Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Geisteswissenschaften
Geisteswissenschaften,diejenigen Wiss., die die Ordnungen des Lebens in Staat, Gesellschaft, Recht, Sitte, Erziehung, Wirtschaft, Technik und die Deutungen der Welt in Sprache, Mythos, Religion, Kunst, Philosophie und Wiss. zum Gegenstand haben (E. Rothacker).
In Dtl. wurde der Begriff von W. Dilthey (»Einleitung in die G.«, 1883) durchgesetzt. Er sah in den G. »das Ganze der Wiss., welche die geschichtlich-gesellschaftl. Wirklichkeit zu ihrem Gegenstand haben«. Ihre Aufgabe bestehe im »Nacherleben« und »Verstehen« der geistig-kulturellen Betätigungen der Menschen. W. Windelband betonte den Unterschied zw. der Naturwiss. als »nomothetischer« Wiss., die auf allg. Gesetzmäßigkeiten gerichtet ist, und den G. als den »idiographischen«, auf das einmalige Ereignis gerichteten Wiss. Es werden heute jedoch auch andere Möglichkeiten einer Klassifikation der Wiss. entwickelt (Wissenschaft). Im marxist. Denken wurde der Begriff der G. z. T. durch den der Sozial- oder Gesellschaftswiss. ersetzt, z. T. wird er als Verbindung von Kultur- und Sozialwiss. neu definiert. Durch das starke Vordringen naturwiss.-empir. Methoden hat bes. in der Sozialwiss. die Trennung von Naturwiss. und G. für bestimmte Forschungsbereiche ihre alte Bedeutung verloren.
Literatur:
Scholtz, G.: Zwischen Wissenschaftsanspruch u. Orientierungsbedürfnis. Zu Grundlage u. Wandel der G. Frankfurt am Main 1991.
Kulturbegriff u. Methode. Der stille Paradigmenwechsel in den G., hg. v. K. P. Hansen. Tübingen 1993.
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