Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Georgien
Geọrgi|en⃟ Fläche: 69 700 km2
Einwohner: (1997) 5,44 Mio.
Hauptstadt: Tiflis (Tbilissi)
Amtssprache: Georgisch
⃟ Währung: Lari (GEL) = 100 Tetri
Zeitzone: MEZ + 3 Std.
(georg. Sakartwelo, russ. Grusinien, amtl. Sakartwelos Respublika; dt. Rep. G.), Staat im W Transkaukasiens (SW-Asien), grenzt im W ans Schwarze Meer, im N an Russland, im O und SO an Aserbaidschan, im S an Armenien und im SW an die Türkei. Zu G. gehören die Rep. Abchasien (im NW) und Adscharien (im SW) sowie Südossetien (im N).
Staat und Recht: Es gilt die am 17. 10. 1995 in Kraft getretene Verf. Sie etabliert ein Präsidialsystem mit einem direkt für fünf Jahre gewählten Staatspräs. als Staatsoberhaupt und Reg.chef. Die Ernennung der Min. bedarf der Zustimmung des Parlaments. Von den 235 Mitgl. des Parlaments werden 150 im Verhältniswahlsystem, 85 in Einzelwahlkreisen nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt. - Es besteht ein breit gefächertes Parteiensystem.
Landesnatur: G. ist ein Gebirgsland, etwa 50 % des Landes liegen über 1 000 m ü. M., ein knappes Viertel in bis zu 500 m Höhe. Im N erstrecken sich der vergletscherte Hauptgebirgskamm des Großen Kaukasus (Schchara, 5 068 m ü. M.; Kasbek, 5 033 m ü. M.) und seine Südabdachung, im S breiten sich die westl. Rücken des Kleinen Kaukasus (Mepiszkaro, 2 850 m ü. M.) und Randteile des vulkanisch geprägten Ararathochlandes (Großer Abul, 3 301 m ü. M.) aus. Dazwischen befinden sich im W die zum Schwarzen Meer geöffnete Kolchis und weiter östlich die transkaukas. Senke mit Innerkarteli-, Unterkarteli- und Alasan-Hochebene. - Das Klima ist im Bereich der Kolchis feucht-subtropisch (300-800 mm/Jahr), nach O nimmt die Kontinentalität und somit die Trockenheit rasch zu. Im Großen und Kleinen Kaukasus variieren die Werte je nach Höhenlage (Wintertemperatur bis —40 ºC) stark. Die dem Schwarzen Meer zugeneigten Hänge empfangen die höchsten Niederschlagsmengen in G. (2 400-3 000 mm/Jahr). - Etwa 25 % der Landesfläche sind waldbedeckt (Mischwälder in den unteren, Buchen-, Fichten- und Kiefernwälder in den höheren Lagen). Über der Waldgrenze (im Großen Kaukasus bei 2 800 m, im Kleinen Kaukasus bei 3 500 m ü. M.) liegen subalpine und alpine Wiesen. Steppe, heute weitgehend in Kulturland verwandelt, bedeckt weite Teile der Becken- und Senkungszone sowie das Gebirgsland im S. - Wichtigste Vertreter der Tierwelt sind Berg-, Bezoarziege, Gämse, Braunbär, Rothirsch, Reh, Luchs, Wildschwein, Wolf und Rotfuchs.
Bevölkerung: Sie setzte sich (1993) zu 69,3 % aus Georgiern (Eigenbez. Kartweli), 8,0 % Armeniern, 6,2 % Russen, 5,6 % Aserbaidschanern (Aseri), 3,1 % Osseten, 1,9 % Griechen, 1,8 % Abchasen, 1,0 % Ukrainern sowie 3,1 % Angehörigen anderer Nationalitäten (Juden, Weißrussen, Assyrer, Tataren u. a.) zusammen. Untergruppen der Georgier sind die Adscharen, Mingrelier, Swanen u. a. Völkerschaften. Zw. den Georgiern einerseits und den Abchasen und Osseten andererseits bestehen große ethn. Spannungen. Im Land gibt es etwa 250 000-300 000 Binnenflüchtlinge (Georgier) aus Abchasien. Am dichtesten sind der S und O der Kolchis und der Küstenstreifen am Schwarzen Meer besiedelt. 59 % der Bewohner leben in Städten. Die Georgier gehören der georgisch-orth. Kirche an, die seit 1990 wieder eine herausgehobene Stellung im Staat hat. Andere Christen sind v. a. die rd. 400 000 Mitgl. der armen. Kirche und die rd. 160 000 der russisch-orth. Kirche. Rd. 11 % der Bev. sind Muslime: Sunniten (Adscharen, Mingrelier, Abchasen, Osseten) oder Schiiten (Aserbaidschaner). - Neben der Georg. Akademie der Wiss. gibt es 19 Hochschulen, darunter eine Univ. (gegr. 1918) in Tiflis.
