Kolonialbesitz in Nordamerika (Virginia und Neuengland) abrundete, schloss sich dann aber der Politik Ludwigs XIV. von Frankreich an. Seinen katholikenfreundl. und absolutist. Bestrebungen stellte das Parlament die Testakte von 1673, die alle Katholiken von Staatsämtern ausschloss, und die Habeas-Corpus-Akte von 1679 zur Sicherung der persönl. Freiheit entgegen. Karls Bruder und Nachfolger Jakob II. (1685-88) war zum Katholizismus übergetreten. Im Kampf um seine Thronfolge entstanden die beiden Parteien der streng legitimist., vornehmlich den kleinen Adel vertretenden Tories und der sich mehr auf Handel, Wirtschaft und den hochadligen Grundbesitz stützenden Whigs. Jakobs Versuch, den Katholiken wieder den Zugang zu Staatsämtern zu öffnen, führte zum Umsturz. 1688 berief das Parlament den prot. Wilhelm von Oranien, den Schwiegersohn Jakobs II. und Erbstatthalter der Niederlande, der am 5. 11. 1688 in England landete und als Wilhelm III. (1689-1702) zus. mit Maria II. (1689-94) den Thron bestieg; Jakob II. floh nach Frankreich. Infolge dieser »Glorreichen Revolution« legte das Parlament 1689 in der »Bill of Rights« Sicherungen gegen den Missbrauch der Königsgewalt fest, gleichzeitig gewährte die Toleranzakte den prot. Gruppen außerhalb der anglikan. Staatskirche volle kirchl. Freiheit. Der König vermochte sich auch in Schottland und Irland durchzusetzen.Wilhelm III. wurde im Namen des »europ. Gleichgewichts« der bedeutendste Gegenspieler Ludwigs XIV. In einer Großen Allianz führte England den Span. Erbfolgekrieg (1701-1713/14) gegen Frankreich. Die erfolgreiche Kriegführung von Marlborough wirkte sich jedoch für England nicht aus, da die 1710 an die Macht gelangten Tories das Ausscheiden Englands aus dem Krieg durchsetzten (1711). Als Gewinn blieb die Eroberung Gibraltars (1704). Auf den zuletzt allein regierenden König folgte seine Schwägerin Anna (1702-14). Die seit 1603 bestehende Personalunion zw. England und Schottland wurde 1707 durch Vereinigung der beiden Parlamente in eine Realunion umgewandelt (das Königreich hieß seitdem »Great Britain«, Großbritannien). Aufgrund des »Act of Settlement«, der 1701 zur Sicherung der prot. Thronfolge erlassen worden war, wurde das Haus Hannover Thronanwärter.Aufstieg zur Weltmacht (1714-1815): Kurfürst Georg Ludwig von Hannover begründete als König Georg I. (1714-27) die (bis 1837 dauernde) Personalunion mit diesem zum Dt. Reich gehörenden Land; er trat mehr und mehr hinter den leitenden Ministern und dem Parlament, v. a. dem von der Gentry beherrschten Unterhaus, zurück. Trotzdem blieb die verfassungsrechtl. Stellung des Königs auch unter den Herrschern aus dem Haus Hannover gewahrt. R. Walpole, der 1721-42 an der Spitze der Reg. stand, sicherte endgültig die verfassungspolit. Ergebnisse der »Glorreichen Revolution« von 1688 und verbesserte durch neue Zoll- und Steuergesetze die Staatsfinanzen. Nach einer langen Friedenszeit trat Großbritannien in den Österr. Erbfolgekrieg (1740/41 bis 1748) ein, um Frankreichs Streben nach europ. Hegemonie entgegenzutreten. Im See- und Kolonialkrieg (1744-47) behielt es gegenüber Frankreich die Oberhand. Im Siebenjährigen Krieg (1756-63) erreichte Großbritannien als Bundesgenosse Preußens Erfolge gegen Frankreich (Eroberung Kanadas) und baute seine Herrschaft in Indien aus. Der Friede von Paris (1763) war damit eine entscheidende Etappe auf dem Weg zum brit. Weltreich. Nach dem amerikan. Unabhängigkeitskrieg (1775-83) verlor es die nordamerikan. Kolonien (außer Kanada). Danach verlagerte sich der Schwerpunkt der brit. Reichspolitik nach Indien; seit 1788 ergriff es auch von Australien Besitz. - Um 1760 begann die industrielle Revolution, die Großbritannien trotz sozialer Spannungen einen wirtsch. Vorsprung in Europa sicherte.
