Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Gießverfahren
Gießverfahren, Verfahren zur Erzeugung von Gussstücken aus Metallen und Kunststoffen. Für das Gießen in verlorenen Formen (je Gussstück eine Form) werden die Gussformen aus Formsand (mit der Grundsubstanz Quarz), gebunden jeweils durch Ton oder Zement mit Wasser oder Kunstharz, Öl oder Wasserglas als Binder, hergestellt. Beim Nassguss werden kleine Gussstücke in ungetrockneten Gussformen hergestellt, beim Trockenguss werden die Formen vorher gebrannt. Unter Feinguss oder Präzisionsguss werden G. verstanden, die außer mit verlorenen Formen auch mit verlorenen Modellen arbeiten (große Maßgenauigkeit und Oberflächengüte). Ebenfalls mit verlorenen Modellen arbeitet das Vollform-G., bei dem das Modell aus Polystyrolschaumstoff beim Eingießen der Schmelze vergast und den Hohlraum freigibt. Während beim Sandguss die Form nach jedem Guss zerstört werden muss, lassen sich beim Gießen in Dauerformen (Kokillenguss) zahlr. Abgüsse mit immer derselben Form erzielen. Die Kokillen bestehen aus Stahl, Gusseisen oder warmfesten, legierten Stählen. Beim Blockguss werden Blöcke, die für die Warmverformung bestimmt sind, in Kokillen gegossen. Das Metall wird entweder von oben in die Form (fallender Guss) oder durch einen Einguss von unten eingegossen (steigender Guss). Ein weiteres Verfahren ist der Strangguss. Nach dem Schleudergussverfahrenwerden Rohre und andere zylindr. Hohlkörper durch Eingießen der Schmelze in rotierende Kokillen unter der Wirkung der Zentrifugalkraft ohne Hilfe eines Kernes hergestellt. Beim Verbundguss wird an ein festes Metallteil ein weiteres aus einem anderen Metall angegossen. Bei Druck-G. mit metall. Dauerformen unterscheidet man das Kaltkammerverfahren, bei ihm wurde für jedes Gussstück erneut das flüssige Metall in die Druckkammer gefüllt, und das Warmkammerverfahren, bei ihm ist die Druckkammer ständig mit flüssigem Metall gefüllt.Eisenguss wird aus Gusseisen hergestellt, das entweder unmittelbar dem Hochofen entnommen oder aus Gießereiroheisen (meist unter Zusatz von Schrott) in Kupol- oder elektr. Öfen umgeschmolzen wird. Im Gusseisen mit Lamellengraphit (GG) liegt der Kohlenstoff als Graphit in lamellarer Form vor, der dem Eisen ein graues Bruchaussehen verleiht (früher Grauguss gen.). Im Hartguss ist der Kohlenstoff als Eisencarbid gebunden unter Bildung eines ledeburit. Gefüges (Stahl), das dem Eisen eine hohe Härte verleiht. Bei Temperguss liegt der Kohlenstoff als Graphit vor, wodurch er schweißbar wird. Der Stahlguss (Stahlformguss) wird in der Hauptmenge aus einem Stahl mit 0,1-0,5 % Kohlenstoff hergestellt. Daneben gibt es legierten Stahlguss mit veränderten Eigenschaften.Beim Nichteisenmetallguss werden Schwer- und Leichtmetallguss unterschieden. Die wichtigsten Werkstoffe für den Schwermetallguss sind Zinnbronze, Rotguss und Gussmessing, wobei sämtl. Form- und Gussverfahren Anwendung finden; Zinklegierungen werden fast ausschl. im Druckgussverfahren verarbeitet. Hierbei werden die Metalle im teigigen oder flüssigen Zustand unter hohem Druck (meist mithilfe eines Kolbens oder mit Druckluft) in eine Dauerform gepresst. Besondere Vorteile sind u. a. die Korrosionsbeständigkeit und die Verschleißeigenschaften der Werkstoffe. Der Leichtmetallguss umfasst Aluminium- und Magnesiumlegierungen; diese werden vorzugsweise im Druckguss- oder Kokillengussverfahren verarbeitet.Gießen von Kunststoffen: Kunststoff-Formteile oder -Halbzeug werden hergestellt, indem man flüssige, pastöse oder aufgeschmolzene Vorprodukte (z. B. Gießharze, vernetzende Elastomer-Vorprodukte, polymerisierbare Monomere) in Gießformen durch chem. Umwandlung oder durch Erkalten zu harten bis gummiartig weichen Körpern erstarren lässt. Im Rotationsguss fertigt man Hohlkörper aus PVC-Pasten oder Polyäthylenpulver; dabei lässt man die Formen im Heißluftofen mäßig schnell um zwei Achsen rotieren.Geschichte: Der Eisenkunstguss war in China seit dem 6. Jh. v. Chr., im Abendland seit dem 14. Jh. bekannt; der direkte Guss aus dem Hochofen kam erst im 15. Jh. auf. 1851 stellte J. Mayer in Bochum Stahlformguss her. Das Gusseisen als Werkstoff begann seit dem 18. Jh. in Maschinenbau und Bauwesen eine wesentl. Rolle zu spielen. Auch in der bildenden Kunst wurde der Eisenguss verwendet, bes. im Barock und Klassizismus und bei den Denkmälern des 19. Jh. Noch heute werden Plaketten und Kleinplastiken in Eisenguss hergestellt.
Literatur:
G. Engels 5000 Jahre Gießen von Metallen, hg. v. u. H. Wübbenhorst. Düsseldorf 31994.
Gießerei-Lexikon, begr. v. E. Brunhuber, hg. v. S. Haase. Berlin 171997.
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