Wirtschaft, Verkehr: Die nach der polit. Unabhängigkeit einsetzende Wandlung von einer zentralistisch gelenkten sozialist. Planwirtschaft zur privaten Marktwirtschaft wurde durch Bürgerkrieg und Krieg zw. G. und Abchasien unterbrochen, die Wirtschaft durch die Kämpfe stark zerrüttet. Durch den Niedergang der Ind. hat die Landwirtschaft einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 38 % (1995; Ind. 19 %; Dienstleistungssektor: 55 %). Wegen des Gebirgsreliefs sind nur 43 % der Landesfläche landwirtschaftlich nutzbar. Von alters her spielen Weinbau sowie Zitrusfrucht-, Obst- und Teekulturen eine besondere Rolle. Weitere Anbauprodukte sind u. a. Gemüse, Tabak, Mais, Weizen, Baumwolle, Sonnenblumen. Maulbeerbaumkulturen sind Grundlage einer Seidenraupenzucht. Rinderhaltung wird v. a. in den westl., Schafhaltung in den gebirgigen Landesteilen betrieben. Nahrungsmittel- und Genussmittelind. (Spirituosen-, Tabakwaren-, Obstkonservenherstellung) sowie die Textilind. sind die wichtigsten Ind.zweige, aber auch der Bergbau (Steinkohle, Mangan-, Zink- und Eisenerze, Erdöl und -gas) sowie die Eisenerzverhüttung (Rustawi, Sestafoni), chem. Ind. und der Bau von Elektrolokomotiven, Lkw und Werkzeugmaschinen haben Bedeutung. Wichtigste Ind.standorte sind Tiflis, Kutaissi, Rustawi, Batumi, Poti und Suchumi. Die wichtigsten Handelsländer sind Russland, Türkei, Aserbaidschan und Armenien. - Eisenbahn und Schifffahrt bewältigen den Hauptteil des Gütertransports. Das 1 583 km lange Eisenbahnnetz ist vollständig elektrifiziert. Das Straßennetz umfasst 21 000 km, davon haben 19 700 km eine feste Decke (darunter die Georgische Heerstraße). Haupthäfen sind Batumi, Poti und Suchumi; internat. Flughafen bei Tiflis. Heilbäder (Mineralquellen) und Badeorte an der Schwarzmeerküste (Suchumi, Gagra, Pizunda u. a.) sowie Wintersportgebiete führten zu einem bed., jedoch durch anhaltenden Bürgerkrieg derzeit stark beeinträchtigten Fremdenverkehr.
