Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Gelenkkrankheiten
Gelenkkrankheiten,Gesamtheit der auf degenerativen oder entzündl. Prozessen beruhenden krankhaften Veränderungen der Gelenke, zusammenfassend auch als Arthropathien bezeichnet (i. e. S. nur auf die degenerativen G. bezogen). Die degenerativen G. (Arthrosen) gehen auf chron. Abnutzungsprozesse zurück (v. a. durch Alter, Krankheit oder Überbeanspruchung). Symptome sind anfangs Gelenkgeräusche, reflektor. Verspannung der Gelenkgegend bei Belastungsreiz, später sekundäres Knochenwachstum der Gelenkränder, gefolgt von Knochenabsprengungen; führt zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen mit Muskelschwund, schließlich kann Gelenkversteifung mit Bewegungsunfähigkeit eintreten. Die primäre Arthrose wird möglicherweise durch ein Missverhältnis zw. Belastung und Belastbarkeit des Gelenkknorpels, z. B. durch Übergewicht oder übermäßige körperl. Anforderungen, hervorgerufen; die sekundäre Arthrose geht auf unfallbedingte Gelenkfehlstellungen, Entzündungen (z. B. Rheumatismus) und angeborene Gewebs-, v. a. Knorpelminderwertigkeit zurück. Eine typ. Abnutzungskrankheit ist die Arthrosis deformans des höheren Lebensalters (Alterskrankheit), die meist erst nach dem 50. Lebensjahr in Schüben einsetzt und zunächst symptomlos, später mit z. T. starken Schmerzzuständen verläuft. Von der Arthrose sind meist die Kniegelenke (Gonarthrose) und Hüftgelenke (Koxarthrose) befallen. Ähnl. Veränderungen an den kleinen Gelenken der Wirbelsäule bewirkt die Spondylosis deformans (Spondylose), die v. a. die Hals- und Brustwirbelsäule befällt und bei mehr als der Hälfte aller Menschen zw. dem 40. und 50. Lebensjahr auftritt. Sie kann bei chron. Verlauf zur Versteifung der Wirbelsäule führen. Die Behandlung der degenerativen G. besteht v. a. in aktiven und passiven Bewegungsübungen, Unterwassermassagen, Wärmeanwendungen (Bestrahlung, Fango-, Moorpackungen), Heilbadkuren und Schmerzbekämpfung durch schmerzlindernde Mittel; bei schweren Arthropathien kann eine Gelenkprothese die Gelenkfunktion wiederherstellen.Die entzündl. G. treten in akuter oder chron. Form auf. Die akut-entzündl. Gelenkerkrankung, früher als akuter Gelenkrheumatismus bezeichnet, wird heute als Ersterkrankung fast nur noch im Kindesalter beobachtet. Meist schließt sie sich an eine durch hämolysierende Streptokokken hervorgerufene Mandelentzündung an. Diese Keime bewirken i. d. R. eine individuelle Überempfindlichkeit und spielen eine krankheitsauslösende Rolle. Symptome sind schmerzhafte Gelenkschwellungen, v. a. der großen Gelenke an Armen und Beinen, sowie hohes Fieber mit Schweißausbrüchen. Die Behandlung besteht in einer Bekämpfung des Streptokokkenherdes durch Antibiotika, zusätzl. Gabe von Antirheumatika und Cortisonpräparaten sowie in Wärmeanwendungen. Hartnäckige Entzündung eines einzelnen Gelenks kann durch Gonokokken (Gelenktripper) u. a. Keime, auch durch Syphilis und Tuberkulose, hervorgerufen werden (Infektarthritis). Die primär-chronisch-entzündl. Arthritis, früher als primär-chron. Gelenkrheumatismus bezeichnet, ist mit krankhaften Vorgängen im Gesamtorganismus verbunden. Sie beruhen auf Serumeiweißstörungen (Autoimmunreaktionen). Die primär-chron. Polyarthritis ist eine zu den Kollagenosen gerechnete Systemerkrankung des Bindegewebes, bei der in 80 % der Fälle Rheumafaktoren nachweisbar sind (rheumatoide Arthritis). Sie tritt meistens zw. dem dritten und fünften Lebensjahrzehnt auf, daneben besteht eine juvenile Form des frühen Kindesalters. Der Beginn ist schleichend. Befallen sind anfangs meist nur die kleinen Gelenke an Fingern und Zehen, die schmerzhaft geschwollen sind. Nach jahrzehntelangem Bestehen kommt es zu Gelenkzerstörung an Händen und Füßen, schließlich auch der großen Gelenke. Zu den primär-chron. G. gehört auch die Bechterew-Krankheit. Mit einer symptomat. chron. Gelenkentzündung sind die Schuppenflechte und die Gicht verbunden. Die Behandlung erfolgt v. a. medikamentös mit Antibiotika sowie entzündungshemmenden und schmerzlindernden Mitteln.
Literatur:
Mohr, W.: G. Diagnostik u. Pathogenese makroskop. u. histolog. Strukturveränderungen. Stuttgart u. a. 1984.
Bäker, B. A.: Alles über Gelenkerkrankungen. München 31991.
Cotta, H.: Der Mensch ist so jung wie seine Gelenke. München u. a. 91994.
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