Gegenüber der Parlamentsherrschaft hatte Georg III. (1760 bis 1820) den letzten Versuch eines persönl. Regiments unternommen. 1783 übernahm W. Pitt d. J. die polit. Führung. Von nun an lag das polit. Schwergewicht endgültig beim Parlament. Seine Reformpläne im Innern musste Pitt d. J. zurückstellen, als er Großbritannien 1793 in den Kampf gegen Frankreich führte (Französische Revolutionskriege, Napoleonische Kriege, Kontinentalsperre). Durch den Seesieg Admiral Nelsons bei Trafalgar (1805) errang Großbritannien für lange Zeit die unbestrittene Seeherrschaft; in den Befreiungskriegen gewann Wellington zus. mit Preußen die Entscheidungsschlacht bei Waterloo (1815). Neben den bisher niederländ. Kolonien Kapland und Ceylon wurden die wichtigen Seestützpunkte Malta, die Ionischen Inseln und Helgoland britisch. Als Garant des Dt. Bundes hatte Großbritannien auch das Mitspracherecht in dt. Angelegenheiten. Während des Krieges war 1800 die volle staatsrechtl. Vereinigung mit Irland zum »Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland« vollzogen worden. Im Krieg mit den USA (1812-14) verteidigte Großbritannien seine Besitzungen in Kanada.Großbritannien von 1815 bis 1914: Nach dem Wiener Kongress (1814/15) sah sich Großbritannien vor ernsten inneren Krisen. Die Industrialisierung, von einem außerordentlich raschen Bevölkerungswachstum begleitet, hatte Not und Ausbeutung der Arbeitermassen zur Folge; dazu kam die erwachende nat. Bewegung der seit langem rücksichtslos unterdrückten kath. Iren. Die seit Pitts d. J. Tod (1806) regierenden hoch konservativen Tory-Ministerien lehnten zunächst alle Reformen ab; 1829 wurde durch die Aufhebung der Testakte die Gleichstellung der Katholiken eingeführt, 1832 veränderte die Reformbill das Wahlrecht, sodass Ind.städte eine parlamentar. Vertretung erhielten und Hausbesitzer und Wohnungsmieter direktes und gleiches Wahlrecht bekamen. Die Reformbill leitete in den neuzeitl. Verfassungsstaat über und machte den bürgerl. Mittelstand zum Teilhaber der polit. Macht; aus den Whigs und Tories entstanden die liberale und die konservative Partei. In den Kolonien wurde 1833 die Sklaverei abgeschafft, während der Sklavenhandel schon seit 1807 verboten war. Der von R. Cobden geführten Freihandelsbewegung verhalf der konservative Staatsmann R. Peel mit der Aufhebung der Kornzölle 1846 zum vollen Sieg. Mit dem Chartismus entstand in Großbritannien erstmals eine polit. Organisation der Arbeiterbewegung, aber erst den Gewerkschaften gelang es allmählich, die wirtsch. Lage der Arbeiterschaft wesentlich zu bessern.Die Außenpolitik wurde vom Ggs. zur Heiligen Allianz bestimmt. Großbritannien unterstützte die Freiheitsbestrebungen der Völker (Abfall Mittel- und Südamerikas von Spanien und Portugal, Unabhängigkeitskampf der Griechen). Der Interessengegensatz zu Russland begann sich bereits abzuzeichnen.