Geschichte: Im Altertum stand der westl. Teil des heutigen G. (Kolchis) unter grch., der östl. (Iberien) unter pers. Einfluss. 65 v. Chr. wurde es von Rom abhängig; bereits im 4. Jh. fand das Christentum Eingang. Im frühen MA. war G. zunächst von Byzanz, von den Sassaniden, später auch von den Arabern bedroht, die es im 7. Jh. eroberten. Nach dem Verfall der arab. Macht erlebte G. unter der Dynastie der Bagratiden im 12. und 13. Jh. seine Blütezeit: Es reichte vom Schwarzen bis zum Kasp. Meer und umfasste Teile Armeniens und Persiens. Kultur und Dichtung blühten auf. Im 14. Jh. wurde es durch die Mongolen und ihre Nachfolger, bes. 1386 durch Timur, verwüstet und zerfiel Ende des 15. Jh. in drei Königreiche (Imeretien, Kachetien, Kartli) und ein Fürstentum, die im 16. Jh. in pers. bzw. türk. Abhängigkeit gerieten. Weitere eigenständige Fürstentümer entstanden im 16. Jh. Zu Beginn des 18. Jh. setzte ein Zentralisierungsprozess ein. Das durch Vereinigung von Kartli (mit Tiflis) und Kachetien 1762 gebildete ostgeorg. Königreich stellte sich 1783 unter den Schutz Russlands, 1801 wurde es russ. Provinz; in den folgenden Jahren gliederte sich das Zarenreich auch die westgeorg. Gebiete an (u. a. 1803 Mingrelien, 1804 Imeretien, 1810 Abchasien). Mehrere Aufstände gegen die Russifizierungspolitik (1804, 1812, 1819) scheiterten.Am 26. 5. 1918 erklärte G. seine Unabhängigkeit als Demokrat. Republik unter einer menschewist. Reg., die zunächst von dt. und türk., später brit. Truppen geschützt und 1920 auch von der Reg. in Moskau anerkannt wurde. Trotzdem besetzten Anfang Febr. 1921 auf Betreiben Stalins Truppen der Roten Armee G. Sie erzwangen am 25. 2. 1921 die Proklamation einer Sowjetrepublik, die 1922-36 mit Armenien und Aserbaidschan die Transkaukas. Sozialist. Föderative Sowjetrep. bildete. Seit 1936 war G. eine Unionsrepublik der Sowjetunion (1936/37 bes. stark von den stalinschen Säuberungen unter der Führung von L. Berija, der 1931 Erster Sekr. der georg. KP geworden war, betroffen). Ihr Territorium umfasste 1945-57 auch das Gebiet der ausgesiedelten Balkaren und Karatschaier. Nach Stalins Tod stand 1953-72 W. Mschawanadse an der Spitze des georg. Parteiapparates; unter ihm gediehen Korruption und Schattenwirtschaft, während Probleme der nat. Minderheiten und die wirtschaftl. Entwicklung vernachlässigt wurden. Mit Machtantritt von E. Schewardnadse (1972) wurde eine Säuberung des Partei- und Staatsapparates eingeleitet; eine kontrollierte Öffnung des Landes unterstützte im Zusammenhang mit dem KSZE-Prozess die Formierung einer politisch und national motivierten Dissidentenbewegung, welche die Losung »Vaterland, Sprache, Glaube« erneut aufgriff, um Russifizierungsversuchen (Abschaffung der Staatssprache Georgisch 1978) Widerstand entgegenzusetzen. Der seit 1985 von M. S. Gorbatschow und Schewardnadse als sowjet. Außen-Min. getragene Reformkurs der UdSSR ermutigte die nat. Bewegung, die Sowjetisierung von 1921 und damit die Zugehörigkeit G.s zur Union infrage zu stellen. Die blutige Niederschlagung einer friedl. Demonstration in Tiflis am 9. 4. 1989 führte nicht nur die versch. polit. Kräfte zusammen, sondern auch zum endgültigen Bruch mit der Moskauer Zentralmacht. Zugleich kam es seit dem Ende der 1980er-Jahre wiederholt zu heftigen, z. T. bürgerkriegsähnl. Auseinandersetzungen zw. Georgiern und den um ihre Eigenständigkeit ringenden nat. Minderheiten: seit 1989 mit den Abchasen, seit 1990 mit den Südosseten.Bei den Wahlen zum Obersten Sowjet im Nov. 1990 errang das oppositionelle Parteienbündnis »Runder Tisch - Freies G.« eine Mehrheit, sein Führer S. Gamsachurdia wurde Parlamentspräs., im Mai 1991 gewählter Staatspräs. Am 9. 4. 1991 proklamierte G. seine Unabhängigkeit. Gamsachurdias autoritäre Herrschaft wurde nach zahlr. Protesten (seit Sept. 1991) und bewaffneten Aktionen der Opposition im Jan. 1992 gestürzt. Im Zuge der Annahme einer neuen Verfassung durch die Bev. bei gleichzeitigen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 5. 11. 1995 wurde der seit März 1992 als Staatsoberhaupt tätige E. Schewardnadse zum Staatspräs. gewählt; stärkste polit. Gruppe im Parlament wurde die ihn unterstützende »Union der Bürger Georgiens«.Zur Beilegung des blutigen Konflikts in Südossetien, das seinen Zusammenschluss mit dem zur Russ. Föderation gehörenden Nordossetien anstrebt, vereinbarten die georg. Führung und südosset. Politiker Ende Juni 1992 einen Waffenstillstand (Stationierung einer gemischten Friedenstruppe aus russ., georg., süd- und nordosset. Einheiten).
