Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Geschichtswissenschaft
Geschichtswissenschaft,die method. Erforschung der Geschichte des Menschen als soziales Wesen, betrieben auf der Grundlage der kritisch gesicherten Überlieferung (»Quellen«); Voraussetzung für eine wiss. begründete Geschichtsschreibung. Die G. stellt sich die Aufgabe, alle bezeugten geschichtl. Tatbestände möglichst genau und vollständig festzustellen sowie ihre Zusammenhänge, Bedingtheiten und Wirkungen verständlich zu machen. Ideologiekritisch in ihrem method. Ansatz, sucht sie die Wurzeln der Gegenwart freizulegen (oft in dialekt. Vermittlung) und deren geschichtl. Struktur erkennbar zu machen. Ihrem Wesen nach kann die G. dem politisch Handelnden keine Anweisungen bereitstellen, aber die Bedingungen erhellen, unter denen sich polit. Handeln vollzieht. Demzufolge ist die Frage nach dem Sinn der Geschichte allenfalls negativ einzugrenzen.
Einteilung und Organisation von Forschung und Lehre folgen im Wesentlichen entsprechend der Eigenart ihrer Überlieferung bis heute der klass. Periodisierung in Alte, Mittlere und Neuere Geschichte; innerhalb der Letzteren wird noch zw. Neuester Geschichte (seit der Frz. Revolution bzw. der Industrialisierung) und Zeitgeschichte (»zeitgenöss. Geschichte«) unterschieden; hinzu kommen die Vor- und Frühgeschichte. Die histor. Hilfswiss. stellen die Mittel zur krit. Erforschung der Quellen bereit (u. a. Paläographie, Urkundenlehre, Chronologie, Genealogie, Heraldik). Kleinere landschaftl. und staatlich-polit. Einheiten erforscht die Landesgeschichte; besondere Aspekte der Geschichte behandeln Kultur-, Rechts-, Religions-, Wirtschaftsgeschichte u. a. Die Verfassungsgeschichte, urspr. stark an Institutionen und staatl. Normen orientiert, nähert sich heute der Sozialgeschichte. Die Grenze zu den von sozialwiss. Methodologie bestimmten Nachbardisziplinen ist heute oft fließend. - Die durch Methodenpluralismus gekennzeichnete moderne G. ist zunehmend darauf gerichtet, das histor. Geschehen in all seiner Totalität, Komplexität und Vielschichtigkeit zu erfassen. In ihrem Streben nach neuer Gesamtschau bemüht sich diese »histoire totale« u. a. um das Erschließen neuer oder bisher weniger beachteter Quellen (z. B. Mentalitätsgeschichte, Oral History) und Themen (u. a. Alltags- und Mikrogeschichte, Geschichte der Frauen, der Umwelt). Während die G. in ihrer Frühphase im 19. Jh. enge Verbindungen zur Philologie besaß und die Sozial- und Strukturgeschichte in der Mitte des 20. Jh. Anregungen von der Soziologie, der Ökonomie und der histor. Demographie aufnahm, erlangten in der neuen Kulturgeschichte des späten 20. Jh. Anthropologie (Historische Anthropologie), Linguistik und Semiotik Bedeutung.
▣ Literatur:
O. Brunner Geschichtl. Grundbegriffe. Histor. Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hg. v. u. a., 7 Bde. u. 2 Register-Bde. Stuttgart 1-41972-97, teilw. Nachdr.
⃟ Borowsky, P. u. a.: Einführung in die G., 2 Bde. Opladen 2-51980-89.
⃟ Brunner, K.: Einführung in den Umgang mit Geschichte. Wien 21991.
⃟ Brandt, A. von: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die histor. Hilfswissenschaften. Stuttgart u. a. 131992.
⃟ Sellin, V.: Einführung in die G. Göttingen 1995.
⃟ Iggers, G. G.: G. im 20. Jh. Ein krit. Überblick im internat. Zusammenhang. Göttingen 21996.