Die Thronbesteigung von Königin Viktoria beendete die Personalunion zw. Großbritannien und Hannover. Viktoria (1837-1901) stellte das durch Georg III. und Georg IV. (1820-30) erschütterte Ansehen der Krone wieder her, wenn ihre polit. Macht auch durch das nun voll ausgebildete parlamentar. Regierungssystem sehr beschränkt blieb. Abwechselnd leiteten Lord Aberdeen (konservativ) und Lord Palmerston (liberal) die brit. Außenpolitik entsprechend dem nat. Machtinteresse, das sich in erster Linie auf Asien, bes. Indien, richtete. Ein großer ind. Aufstand (Sepoy-Aufstand, 1857/58) wurde niedergeschlagen. Großbritannien erwarb neue Seestützpunkte wie Singapur (1819), Aden (1839) und Hongkong (1842). Zur Erhaltung des Osman. Reichs als Bollwerk gegen das russ. Vordringen in Richtung Mittelmeer griff Großbritannien 1854 im Bunde mit Napoleon III. in den Krimkrieg ein. Isoliert war Großbritannien hingegen, als 1864 der österr.-preuß. Krieg gegen Dänemark, für das es sich 1850 und 1852 eingesetzt hatte, ausbrach; seine diplomat. Intervention zugunsten Dänemarks blieb wirkungslos.Exponent konservativer Politik war B. Disraeli (Premiermin. 1868, 1874-80), der seiner Partei durch die »Tory-Demokratie« zu breiter Wirksamkeit verhalf. Zur Sicherung des Seewegs nach Indien erwarb er 1875 den maßgebenden Einfluss auf den von Franzosen erbauten Sueskanal. 1876 nahm Viktoria den Titel »Kaiserin von Indien« an. Als Russland 1877/78 die Türkei besiegte, nötigte Disraeli es zu einem Verzicht auf einen großen Teil seiner Forderungen (Berliner Kongress), während die Türkei ihm Zypern überließ. 1877 annektierte Großbritannien die Burenrep. Transvaal, gab sie aber 1881 wieder frei. Disraelis polit. Gegenspieler W. Gladstone (Premiermin. 1868-74, 1880-85, 1886, 1892-94) bewirkte innenpolit. Reformen, u. a. im Schulwesen (allg. Schulpflicht) und Heer (Abschaffung der Käuflichkeit der Offiziersstellen); dagegen scheiterte sein Versuch, Irland die parlamentar. Selbstregierung (Homerule) zu geben. 1882 ließ Gladstone Ägypten besetzen. Unter der konservativen Regierung R. Salisburys (1885-86, 1886-92) erreichte der Imperialismus, dessen entschiedenster Vertreter der Kolonialmin. J. Chamberlain war, seinen Höhepunkt. Die Briten besetzten 1885 Betschuanaland und 1889/90 Rhodesien, sicherten sich Nigeria und schufen die Kolonie Kenia, zu deren Abrundung sie 1890 im Austausch gegen Helgoland vom Dt. Reich Sansibar und Witu erwarben. Dann unterwarfen sie 1898/99 durch die Vernichtung der Mahdisten den ganzen östl. (angloägypt.) Sudan und zwangen in der Faschodakrise die Franzosen zum Rückzug vom oberen Nil. Der Burenkrieg (1899-1902) führte zur Angliederung der beiden Burenrepubliken an Großbritanniens südafrikan. Besitz. Innerhalb des brit. Weltreichs entstanden die Dominions Kanada (1867), Australien (1901), Neuseeland (1907), Südafrikan. Union (1910). (Britisches Reich und Commonwealth)Die europ. Politik Salisburys hatte sich anfangs, namentlich durch das Mittelmeer- und das Balkanabkommen von 1887 mit Italien und Österreich-Ungarn, an Bismarcks Dreibundpolitik angelehnt. Aber seit den 1890er-Jahren verschlechterte sich das dt.-brit. Verhältnis: Großbritannien sah im Dt. Reich, dessen Handel einen mächtigen Aufschwung nahm, das immer stärker in die Weltpolitik eingriff und seit 1898 seine Kriegsmarine ausbaute, einen Konkurrenten. Es entschloss sich, seine jahrzehntelange »Splendid Isolation« in Europa aufzugeben. J. Chamberlain (1895 bis 1903 Kolonialmin.) suchte 1899 und 1901 wegen des kolonialpolit. Gegensatzes zu Frankreich, Großbritannien mit dem Dt. Reich und den USA in einem Bündnis zusammenzuführen. Nachdem die dt.