Während einer Militäraktion gegen Anhänger Gamsachurdias marschierten Einheiten der georg. Nationalgarde im Aug. 1992 in Abchasien ein, das im Juli 1992 einseitig seine Unabhängigkeit erklärt hatte. Zur Beendigung der Kämpfe, in denen die abchas. Freischärler Unterstützung von Freiwilligeneinheiten der »Konföderation Kaukas. Bergvölker« (v. a. Tschetschenen) erhielten, wurde im Sept. 1992 unter Vermittlung Russlands ein Waffenstillstand geschlossen. Bald darauf kam es jedoch erneut zu schweren Gefechten, in denen es den abchas. Milizen gelang, bis Ende Sept. 1993 die georg. Truppen wieder aus Abchasien zu verdrängen (Rückeroberung Suchumis am 27. 9. 1993, Flucht von ca. 250 000 Georgiern aus der Region). Der militär. Versuch Gamsachurdias, in G. wieder Fuß zu fassen (Aug. bis Nov. 1993), scheiterte; im Dez. 1993 kam Gamsachurdia ums Leben. Am 14. 5. 1994 einigten sich Vertreter G.s und Abchasiens in Moskau über ein Waffenstillstandsabkommen (Überwachung durch eine GUS-Friedenstruppe und UN-Militärbeobachter); trotz der Einleitung von abchasisch-georg. Gesprächen mit dem Ziel einer polit. Beilegung des Konflikts blieb die Situation angespannt (1998 zeitweilig neue Kämpfe an der Demarkationslinie). Insbesondere die Rückführung der Flüchtlinge und der rechtl. Status Abchasiens, welches sich Ende 1994 in einer eigenen Verf. als »souveränen Staat« definierte, blieben ungeklärt; dafür gelang es Russland, seinen Einfluss in der Region auszubauen.
Unter dem Druck der inneren Konflikte trat G. 1993 der GUS bei. (Vertragsratifizierung am 1. 3. 1994) und schloss mit Russland am 3. 2. 1994 einen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft. 1995 wurde ein Abkommen über die Stationierung russ. Truppen in mehreren georg. Stützpunkten paraphiert (1996 Unterzeichnung weiterer Verträge über die militär. Zusammenarbeit mit Russland).
Im März 1994 trat G. dem NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden« bei; im April 1996 schloss es ein Kooperations- und Partnerschaftsabkommen mit der EU. Im April 1999 wurde G. Mitgl. des Europarates.
▣ Literatur:
G. Pätsch. Das Leben Kartlis. Eine Chronik aus G., 300-1200, hg. v. A. d. Georg. Leipzig 1985.
⃟ Pietzonka, B.: Ethnisch-territoriale Konflikte in Kaukasien. Baden-Baden 1995.
⃟ Unterwegs zum Goldenen Vlies. Archäolog. Funde aus G., hg. v. A. Miron u. W. Orthmann, Beiträge v. M. Abramischwili u. a. Stuttgart 1995.
⃟ Götz, R. u. Halbach, U.: Polit. Lexikon GUS. München 31996.
⃟ Lebens- u. Konfliktraum Kaukasien. Gemeinsame Lebenswelten u. politische Visionen der kaukasischen Völker in Geschichte u. Gegenwart, hg. v. E.-M. Auch. Großbarkau 1996.
⃟ Gerber, J.: G.: nationale Opposition u. kommunistische Herrschaft seit 1956. Baden-Baden 1997.
