Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Gaulle
Gaulle[go:l], Charles de, frz. General und Politiker, * Lille 22. 11. 1890, ✝ Colombey-les-deux-Églises 9. 11. 1970; nahm am Ersten Weltkrieg teil. 1921 wurde er Dozent für Militärgeschichte in Saint-Cyr. In seinen militärtheoret. Werken, u. a. in seiner Schrift »Vers l'armée de métier« (1934), fordert er die Mechanisierung der frz. Armee, bes. den Einsatz operativ selbstständiger Panzerverbände. 1937 erhielt er den Rang eines Oberst.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zeichnete sich de G. im Mai 1940 als Kommandeur einer Panzerdivision aus. Anschließend zum Brigadegeneral ernannt, wurde er im Juni 1940 Unterstaatssekretär für nat. Verteidigung. Angesichts der militär. Niederlage seines Landes rief er von London aus in einer Rundfunkrede am 18. 6. 1940 die Franzosen auf, den Krieg von den Kolonien aus fortzusetzen. Er lehnte den von der Reg. Pétain Ende Juni 1940 mit Dtl. abgeschlossenen Waffenstillstand ab und organisierte an der Spitze des Freien Frankreich den Widerstand gegen Dtl. (Résistance). Seit 1943 an der Spitze des Frz. Komitees für Nat. Befreiung, bildete er dieses am 15. 5. 1944 zur Provisor. Reg. um. Im Verband der Alliierten nahm de G. mit frz. Truppen an der Befreiung Frankreichs teil. Im Nov. 1945 wurde er von der verfassunggebenden Nationalversammlung zum MinPräs. und provisor. Staatsoberhaupt gewählt. Mit dem polit. Wiederaufbau seines Landes verband er eine Säuberung des öffentl. Lebens von Repräsentanten und Anhängern des Vichy-Regimes. Auf außenpolit. Gebiet strebte er die Gleichberechtigung Frankreichs mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs an. Im Januar 1946 trat de G. als MinPräs. zurück, da seiner Forderung nach einem mit großen Machtkompetenzen ausgestatteten Präsidentenamt nicht entsprochen wurde. Auch der Versuch, mithilfe einer Partei eine polit. Plattform zu schaffen, war nicht erfolgreich (Gaullismus). 1953 zog er sich deshalb aus dem öffentl. Leben zurück.Nach dem Zusammenbruch der Vierten Rep. in der Staatskrise vom Mai 1958 wurde de G. von der Nationalversammlung zum MinPräs. und Verteidigungsmin. gewählt. Er erhielt Sondervollmachten und setzte eine Verf.änderung durch, die dem Staatspräs. eine starke Stellung gab. Am 21. 12. 1958 wurde de G. zum Staatspräs. der Fünften Republik gewählt. Zur Durchsetzung und Legitimation seiner Politik setzte er in der Folgezeit oft das Mittel des Plebiszites an. Unter seiner Präsidentschaft entließ Frankreich zw. 1958 und 1960 seine afrikan. Kolonien in die Unabhängigkeit. Gegen den Widerstand großer Teile der Generalität und vieler Algerienfranzosen beendete de G. den Algerienkrieg und stimmte der Unabhängigkeit Algeriens zu (1962). Sein außenpolit. Ziel war die uneingeschränkte Unabhängigkeit Frankreichs (Aufbau der frz. Atomstreitmacht »Force de frappe« und Lösung seines Landes aus der militär. Integration der NATO). Im Ost-West-Konflikt stellte de G. den Führungsanspruch der USA im westl. Bündnissystem infrage und suchte unter diesem Aspekt den Beziehungen Frankreichs zur UdSSR und zur VR China eine eigenständige Richtung zu geben. In der Europapolitik strebte er ein »Europa der Vaterländer« ohne Verzicht auf nat. Souveränität an. Die Unterzeichnung des Dt.-Frz. Vertrages 1963 vollendete die in der Zeit der Vierten Rep. eingeleitete frz.-dt. Aussöhnung. Trotz seines hohen Ansehens in der Bevölkerung geriet de G. unter innenpolit. Druck. Nach den Maiunruhen von 1968 suchte er durch eine Hochschul- und Betriebsverfassungsreform der innenpolit. Kritik entgegenzuwirken. Als er bei einer Abstimmung über eine Verf.- und Verwaltungsreform eine Niederlage erlitt, trat er am 28. 4. 1969 als Staatspräs. zurück. - »Memoiren«, 3 Bde. (1954-59); »Memoiren der Hoffnung«, 2 Bde. (1970-71).
Literatur:
Kapferer, R.: C. de G. Umrisse einer polit. Biographie. Stuttgart 1985.
De G., Dtl. u. Europa, hg. v. W. Loth u. R. Picht. Opladen 1991.
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