-brit. Bündnisverhandlungen ergebnislos verlaufen waren, schloss der konservative Außenmin. Lansdowne 1902 ein Bündnis mit Japan, das sich gegen die russ. Ausdehnung in Ostasien richtete, und 1904 die von EduardVII. (1901-10) geförderte britisch-frz. Entente cordiale (Entente), die die kolonialpolit. Fragen regelte, seit 1906 zu militär. Besprechungen führte und es Großbritannien ermöglichte, das Schwergewicht seiner Flotte in die Nordsee zu verlegen. Durch das Abkommen von 1907 über Persien verständigte sich Großbritannien auch mit seinem alten Gegner Russland, dem Bundesgenossen Frankreichs, und so entstand die Tripelentente. 1905 waren die Liberalen mit H. Asquith (Premiermin. 1908-16), E. Grey und R. Haldane (Kriegsmin. 1905-12) zur Reg. gelangt und blieben ein Jahrzehnt im Amt. Im Innern nahmen sie eine umfassende Sozialreform in Angriff. Der Finanzmin. D. Lloyd George schuf die Steuergesetzgebung von 1909, die die besitzenden Schichten stark belastete, und 1911 die Pflichtversicherung gegen Krankheit und Arbeitslosigkeit. Die Macht des widerstrebenden Oberhauses wurde 1911 verfassungsmäßig eingeschränkt. Mithilfe der Liberalen Partei zog die Labour Party 1906 in das Unterhaus ein. Dagegen blieb die von den Suffragetten immer wieder gestellte Frage des Frauenwahlrechts bis 1918 ungelöst. In Irland waren die Pächter auf Kosten der engl. Großgrundbesitzer schon größtenteils zu freien Bauern aufgestiegen; Asquith brachte 1912/13 ein neues Homerule-Gesetz durch, dessen In-Kraft-Treten aber durch den Ersten Weltkrieg verhindert wurde.Der Erste Weltkrieg und seine Folgen: Aufgrund seiner Inseltradition war Großbritannien bes. unzulänglich auf einen großen Krieg vorbereitet; die brit. Flotte beschränkte sich im Wesentlichen auf die Fernblockade. Es kam nur zu einer großen Seeschlacht vor dem Skagerrak (31. 5./1. 6. 1916), die allerdings nicht bis zur Entscheidung ausgefochten wurde. Bes. nach der Erklärung des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs (1. 2. 1917) bedrohten die dt. U-Boote die brit. Versorgung und Produktion zeitweilig empfindlich. Dank der von Haldane und Kitchener durchgeführten Heeresreform erwies sich Großbritannien zu Lande stärker als vorausgesehen. Außer den eigenen 5,7 Mio. Soldaten nahmen fast 3 Mio. Soldaten aus den Dominions und Kolonien am Krieg teil.Im Innern führte der Druck des Kriegs im Mai 1915 durch Umbildung des liberalen Kabinetts zur ersten Koalitionsreg. der Konservativen und der Labour Party, zunächst unter dem bisherigen Premiermin. Asquith und seit Dez. 1916 unter Lloyd George, der mit A. J. Balfour als Außenmin. und (seit 1917) mit W. Churchill als Munitionsmin. alle Kräfte auf eine wirkungsvolle Kriegführung konzentrierte (zentrale Planungswirtschaft, Anhebung der Steuern). Die traditionelle liberale Wirtschaftsform wurde außer Kraft gesetzt, die wirtsch. Macht in Staatshand konzentriert. Schwierigkeiten traten in Irland auf, wo statt Homerule eine unabhängige ir. Rep. mit eigenem Parlament gefordert wurde. Nach Niederschlagung des Dubliner Osteraufstands (1916) kam es 1919 zur Bildung einer republikan. Reg. unter E. de Valera, zur Trennung von Nord- (Ulster) und Südirland durch den Government of Ireland Act (23. 12. 1920) und zum Friedensvertrag mit den Aufständischen, der Nordirland (Ulster) Homerule und Südirland Unabhängigkeit und Dominionstatus gewährte. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs erreichte das Britische Weltreich durch Übernahme Deutsch-Ostafrikas, Deutsch-Südwestafrikas, von Teilen von Kamerun und Togo, von Deutsch-Neuguinea und des Großteils der dt. Besitzungen in der Südsee sowie Iraks, Palästinas und Transjordaniens als Mandate des Völkerbunds seine bisher größte Ausdehnung. Hongkong und Singapur blieben als strateg. Positionen in Ostasien erhalten. In Ägypten wurde das brit. Protektorat 1922 beendet, doch behielt G. u. N. weiterhin eine gewisse Vorzugsstellung (Schutz des Sueskanals, Fortsetzung des angloägypt. Condominiums im Sudan). Die Balfour-Deklaration (2. 