Einwohner: (1997) 5,44 Mio.
Hauptstadt: Tiflis (Tbilissi)
Amtssprache: Georgisch
⃟ Währung: Lari (GEL) = 100 Tetri
Zeitzone: MEZ + 3 Std.
(georg. Sakartwelo, russ. Grusinien, amtl. Sakartwelos Respublika; dt. Rep. G.), Staat im W Transkaukasiens (SW-Asien), grenzt im W ans Schwarze Meer, im N an Russland, im O und SO an Aserbaidschan, im S an Armenien und im SW an die Türkei. Zu G. gehören die Rep. Abchasien (im NW) und Adscharien (im SW) sowie Südossetien (im N).
Staat und Recht: Es gilt die am 17. 10. 1995 in Kraft getretene Verf. Sie etabliert ein Präsidialsystem mit einem direkt für fünf Jahre gewählten Staatspräs. als Staatsoberhaupt und Reg.chef. Die Ernennung der Min. bedarf der Zustimmung des Parlaments. Von den 235 Mitgl. des Parlaments werden 150 im Verhältniswahlsystem, 85 in Einzelwahlkreisen nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt. - Es besteht ein breit gefächertes Parteiensystem.
Landesnatur: G. ist ein Gebirgsland, etwa 50 % des Landes liegen über 1 000 m ü. M., ein knappes Viertel in bis zu 500 m Höhe. Im N erstrecken sich der vergletscherte Hauptgebirgskamm des Großen Kaukasus (Schchara, 5 068 m ü. M.; Kasbek, 5 033 m ü. M.) und seine Südabdachung, im S breiten sich die westl. Rücken des Kleinen Kaukasus (Mepiszkaro, 2 850 m ü. M.) und Randteile des vulkanisch geprägten Ararathochlandes (Großer Abul, 3 301 m ü. M.) aus. Dazwischen befinden sich im W die zum Schwarzen Meer geöffnete Kolchis und weiter östlich die transkaukas. Senke mit Innerkarteli-, Unterkarteli- und Alasan-Hochebene. - Das Klima ist im Bereich der Kolchis feucht-subtropisch (300-800 mm/Jahr), nach O nimmt die Kontinentalität und somit die Trockenheit rasch zu. Im Großen und Kleinen Kaukasus variieren die Werte je nach Höhenlage (Wintertemperatur bis —40 ºC) stark. Die dem Schwarzen Meer zugeneigten Hänge empfangen die höchsten Niederschlagsmengen in G. (2 400-3 000 mm/Jahr). - Etwa 25 % der Landesfläche sind waldbedeckt (Mischwälder in den unteren, Buchen-, Fichten- und Kiefernwälder in den höheren Lagen). Über der Waldgrenze (im Großen Kaukasus bei 2 800 m, im Kleinen Kaukasus bei 3 500 m ü. M.) liegen subalpine und alpine Wiesen. Steppe, heute weitgehend in Kulturland verwandelt, bedeckt weite Teile der Becken- und Senkungszone sowie das Gebirgsland im S. - Wichtigste Vertreter der Tierwelt sind Berg-, Bezoarziege, Gämse, Braunbär, Rothirsch, Reh, Luchs, Wildschwein, Wolf und Rotfuchs.
Bevölkerung: Sie setzte sich (1993) zu 69,3 % aus Georgiern (Eigenbez. Kartweli), 8,0 % Armeniern, 6,2 % Russen, 5,6 % Aserbaidschanern (Aseri), 3,1 % Osseten, 1,9 % Griechen, 1,8 % Abchasen, 1,0 % Ukrainern sowie 3,1 % Angehörigen anderer Nationalitäten (Juden, Weißrussen, Assyrer, Tataren u. a.) zusammen. Untergruppen der Georgier sind die Adscharen, Mingrelier, Swanen u. a. Völkerschaften. Zw. den Georgiern einerseits und den Abchasen und Osseten andererseits bestehen große ethn. Spannungen. Im Land gibt es etwa 250 000-300 000 Binnenflüchtlinge (Georgier) aus Abchasien. Am dichtesten sind der S und O der Kolchis und der Küstenstreifen am Schwarzen Meer besiedelt. 59 % der Bewohner leben in Städten. Die Georgier gehören der georgisch-orth. Kirche an, die seit 1990 wieder eine herausgehobene Stellung im Staat hat. Andere Christen sind v. a. die rd. 400 000 Mitgl. der armen. Kirche und die rd. 160 000 der russisch-orth. Kirche. Rd. 11 % der Bev. sind Muslime: Sunniten (Adscharen, Mingrelier, Abchasen, Osseten) oder Schiiten (Aserbaidschaner). - Neben der Georg. Akademie der Wiss. gibt es 19 Hochschulen, darunter eine Univ. (gegr. 1918) in Tiflis.