Geschichtswissenschaft,die method. Erforschung der Geschichte des Menschen als soziales Wesen, betrieben auf der Grundlage der kritisch gesicherten Überlieferung (»Quellen«); Voraussetzung für eine wiss. begründete Geschichtsschreibung. Die G. stellt sich die Aufgabe, alle bezeugten geschichtl. Tatbestände möglichst genau und vollständig festzustellen sowie ihre Zusammenhänge, Bedingtheiten und Wirkungen verständlich zu machen. Ideologiekritisch in ihrem method. Ansatz, sucht sie die Wurzeln der Gegenwart freizulegen (oft in dialekt. Vermittlung) und deren geschichtl. Struktur erkennbar zu machen. Ihrem Wesen nach kann die G. dem politisch Handelnden keine Anweisungen bereitstellen, aber die Bedingungen erhellen, unter denen sich polit. Handeln vollzieht. Demzufolge ist die Frage nach dem Sinn der Geschichte allenfalls negativ einzugrenzen.
Einteilung und Organisation von Forschung und Lehre folgen im Wesentlichen entsprechend der Eigenart ihrer Überlieferung bis heute der klass. Periodisierung in Alte, Mittlere und Neuere Geschichte; innerhalb der Letzteren wird noch zw. Neuester Geschichte (seit der Frz. Revolution bzw. der Industrialisierung) und Zeitgeschichte (»zeitgenöss. Geschichte«) unterschieden; hinzu kommen die Vor- und Frühgeschichte. Die histor. Hilfswiss. stellen die Mittel zur krit. Erforschung der Quellen bereit (u. a. Paläographie, Urkundenlehre, Chronologie, Genealogie, Heraldik). Kleinere landschaftl. und staatlich-polit. Einheiten erforscht die Landesgeschichte; besondere Aspekte der Geschichte behandeln Kultur-, Rechts-, Religions-, Wirtschaftsgeschichte u. a. Die Verfassungsgeschichte, urspr. stark an Institutionen und staatl. Normen orientiert, nähert sich heute der Sozialgeschichte. Die Grenze zu den von sozialwiss. Methodologie bestimmten Nachbardisziplinen ist heute oft fließend. - Die durch Methodenpluralismus gekennzeichnete moderne G. ist zunehmend darauf gerichtet, das histor. Geschehen in all seiner Totalität, Komplexität und Vielschichtigkeit zu erfassen. In ihrem Streben nach neuer Gesamtschau bemüht sich diese »histoire totale« u. a. um das Erschließen neuer oder bisher weniger beachteter Quellen (z. B. Mentalitätsgeschichte, Oral History) und Themen (u. a. Alltags- und Mikrogeschichte, Geschichte der Frauen, der Umwelt). Während die G. in ihrer Frühphase im 19. Jh. enge Verbindungen zur Philologie besaß und die Sozial- und Strukturgeschichte in der Mitte des 20. Jh. Anregungen von der Soziologie, der Ökonomie und der histor. Demographie aufnahm, erlangten in der neuen Kulturgeschichte des späten 20. Jh. Anthropologie (Historische Anthropologie), Linguistik und Semiotik Bedeutung.
▣ Literatur:
O. Brunner Geschichtl. Grundbegriffe. Histor. Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hg. v. u. a., 7 Bde. u. 2 Register-Bde. Stuttgart 1-41972-97, teilw. Nachdr.
⃟ Borowsky, P. u. a.: Einführung in die G., 2 Bde. Opladen 2-51980-89.
⃟ Brunner, K.: Einführung in den Umgang mit Geschichte. Wien 21991.
⃟ Brandt, A. von: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die histor. Hilfswissenschaften. Stuttgart u. a. 131992.
⃟ Sellin, V.: Einführung in die G. Göttingen 1995.
⃟ Iggers, G. G.: G. im 20. Jh. Ein krit. Überblick im internat. Zusammenhang. Göttingen 21996.