11. 1917) unterstützte die Forderung der Juden nach einer »nat. Heimstätte« in Palästina; (Trans-)Jordanien, seit 1920 Teil des brit. Völkerbundmandats über Palästina, wurde als erster Staat 1929 aus dem Mandatsverhältnis entlassen; Irak folgte 1932. Die ind. Frage erwies sich vorläufig als unlösbar, bes. seit Gandhi für die volle Selbstreg. eintrat. In der Konferenz von Washington (1921/22) musste G. u. N. den USA die gleiche Stärke der Schlachtflotte zugestehen und damit auf seinen Vorrang zur See verzichten. Durch Auslieferung eines Großteils der dt. Handelsflotte sah sich G. u. N. zwar von der dt. Handelskonkurrenz befreit, doch konnte es sich von der eigenen wirtsch. Schwäche nur langsam erholen.Zwischen den beiden Weltkriegen: Wirtsch. Schwierigkeiten, verbunden mit Massenarbeitslosigkeit (1931: 2,8 Mio.) und Streiks, bes. der Kohlearbeiter, die sich 1926 zu einem Generalstreik ausweiteten, kennzeichneten die innenpolit. Situation der 20er-Jahre. Die während des Kriegs zurückgestellten sozialen Probleme traten jetzt in den Vordergrund. Schon die Wahlen vom Dez. 1918 brachten eine Stärkung der Labour Party zulasten der Liberalen. Die von Lloyd George gebildete Koalitionsreg. zerfiel 1922. Die Konservativen unter A. Bonar Law (1922-23) und S. Baldwin (1923-24) übernahmen die Macht, während die Labour Party zur stärksten Oppositionspartei aufstieg und damit das traditionelle liberal-konservative Zweiparteiensystem endgültig sprengte. Von Jan. bis Nov. 1924 amtierte die erste, von den Liberalen unterstützte kurzfristige (Minderheits-)Regierung der Labour Party unter J. R. MacDonald. Die von ihr mit der UdSSR geschlossenen Verträge (1. 2. 1924 Anerkennung der UdSSR, 8. 8. 1924 Handelsvertrag) wurden von der zweiten Reg. Baldwin (1924-29) wieder rückgängig gemacht. Nach dem Wahlsieg von 1929 nahm das zweite Kabinett MacDonald (1929-31) am 1. 10. 1929 die Beziehungen zur UdSSR wieder auf. Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise führten 1931 zur Bildung einer nat. Koalitionsreg. unter MacDonald (bis 1935), die mit Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen, durch Pfundabwertung und Aufgabe des Goldstandards die wirtsch. Krise zu steuern suchte. Der brit. Markt wurde durch den Import-Duties-Act (29. 2. 1932) vor fremden Waren geschützt.In seiner europ. Politik suchte G. u. N. die Entstehung eines Machtvakuums in der Mitte des Kontinents ebenso zu verhindern wie den Aufbau einer neuen Hegemonialstellung Frankreichs. Es unterstützte die auf Entspannung zw. Dtl. und Frankreich ausgerichteten Locarno-Verträge (1925) sowie die Revision der im Versailler Vertrag (1919) für Dtl. festgelegten Reparationszahlungen (Dawesplan, Youngplan). Die Londoner Flottenkonferenz (21. 1.-22. 4. 1930) führte zu einer Verständigung mit den USA über den Flottenbau. Eine bedeutsame Folgewirkung des Ersten Weltkriegs war die Weiterentwicklung des British Empire zum »British Commonwealth of Nations«. Auf der Reichskonferenz von 1926 wurde den Dominions in der »Balfour-Formel« Gleichstellung mit dem Mutterland eingeräumt.Eduard VIII. folgte 1936 seinem Vater Georg V. (1910-[20. 1.] 1936) auf den Thron, doch sah er sich wegen seiner geplanten Ehe mit der geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson gezwungen, am 11. 12. 1936 abzudanken; Nachfolger wurde sein Bruder Georg VI. (1936-52).In der Außenpolitik war höchstes Ziel der zunächst von Baldwin (seit 1935) und dann von A. N. Chamberlain (seit 1937) als Premiermin. geleiteten Politik die Verhinderung eines neuen Weltkriegs durch Beseitigung der Spannungen zw. den Großmächten auf dem Verhandlungsweg (einschl. der Revision des Versailler Vertrages; Appeasement-Politik). Durch die expansive Politik Japans, Italiens und Dtl.s wurde diese Politik in ihren Grundfesten bedroht. Mit dem dt.