Wirtschaft, Verkehr: Die nach der polit. Unabhängigkeit einsetzende Wandlung von einer zentralistisch gelenkten sozialist. Planwirtschaft zur privaten Marktwirtschaft wurde durch Bürgerkrieg und Krieg zw. G. und Abchasien unterbrochen, die Wirtschaft durch die Kämpfe stark zerrüttet. Durch den Niedergang der Ind. hat die Landwirtschaft einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 38 % (1995; Ind. 19 %; Dienstleistungssektor: 55 %). Wegen des Gebirgsreliefs sind nur 43 % der Landesfläche landwirtschaftlich nutzbar. Von alters her spielen Weinbau sowie Zitrusfrucht-, Obst- und Teekulturen eine besondere Rolle. Weitere Anbauprodukte sind u. a. Gemüse, Tabak, Mais, Weizen, Baumwolle, Sonnenblumen. Maulbeerbaumkulturen sind Grundlage einer Seidenraupenzucht. Rinderhaltung wird v. a. in den westl., Schafhaltung in den gebirgigen Landesteilen betrieben. Nahrungsmittel- und Genussmittelind. (Spirituosen-, Tabakwaren-, Obstkonservenherstellung) sowie die Textilind. sind die wichtigsten Ind.zweige, aber auch der Bergbau (Steinkohle, Mangan-, Zink- und Eisenerze, Erdöl und -gas) sowie die Eisenerzverhüttung (Rustawi, Sestafoni), chem. Ind. und der Bau von Elektrolokomotiven, Lkw und Werkzeugmaschinen haben Bedeutung. Wichtigste Ind.standorte sind Tiflis, Kutaissi, Rustawi, Batumi, Poti und Suchumi. Die wichtigsten Handelsländer sind Russland, Türkei, Aserbaidschan und Armenien. - Eisenbahn und Schifffahrt bewältigen den Hauptteil des Gütertransports. Das 1 583 km lange Eisenbahnnetz ist vollständig elektrifiziert. Das Straßennetz umfasst 21 000 km, davon haben 19 700 km eine feste Decke (darunter die Georgische Heerstraße). Haupthäfen sind Batumi, Poti und Suchumi; internat. Flughafen bei Tiflis. Heilbäder (Mineralquellen) und Badeorte an der Schwarzmeerküste (Suchumi, Gagra, Pizunda u. a.) sowie Wintersportgebiete führten zu einem bed., jedoch durch anhaltenden Bürgerkrieg derzeit stark beeinträchtigten Fremdenverkehr.
