Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Gesetzgebungsverfahren
Gesetzgebungsverfahren,in der Verf. festgelegtes Verfahren, in dem Ges. (im formellen Sinn) zustande kommen. In Dtl. können Bundesgesetze nur erlassen werden, soweit dem Bund die ausschließl. oder konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zusteht oder der Bund Rahmenvorschriften erlassen kann; sonst verbleibt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern. Zur ausschließl. Gesetzgebungskompetenz (Art. 73 GG) gehören u.a. die Außen- und die Verteidigungsangelegenheiten, die Staatsangehörigkeit, das Währungs-, Geld-, Münz- und Messwesen, die Post und die Telekommunikation. Rahmenkompetenz (Art. 75 GG) besitzt der Bund u.a. für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens, der Presse oder der Raumordnung. Im großen Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 GG) haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, soweit und solange der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht. Eine Gesetzgebungskompetenz eigener Art ist das verfassungsrechtlich nicht ausdrücklich geregelte Recht zur Gesetzgebung kraft Sachzusammenhangs oder aus der Natur der Sache. Im Bund werden Gesetzesvorlagen von der Bundesreg., durch den Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestages bei diesem eingebracht (Gesetzesinitiative). Gesetzesvorlagen der Bundesreg. sind zunächst dem Bundesrat zuzuleiten und gehen mit dessen Stellungnahme an den Bundestag, während Vorlagen des Bundesrats durch die Bundesreg. mit Stellungnahme an den Bundestag zu leiten sind. Dort werden die Bundesgesetze in dreimaliger »Lesung« beraten. Nach Annahme im Bundestag werden die Bundesgesetze dem Bundesrat vorgelegt. Dieser kann gegen das vom Bundestag beschlossene Ges. den Vermittlungsausschuss anrufen, der eine Änderung des Bundesgesetzes vorschlagen kann, worauf der Bundestag erneut beraten muss. Bei Zustimmungsgesetzen, d. h. Ges., die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, ist das vom Bundestag beschlossene Bundesgesetz abgelehnt, wenn der Bundesrat nicht zustimmt. Bei Ges., die der Zustimmung des Bundesrats nicht bedürfen, kann dieser nach Beendigung des Vermittlungsverfahrens Einspruch (im Ggs. zu den Zustimmungsgesetzen »Einspruchgesetze« gen.) einlegen. Den Einspruch kann der Bundestag mit derselben Mehrheit zurückweisen, mit der der Bundesrat ihn beschlossen hat; damit ist der Bundesrat überstimmt. Die rechtswirksam beschlossenen Bundesgesetze werden vom Bundespräs. nach Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder die zuständigen Bundesmin. ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet (Voraussetzungen des In-Kraft-Tretens). Der Tag des In-Kraft-Tretens soll im Bundesgesetz bestimmt sein; wenn nicht, tritt dieses mit dem 14. Tag nach Ausgabe des entsprechenden Bundesgesetzblatts in Kraft. Über die Vereinbarkeit der Bundesgesetze mit dem GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht (Normenkontrolle).In Österreich werden Gesetzesvorlagen von der Bundesreg., von Abg. des Nationalrates, vom Bundesrat oder als Volksbegehren beim Nationalrat eingebracht und beraten. Gegen Gesetzesbeschlüsse kann der Bundesrat ein suspensives Veto einlegen, wenn nicht der Nationalrat einen Beharrungsbeschluss fasst. Ges., die Vermögen und Finanzen des Bundes betreffen, kann der Bundesrat nicht blockieren; Ges., die die Kompetenz der Länder beschränken, bedürfen seiner Zustimmung. Der Bundespräs. beurkundet das verfassungsgemäße Zustandekommen der Bundesgesetze, der Bundeskanzler veranlasst die Kundmachung im Bundesgesetzblatt. In der Schweiz besitzen jeder der beiden Räte (National- und Ständerat), jedes Ratsmitglied, der Gesamtbundesrat und jeder Kanton und Halbkanton das Recht der Gesetzesinitiative; seit 1891 haben die Stimmberechtigten zudem das Recht, in Bezug auf Verfassungsänderungen ein entsprechendes Verfahren durch Volksinitiative in Gang zu bringen. Hat die Gesetzesinitiative Erfolg, muss der Bundesrat einen Gesetzentwurf (»Vorlage«) ausarbeiten, der der Bundesversammlung zugeleitet und in beiden Kammern beraten und über den Beschluss gefasst wird. Bei unterschiedlichen Voten der Räte findet ein »Differenzbereinigungsverfahren« statt. Können die Differenzen nicht bereinigt werden, ist die Vorlage gescheitert, im anderen Falle findet eine Schlussabstimmung statt und der Erlass wird im Bundesblatt veröffentlicht. Innerhalb der folgenden 90 Tage können 50 000 Stimmbürger oder acht Kantone verlangen, dass über das Ges. das Referendum (Volksabstimmung) abgehalten wird. Bei Verfassungsges. findet das Referendum in jedem Falle statt (»obligator. Referendum«).
▣ Literatur:
Sannwald, R.: Die Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen u. des G. im Bundesstaat. Einführung, Erläuterungen, Materialien. Köln 1995.
⃟ Müller, Martha D.: Auswirkungen der Grundgesetzrevision von 1994 auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zw. Bund u. Ländern. Münster 1996.
⃟ Ullrich, N.: G. u. Reichstag in der Bismarck-Zeit. Berlin 1996.
▣ Literatur:
Sannwald, R.: Die Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen u. des G. im Bundesstaat. Einführung, Erläuterungen, Materialien. Köln 1995.
⃟ Müller, Martha D.: Auswirkungen der Grundgesetzrevision von 1994 auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zw. Bund u. Ländern. Münster 1996.
⃟ Ullrich, N.: G. u. Reichstag in der Bismarck-Zeit. Berlin 1996.