-brit. Flottenabkommen (18. 6. 1935), in dem sich G. u. N. mit der dt. Seeaufrüstung bis zu 35 % der brit. Kriegsflotte einverstanden erklärte, wurde die Revision des Versailler Vertrags in international vertraglicher Form eingeleitet. Das Abkommen war ein erster Schritt auf dem Weg der Appeasement-Politik gegenüber dem nat.-soz. Dtl.: Hinnahme der Besetzung des Rheinlands (1936) und der Annexion Österreichs durch dt. Truppen (1938). Im Span. Bürgerkrieg (1936-39) verfolgte die brit. Regierung strikt eine Politik der Nichtintervention. Ihren Höhepunkt erreichte die Appeasement-Politik schließlich auf der Münchener Konferenz zw. Dtl., Italien, Frankreich sowie G. u. N. (29. 9. 1938). Erst mit der Garantie für die Unabhängigkeit Polens (31. 3. 1939) sowie Griechenlands und Rumäniens (13. 4. 1939) und Beistandserklärungen mit der Türkei (12. 5. 1939) und Polen (25. 8. 1939) begann Großbritannien der dt. Expansion entgegenzutreten. Die allg. Wehrpflicht wurde wieder eingeführt (26. 4. 1939).
Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit: Nach dem dt. Einmarsch in Polen erklärte G. u. N. am 3. 9. 1939 Dtl. den Krieg. Im Mai 1940 wurde Chamberlain durch W. Churchill abgelöst. Dieser bildete eine Allparteienregierung mit C. Attlee als stellv. Premiermin. In dem im Sept. 1940 einsetzenden Luftkrieg gegen England (»Schlacht um England«) konnte die brit. Luftwaffe einen dt. Erfolg verhindern. G. u. N. ging zwar siegreich, aber doch entscheidend geschwächt aus dem Zweiten Weltkrieg hervor. Die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik des Landes sah sich vor schwere Aufgaben gestellt. Das Brit. Reich und Commonwealth wurde von tief greifenden Veränderungen erfasst. Im Schatten der Supermächte, der USA und der UdSSR, verlor G. u. N. seine bisherige Weltmachtstellung.Die ersten Wahlen nach Kriegsende (Juli 1945) brachten einen Sieg der Labour Party. Die neue Reg. unter Premiermin. C. R. Attlee (1945-51) und Schatzkanzler S. Cripps proklamierte eine Politik der Genügsamkeit (»austerity«), führte aber trotz wirtsch. Schwierigkeiten ein umfangreiches Reformprogramm durch: Verstaatlichung der Kohle-, Eisen- und Stahlind., der Elektrizitätswirtschaft, des Transportgewerbes, der zivilen Luftfahrt, der Bank von England sowie Einführung des unentgeltlichen staatl. Gesundheitsdienstes. Aus den Neuwahlen vom Febr. 1950 ging die Labour Party, aus den Wahlen vom Okt. 1951 die Konservative Partei mit einer schwachen Mehrheit hervor. Am 6. 2. 1952 starb König Georg VI. Ihm folgte seine älteste Tochter als Königin Elisabeth II. auf den Thron. 1955 gab Churchill, der die angloamerikan. Beziehungen gefestigt hatte, das Amt des Premiermin. zugunsten A. Edens auf, der bei den Wahlen vom 26. 5. 1955 eine überzeugende Mehrheit gewann. Eden konnte die fortschreitende Inflation nicht aufhalten und erlitt außenpolitisch (militär. Intervention in Ägypten) eine Niederlage. Im Jan. 1957 folgte ihm H. Macmillan im Amt, unter dessen Führung die Konservativen am 8. 10. 1959 einen weiteren Wahlsieg errangen. Es gelang ihm, die Beziehungen zu den USA, zu Griechenland und Zypern zu verbessern und die Zusammenarbeit innerhalb des Commonwealth zu stärken. Er nahm den Kampf gegen die Inflation und die Vormacht der Gewerkschaften im Wirtschaftsleben energisch auf. Das Oberhaus wurde durch Einführung der nicht erbl. Peers (1958), einschl. weibl. Mitgl. (1963), gestärkt. Trotz Gründung der EFTA beantragte Macmillan den Beitritt seines Landes zur EWG, scheiterte jedoch wie später H. Wilson am Einspruch Frankreichs. Im Okt. 1963 trat Macmillan zurück, sein Nachfolger A. Douglas-Home erlitt bei den Wahlen 1964 eine knappe Niederlage. Die Labourregierung unter Führung Wilsons, mit überzeugender Mehrheit in den Wahlen vom 31. 