Geschichte: Im Altertum stand der westl. Teil des heutigen G. (Kolchis) unter grch., der östl. (Iberien) unter pers. Einfluss. 65 v. Chr. wurde es von Rom abhängig; bereits im 4. Jh. fand das Christentum Eingang. Im frühen MA. war G. zunächst von Byzanz, von den Sassaniden, später auch von den Arabern bedroht, die es im 7. Jh. eroberten. Nach dem Verfall der arab. Macht erlebte G. unter der Dynastie der Bagratiden im 12. und 13. Jh. seine Blütezeit: Es reichte vom Schwarzen bis zum Kasp. Meer und umfasste Teile Armeniens und Persiens. Kultur und Dichtung blühten auf. Im 14. Jh. wurde es durch die Mongolen und ihre Nachfolger, bes. 1386 durch Timur, verwüstet und zerfiel Ende des 15. Jh. in drei Königreiche (Imeretien, Kachetien, Kartli) und ein Fürstentum, die im 16. Jh. in pers. bzw. türk. Abhängigkeit gerieten. Weitere eigenständige Fürstentümer entstanden im 16. Jh. Zu Beginn des 18. Jh. setzte ein Zentralisierungsprozess ein. Das durch Vereinigung von Kartli (mit Tiflis) und Kachetien 1762 gebildete ostgeorg. Königreich stellte sich 1783 unter den Schutz Russlands, 1801 wurde es russ. Provinz; in den folgenden Jahren gliederte sich das Zarenreich auch die westgeorg. Gebiete an (u. a. 1803 Mingrelien, 1804 Imeretien, 1810 Abchasien). Mehrere Aufstände gegen die Russifizierungspolitik (1804, 1812, 1819) scheiterten.Am 26. 5. 1918 erklärte G. seine Unabhängigkeit als Demokrat. Republik unter einer menschewist. Reg., die zunächst von dt. und türk., später brit. Truppen geschützt und 1920 auch von der Reg. in Moskau anerkannt wurde. Trotzdem besetzten Anfang Febr. 1921 auf Betreiben Stalins Truppen der Roten Armee G. Sie erzwangen am 25. 2. 1921 die Proklamation einer Sowjetrepublik, die 1922-36 mit Armenien und Aserbaidschan die Transkaukas. Sozialist. Föderative Sowjetrep. bildete. Seit 1936 war G. eine Unionsrepublik der Sowjetunion (1936/37 bes. stark von den stalinschen Säuberungen unter der Führung von L. Berija, der 1931 Erster Sekr. der georg. KP geworden war, betroffen). Ihr Territorium umfasste 1945-57 auch das Gebiet der ausgesiedelten Balkaren und Karatschaier. Nach Stalins Tod stand 1953-72 W. Mschawanadse an der Spitze des georg. Parteiapparates; unter ihm gediehen Korruption und Schattenwirtschaft, während Probleme der nat. Minderheiten und die wirtschaftl. Entwicklung vernachlässigt wurden. Mit Machtantritt von E. Schewardnadse (1972) wurde eine Säuberung des Partei- und Staatsapparates eingeleitet; eine kontrollierte Öffnung des Landes unterstützte im Zusammenhang mit dem KSZE-Prozess die Formierung einer politisch und national motivierten Dissidentenbewegung, welche die Losung »Vaterland, Sprache, Glaube« erneut aufgriff, um Russifizierungsversuchen (Abschaffung der Staatssprache Georgisch 1978) Widerstand entgegenzusetzen. Der seit 1985 von M. S. Gorbatschow und Schewardnadse als sowjet. Außen-Min. getragene Reformkurs der UdSSR ermutigte die nat. Bewegung, die Sowjetisierung von 1921 und damit die Zugehörigkeit G.s zur Union infrage zu stellen. Die blutige Niederschlagung einer friedl. Demonstration in Tiflis am 9. 4. 1989 führte nicht nur die versch. polit. Kräfte zusammen, sondern auch zum endgültigen Bruch mit der Moskauer Zentralmacht. Zugleich kam es seit dem Ende der 1980er-Jahre wiederholt zu heftigen, z. T. bürgerkriegsähnl. Auseinandersetzungen zw. Georgiern und den um ihre Eigenständigkeit ringenden nat. Minderheiten: seit 1989 mit den Abchasen, seit 1990 mit den Südosseten.Bei den Wahlen zum Obersten Sowjet im Nov. 1990 errang das oppositionelle Parteienbündnis »Runder Tisch - Freies G.« eine Mehrheit, sein Führer S. Gamsachurdia wurde Parlamentspräs., im Mai 1991 gewählter Staatspräs. Am 9. 4. 1991 proklamierte G. seine Unabhängigkeit. Gamsachurdias autoritäre Herrschaft wurde nach zahlr. Protesten (seit Sept. 1991) und bewaffneten Aktionen der Opposition im Jan. 1992 gestürzt. Im Zuge der Annahme einer neuen Verfassung durch die Bev. bei gleichzeitigen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 5. 11. 1995 wurde der seit März 1992 als Staatsoberhaupt tätige E. Schewardnadse zum Staatspräs. gewählt; stärkste polit. Gruppe im Parlament wurde die ihn unterstützende »Union der Bürger Georgiens«.Zur Beilegung des blutigen Konflikts in Südossetien, das seinen Zusammenschluss mit dem zur Russ. Föderation gehörenden Nordossetien anstrebt, vereinbarten die georg. Führung und südosset. Politiker Ende Juni 1992 einen Waffenstillstand (Stationierung einer gemischten Friedenstruppe aus russ., georg., süd- und nordosset. Einheiten).
