Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
französische Sprache
französische Sprache,eine der romanischen Sprachen; entwickelte sich aus dem Vulgärlatein nördlich der Loire. Sie wird von rd. 100 Mio. (davon rd. 56 Mio. in Frankreich) gesprochen; in Europa (außer in Frankreich) v. a. in Belgien (bes. Wallonien), in der frz. Schweiz, in Luxemburg, Monaco; außerhalb Europas in Kanada und in den ehem. frz. Kolonialgebieten. In der Entwicklung der f. S. werden drei Perioden unterschieden: Altfranzösisch (9.-14. Jh.), Mittelfranzösisch (14.-16. Jh.) und Neufranzösisch (seit dem 16. Jh.).
Altfranzösisch und Mittelfranzösisch: Die nördlich der Loire gesprochene Variante des Lateins unterschied sich von derjenigen südlich dieser Linie durch den stärkeren Einfluss kelt. Substratsprachen. Seit der Entstehung german. Reiche auf gall. Boden wurde die sprachl. Differenzierung zw. dem N und dem S noch gefördert. Die fränk. Sprache wirkte nördlich der Zone zw. Loire, Somme und Maas auf das Galloromanische ein, was sich v. a. im Wortschatz und im phonolog. System auswirkte. Im Fränk. Reich existierten »lingua theotisca« (dt. Sprache) und »lingua rustica romana« (galloroman. Sprache) rd. 3 Jh. nebeneinander. Bereits im 7./8. Jh. waren der N und der S des heutigen Frankreich linguistisch deutlich unterschieden; im N entstand die »langue d'oïl«, die Ausgangsbasis des heutigen Französisch, im S die »langue d'oc«, die okzitan. oder provenzalische Sprache (»oïl« und »oc« sind die jeweiligen Formen der Bejahungspartikel). Zw. N und S bildete sich eine sprachl. Übergangszone, das Frankoprovenzalische, heraus. Die ersten schriftsprachl. Zeugnisse in altfrz. Sprache sind die altfrz. Eidesformeln in den »Straßburger Eiden« (842) und die »Eulaliasequenz« (881). Eine allgemein verbindl. Schriftsprache gab es in der altfrz. Periode noch nicht; es bestanden versch., z. T. auch literarisch bedeutsame Dialekte, darunter das Normannische (mit der in England gesprochenen Variante des Anglonormannischen), das Champagnische, das Pikardische, das Burgundische, Lothringische und Wallonische sowie das Franzische, die Mundart der Île-de-France.
Neufranzösisch: Im 16. Jh. setzte mit Bestrebungen zur Normierung der f. S. in Grammatik, Wortschatz, Phonetik und Orthographie die theoret. Auseinandersetzung mit ihr ein. In der Orthographie behauptete sich die etymologisierende (an der i. d. R. lat. Wortherkunft orientierte) Richtung gegenüber der phonetischen (einer der Aussprache entsprechenden Schreibung). Die f. S. der Gegenwart besitzt 16 Vokale, darunter 4 Nasalvokale und die gerundeten vorderen Vokale [y], [ø] und [œ]. Bes. im gesprochenen Französisch ist ein Rückgang (und Schwund) der vokal. Oppositionen (z. B. [œ̃] und [ɛ̃]) zu beobachten. Die Reduktion des lautl. Inventars im Lauf der sprachgeschichtl. Entwicklung hatte den Verlust des Zweikasussystems und die kompensator. Verwendung des Artikels (auch aufgrund der phonetisch meist ident. Singular- und Pluralformen), in der Verbalflexion (wo die Unterscheidung durch die Suffixe phonetisch nur noch z. T. realisiert wird) die Markierung der Verbformen durch das Personalpronomen zur Folge. Die Betonung liegt auf der letzten Silbe eines Wortes oder einer Sprecheinheit. Die f. S. hat zwei Genera (Maskulinum und Femininum), zwei Modi (Indikativ und Konjunktiv, »Subjonctif«) und drei Zeitstufen (Präsens, Imperfekt und Futur); das Tempussystem weist differenzierte Formen zur Bez. abgeschlossener und nicht abgeschlossener Handlungen auf. In der Syntax setzt sich umgangssprachlich (auch im Fragesatz) die regelmäßige Folge Subjekt - Prädikat - Objekt durch.
Literatur:
Wolf, H. J.: Frz. Sprachgeschichte. Heidelberg u. a. 21991.
Geckeler, H. u. Dietrich, W.: Einführung in die frz. Sprachwissenschaft. Berlin 1995.
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