Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Gnosis
Gnosis[grch. »Erkenntnis«] die, in der grch. Tradition Bez. für die Erkenntnis überhaupt; im N. T. Bez. für die christl. Erkenntnis als Heilswahrheit (z. B. 1. Kor. 1, 5) und als falsche G. für Irrlehren (1. Tim. 6, 20). - Im heutigen Sprachgebrauch bezeichnet G. als allg. Begriff der Religionsphänomenologie das systematisch gefasste, nur wenigen Auserwählten zugängl. (göttl.) Geheimwissen in esoter. Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. In diesem Sinne (auch Gnostizismus gen.) zusammenfassende Bez. für mehrere spätantike religiöse dualist. Erlösungsbewegungen unterschiedl. Herkunft v. a. des 2. Jh. n. Chr., deren Erforschung zunächst nur indirekt auf der Grundlage der christl. Antihäretikerliteratur möglich war und sich erst seit der Entdeckung von kopt. Originaltexten in Nag Hammadi (1945/46) auf authent. Quellen stützen kann. Grundlegend für das gnost. Weltbild ist die Interpretation der Welt und der menschl. Existenz im Rahmen einer streng dualist. Konzeption. Die materielle Welt wird als von einem Demiurgen geschaffen und widergöttlich angesehen. In ihr sind Teile der jenseitigen göttl. Welt des Lichts (göttl. Funken) gefangen, die erlöst werden müssen. Der gnost. Kosmologie entspricht eine Anthropologie, die im Leib das Gefängnis der Seele sieht. Erlösung aus der Gefangenschaft ist durch Erkenntnis möglich, in der christl. G. durch Christus, den Gesandten des göttl. Lichts. Die christl. G. war im 2. Jh. weit verbreitet und führte zur ersten großen Glaubensauseinandersetzung in der frühen Kirche, in deren Ergebnis sie als häretisch verurteilt wurde. Die maßgebenden Gnostiker stammen aus dem Orient. Saturnil wirkte in Syrien, Basilides in Alexandria, Valentin in Rom.
Literatur:
K. Rudolph. G. u. Gnostizismus, hg. v. Darmstadt 1975.
Rudolph, K.: Die G. Göttingen 31990, Nachdr. Göttingen 1994.
Brumlik, M.: Die Gnostiker. Tb.-Ausg. Frankfurt am Main 1995.
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