Während einer Militäraktion gegen Anhänger Gamsachurdias marschierten Einheiten der georg. Nationalgarde im Aug. 1992 in Abchasien ein, das im Juli 1992 einseitig seine Unabhängigkeit erklärt hatte. Zur Beendigung der Kämpfe, in denen die abchas. Freischärler Unterstützung von Freiwilligeneinheiten der »Konföderation Kaukas. Bergvölker« (v. a. Tschetschenen) erhielten, wurde im Sept. 1992 unter Vermittlung Russlands ein Waffenstillstand geschlossen. Bald darauf kam es jedoch erneut zu schweren Gefechten, in denen es den abchas. Milizen gelang, bis Ende Sept. 1993 die georg. Truppen wieder aus Abchasien zu verdrängen (Rückeroberung Suchumis am 27. 9. 1993, Flucht von ca. 250 000 Georgiern aus der Region). Der militär. Versuch Gamsachurdias, in G. wieder Fuß zu fassen (Aug. bis Nov. 1993), scheiterte; im Dez. 1993 kam Gamsachurdia ums Leben. Am 14. 5. 1994 einigten sich Vertreter G.s und Abchasiens in Moskau über ein Waffenstillstandsabkommen (Überwachung durch eine GUS-Friedenstruppe und UN-Militärbeobachter); trotz der Einleitung von abchasisch-georg. Gesprächen mit dem Ziel einer polit. Beilegung des Konflikts blieb die Situation angespannt (1998 zeitweilig neue Kämpfe an der Demarkationslinie). Insbesondere die Rückführung der Flüchtlinge und der rechtl. Status Abchasiens, welches sich Ende 1994 in einer eigenen Verf. als »souveränen Staat« definierte, blieben ungeklärt; dafür gelang es Russland, seinen Einfluss in der Region auszubauen.
Unter dem Druck der inneren Konflikte trat G. 1993 der GUS bei. (Vertragsratifizierung am 1. 3. 1994) und schloss mit Russland am 3. 2. 1994 einen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gute Nachbarschaft. 1995 wurde ein Abkommen über die Stationierung russ. Truppen in mehreren georg. Stützpunkten paraphiert (1996 Unterzeichnung weiterer Verträge über die militär. Zusammenarbeit mit Russland).
Im März 1994 trat G. dem NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden« bei; im April 1996 schloss es ein Kooperations- und Partnerschaftsabkommen mit der EU. Im April 1999 wurde G. Mitgl. des Europarates.
▣ Literatur:
G. Pätsch. Das Leben Kartlis. Eine Chronik aus G., 300-1200, hg. v. A. d. Georg. Leipzig 1985.
⃟ Pietzonka, B.: Ethnisch-territoriale Konflikte in Kaukasien. Baden-Baden 1995.
⃟ Unterwegs zum Goldenen Vlies. Archäolog. Funde aus G., hg. v. A. Miron u. W. Orthmann, Beiträge v. M. Abramischwili u. a. Stuttgart 1995.
⃟ Götz, R. u. Halbach, U.: Polit. Lexikon GUS. München 31996.
⃟ Lebens- u. Konfliktraum Kaukasien. Gemeinsame Lebenswelten u. politische Visionen der kaukasischen Völker in Geschichte u. Gegenwart, hg. v. E.-M. Auch. Großbarkau 1996.
⃟ Gerber, J.: G.: nationale Opposition u. kommunistische Herrschaft seit 1956. Baden-Baden 1997.