Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Geist
Geist,1) allg.: Sinn, Bedeutung, Gehalt; auch Scharfsinn, Witz, Esprit; die Gesinnung einer Person oder Gruppe.
2) Philosophie: allg. das dem Bewusstsein, dem Fühlen, Wollen und Denken zugrunde liegende Prinzip und dessen Organisationsformen. - Sein Verhältnis zu anderen Seinsarten wie Materie und Körper unterlag vielfältigen Deutungen, die sich zwischen den Extrempositionen des Idealismus und Materialismus bewegten. Ersterem ist allein der G. wirklich, die Materie lediglich abgeleitete Erscheinungsform; Letzterem ist die Materie das Reale, der G. bloßer Schein (radikaler Materialismus, Behaviorismus). Verschiedenste Dualismen liegen zwischen diesen Extremen: Bereits in der »Odyssee« (10, 239 ff.) begegnen neben den materiell gedachten Seelenteilen Verstand und Einsicht (Nus), die Selbstbewusstsein einschließen (Odyssee 10, 239 ff.). Nus und Körper stehen in - nicht mechanist. - Wechselwirkung. Während Anaximenes und Heraklit sich den G. noch materiell vorstellen - luft- bzw. feuerartig -, nimmt er bei Anaxagoras als Denk- und Willensmacht, Ursprung der Bewegung des Alls und Unendliches deutlich nichtmaterielle Form an. Auf diesem G.-Begriff bauen Platon und Aristoteles auf. Für Aristoteles ist Gott reiner G., leidens- und zeitlos, sich selbst denkend; als menschl. G. Inbegriff des diskursiven Denkens und Urteilens, Verstand, als Schauen der Grundsätze die Vernunft.
Mit Descartes gewinnt das G.-Materie-Verhältnis eine neue Form. Dem G. als denkender Substanz setzt er die Materie als wesentlich ausgedehnte Körper entgegen. So bleibt der G. den Naturprozessen gegenüber grundsätzlich äußerlich; die Natur wird geist- und seelenlos.An Platon und Aristoteles knüpft der dt. Idealismus an. Nach G. W. F. Hegel ist der G. das wahrhaft Wirkliche, das sich in der Natur eine äußere Gestalt gibt, als subjektiver G. das menschl. Denk- und Reflexionsvermögen darstellt, als objektiver G. den Inbegriff aller Bedeutungsgehalte in Sprache, Wiss., Staat und Gesellschaft bildet und im absoluten G. als Kunst, Religion und Philosophie zum Begreifen seiner selbst kommt.
In anderen philosoph. Systemen wird der G. metaphysisch abgewertet (A. Schopenhauer, F. Nietzsche); L. Klages sah im G. schließlich ein lebensfeindl. Prinzip, das der Seele entgegentritt. In neuerer Zeit wird der Begriff G. wenig gebraucht, unter dem Einfluss des Neopositivismus sogar vermieden. (Idealismus, Materialismus, Spiritualismus)
▣ Literatur:
Ryle, G.: Der Begriff des G. A. d. Engl. Neuausg. Stuttgart 1992.
⃟ Weier, W.: Das Phänomen G. Auseinandersetzung mit Psychoanalyse, Logistik, Verhaltensforschung. Darmstadt 1995.
⃟ Posner, M. I. u. Raichle, M. E.: Bilder des G. Hirnforscher auf den Spuren des Denkens. A. d. Engl. Heidelberg u. a. 1996.
⃟ Sprockhoff, H. von: Bewußtsein, G. u. Seele. Zur Evolution des menschl. G. Frankfurt am Main u. a. 1996.
Geist,1) allg.: Sinn, Bedeutung, Gehalt; auch Scharfsinn, Witz, Esprit; die Gesinnung einer Person oder Gruppe.
2) Philosophie: allg. das dem Bewusstsein, dem Fühlen, Wollen und Denken zugrunde liegende Prinzip und dessen Organisationsformen. - Sein Verhältnis zu anderen Seinsarten wie Materie und Körper unterlag vielfältigen Deutungen, die sich zwischen den Extrempositionen des Idealismus und Materialismus bewegten. Ersterem ist allein der G. wirklich, die Materie lediglich abgeleitete Erscheinungsform; Letzterem ist die Materie das Reale, der G. bloßer Schein (radikaler Materialismus, Behaviorismus). Verschiedenste Dualismen liegen zwischen diesen Extremen: Bereits in der »Odyssee« (10, 239 ff.) begegnen neben den materiell gedachten Seelenteilen Verstand und Einsicht (Nus), die Selbstbewusstsein einschließen (Odyssee 10, 239 ff.). Nus und Körper stehen in - nicht mechanist. - Wechselwirkung. Während Anaximenes und Heraklit sich den G. noch materiell vorstellen - luft- bzw. feuerartig -, nimmt er bei Anaxagoras als Denk- und Willensmacht, Ursprung der Bewegung des Alls und Unendliches deutlich nichtmaterielle Form an. Auf diesem G.-Begriff bauen Platon und Aristoteles auf. Für Aristoteles ist Gott reiner G., leidens- und zeitlos, sich selbst denkend; als menschl. G. Inbegriff des diskursiven Denkens und Urteilens, Verstand, als Schauen der Grundsätze die Vernunft.
Mit Descartes gewinnt das G.-Materie-Verhältnis eine neue Form. Dem G. als denkender Substanz setzt er die Materie als wesentlich ausgedehnte Körper entgegen. So bleibt der G. den Naturprozessen gegenüber grundsätzlich äußerlich; die Natur wird geist- und seelenlos.An Platon und Aristoteles knüpft der dt. Idealismus an. Nach G. W. F. Hegel ist der G. das wahrhaft Wirkliche, das sich in der Natur eine äußere Gestalt gibt, als subjektiver G. das menschl. Denk- und Reflexionsvermögen darstellt, als objektiver G. den Inbegriff aller Bedeutungsgehalte in Sprache, Wiss., Staat und Gesellschaft bildet und im absoluten G. als Kunst, Religion und Philosophie zum Begreifen seiner selbst kommt.
In anderen philosoph. Systemen wird der G. metaphysisch abgewertet (A. Schopenhauer, F. Nietzsche); L. Klages sah im G. schließlich ein lebensfeindl. Prinzip, das der Seele entgegentritt. In neuerer Zeit wird der Begriff G. wenig gebraucht, unter dem Einfluss des Neopositivismus sogar vermieden. (Idealismus, Materialismus, Spiritualismus)
▣ Literatur:
Ryle, G.: Der Begriff des G. A. d. Engl. Neuausg. Stuttgart 1992.
⃟ Weier, W.: Das Phänomen G. Auseinandersetzung mit Psychoanalyse, Logistik, Verhaltensforschung. Darmstadt 1995.
⃟ Posner, M. I. u. Raichle, M. E.: Bilder des G. Hirnforscher auf den Spuren des Denkens. A. d. Engl. Heidelberg u. a. 1996.
⃟ Sprockhoff, H. von: Bewußtsein, G. u. Seele. Zur Evolution des menschl. G. Frankfurt am Main u. a. 1996.