3. 1966 bestätigt, verkündete die Aufgabe aller brit. Stützpunkte östlich von Sues bis 1971, beschränkte die Einwanderung aus den Commonwealthländern nach G. u. N. (Febr. 1968) und wertete das Pfund um 14,3 % ab (Nov. 1967). Aber auch durch eine rigorose Preis- und Lohnstopp-Politik sowie durch neue Steuererhöhungen gelang es ihr nicht, die durch steigende Arbeitslosenzahlen drastisch verdeutlichte labile Wirtschaftslage zu festigen. Aus den vorgezogenen Wahlen vom 18. 6. 1970 ging die Konservative Partei unter E. Heath als überlegener Sieger hervor. Auch er konnte die durch Stagnation und Inflation gekennzeichnete Wirtschaftslage nicht grundlegend ändern. Der zur Verbesserung der Beziehungen zw. Arbeitgebern und Arbeitnehmern gedachte »Industrial Relations Act« (25. 3. 1971) verschärfte die innenpolit. Lage (Bergarbeiterstreik, Energiekrise, Ausrufung des Notstands). Außenpolitisch setzte Heath den brit. Beitritt zur EG (1. 1. 1973) durch. Nach den Wahlen von 1974 bildete zunächst Wilson, 1976 J. Callaghan eine Labourregierung. Mit Anti-Inflationsprogrammen suchten beide Premiermin. der sozioökonom. Krise (ungewöhnlich hohe Inflationsrate, steigende Arbeitslosigkeit) Herr zu werden. Die wirtsch. Probleme trugen wesentlich zum Sieg der Konservativen Partei bei den Unterhauswahlen im Mai 1979 bei; Premiermin. wurde M. Thatcher. Ihre restriktive Wirtschafts- und Währungspolitik v. a. zur Verlangsamung der Inflation führte zu zahlreichen Firmenzusammenbrüchen (Aug. 1982 über 3 Mio. Arbeitslose). Die von ihr durchgesetzte Revision des Gewerkschaftsgesetzes beschränkte die Monopolstellung der Gewerkschaften und definierte das Streikrecht enger. Wichtige Erfolge in der Außenpolitik stellten die Lösung des Rhodesienkonfliktes (Dez. 1979) sowie der erfolgreich beendete Krieg mit Argentinien um die brit. Kronkolonie Falkland Islands and Dependencies dar, die nach argentin. Besetzung im Juni 1982 zurückerobert wurde. Dieser Sieg führte zum großen Erfolg der Konservativen bei den Unterhauswahlen 1983. Der fast einjährige Streik der Bergarbeitergewerkschaft NUM gegen die vorgesehene Schließung von 20 Zechen musste am 5. 3. 1985 ergebnislos abgebrochen werden. Die Reg. nutzte den Streik zu einer weiteren Schwächung der uneinigen Gewerkschaftsbewegung.In der Nordirlandfrage, in der seit der Übernahme der direkten Herrschaft (1972) keine polit. Lösung zustande kam, unternahm die Reg. einen neuen Vorstoß zur Befriedung. G. u. N. sowie die Rep. Irland unterzeichneten im Nov. 1985 ein Abkommen, das der ir. Reg. eine konsultative Rolle in der Verwaltung Nordirlands zugestand; die Exekutivgewalt blieb bei London (außerdem Vereinbarung über eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrors). Das Unterhaus sowie das ir. Parlament stimmten bis Ende Febr. 1986 mit Mehrheit dem Abkommen zu.Außenpolitisch bemühte sich Großbritannien in engem Einvernehmen mit den USA seit Mitte der 80er-Jahre um eine schrittweise Verbesserung seiner Beziehungen zur UdSSR. Die Reg. Thatcher unterstützte die sowjetisch-amerikan. Abrüstungsverhandlungen (INF-Vertrag); das brit. Mittelstreckenpotenzial blieb jedoch bestehen. M. Thatchers starre Europapolitik, ihre ablehnende Haltung gegenüber der geplanten politisch-wirtsch. europ. Union, der sich abzeichnende Beginn einer neuen wirtsch. Rezession und innenpolit. Unruhen (Proteste der Bev. gegen eine neue Gemeindesteuer, »poll tax«) riefen Kritik an ihrer polit. Linie in der eigenen Partei hervor und bewirkten im Nov. 1990 ihre Ablösung als Premiermin. durch J. Major.
Bei den Parlamentswahlen im April 1992 behaupteten die Konservativen ihre absolute Mehrheit. Vor dem Hintergrund wachsender Kritik bes. an der Wirtschaftspolitik der Reg. (Privatisierung von Bahn, Post und Kohlebergbau) verlor die Reg. Major seit 1993 jedoch ständig an Ansehen in der Bevölkerung. Nach dem Tod von J. Smith wählte die Fraktion der Labour Party im Unterhaus 1994 A. (Tony) Blair zu dessen Nachfolger als Führer der Labour Party. Nach ständigen Auseinandersetzungen innerhalb der Konservativen Partei v. a. um die brit. Europapolitik schwand die parlamentar. Basis der Reg. Major immer mehr; seit Ende 1996 sah sie sich als Minderheitsreg. v. a. auf die Unterstützung nordirisch-prot. Abg. angewiesen.
Nach der »Gemeinsamen Erklärung« der Premiermin. Major und Reynolds (Rep. Irland) vom 15. 12. 1993, die mit der Anerkennung der Sinn Féin als offizielle Verhandlungspartnerin die Suche nach Frieden in Nordirland erleichtern sollte, verkündete die Sinn Féin am 31. 8. 1994 einen »Waffenstillstand«; diesen kündigte sie jedoch im Febr. 1996 wieder auf und verübte in der Folgezeit erneut Bombenattentate auf öffentl. Einrichtungen. Seit den Wahlen zu einem »Nordirland-Forum« kam es im Juni 1996 zu Allparteiengesprächen über die Lösung des Nordirlandproblems.Nach langen Auseinandersetzungen mit dem rechten Flügel der Konservativen erreichte Premiermin. Major gegen die Opposition der Labour Party im Juli 1993 die Ratifizierung des Vertrages von Maastricht. Aber auch in der Folgezeit verschärfte sich unter den Konservativen der Gegensatz zw. Befürwortern des europ. Integrationsprozesses und den »Euroskeptikern«. Die Auseinandersetzungen zw. der Reg. und der EU um die Bekämpfung der BSE-Seuche erreichten 1996 einen Höhepunkt.
Vor dem Hintergrund einer völlig veränderten Sicherheitslage in Europa reduzierte G. u. N. seine Militärpräsenz in Dtl. in den 1990er-Jahren von rd. 70 000 Soldaten auf etwa 30 000. - Mit einem militär. Kontingent von rd. 35 000 Mann nahm G. u. N. 1991 am Krieg gegen Irak teil. Zum 1. 7. 1997 übergab es seine Kronkolonie Hongkong vertragsgemäß an die VR China.Bei den Unterhauswahlen vom 1. 5. 1997 errang die Labour Party mit 419 gegenüber 165 Sitzen der Konservativen Partei einen ungemein hohen Sieg. Premiermin. wurde am 3. 5. 1997 Blair. Im Sept. 1997 fanden in Schottland und Wales Volksabstimmungen zur Schaffung eigener Regionalparlamente statt (von 74,3 % bzw. 50,3 % der Teilnehmer befürwortet); Durchführung erster Wahlen im Mai 1999). Am 10. 4. 1998 erreichte die brit. Reg. im Zusammenwirken mit der irischen ein Friedensabkommen für Nordirland unter Beteiligung der dortigen Konfliktparteien, die die Vereinbarungen (trotz deutl. Zustimmung durch Referenden in Irland und Nordirland am 22. 5. 1998) jedoch nur schleppend umzusetzen vermochten. Die Reg. Blair aktivierte die Rolle Großbritanniens in der EU (Ende März 1999 Zustimmung zur Agenda 2000).
Literatur:
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Großbritannien-Ploetz. Geschichte Großbritanniens u. Irlands zum Nachschlagen, bearb. v. C. Witz u. a. Freiburg im Breisgau u. a. 31993, Nachdr. ebd. 1996.
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