Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Futurismus
Futurịsmus[zu lat. futurum »Zukunft«] der, Anfang des 20. Jh. in Italien aufgekommene, nach Russland ausgreifende revolutionierende, v. a. künstler., aber auch polit. Bewegung mit starken Einflüssen auf Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus.
Literatur: Nach dem 1909 im »Figaro« veröffentlichten Gründungsmanifest des zunächst italien. literar. F. von F. T. Marinetti folgte eine Flut von Manifesten, auch zur Politik (deutlich faschistisch Marinettis »F. und Faschismus«, 1924). Der F. will das moderne Leben, die Welt der Technik als »Bewegung«, als »Dynamik« spiegeln, als »allgegenwärtige Geschwindigkeit, die die Kategorien Raum und Zeit aufhebt«. Eine derartige Lit. musste sich ihre eigene Sprache, Syntax und Grammatik erst einmal schaffen (»Techn. Manifest der futurist. Lit.«, 1912). In den sprachl. und formalen Neuerungen liegt daher die Bedeutung des italien. F. Auch die russ. Futuristen (1910-20) betonten das Recht des Dichters auf Revolutionierung des poet. Stoffes, des Wortschatzes und der Syntax (D. Burliuk, W. Chlebnikow, A. J. Krutschonych, W. W. Majakowski).
Malerei, Plastik, Architektur: Mit Marinetti gaben u. a. U. Boccioni, C. Carrà, L. Russolo und G. Balla 1910 das »Manifest der futurist. Malerei« heraus, gefolgt vom »Techn. Manifest der futurist. Malerei«. Bewegung und Energie wurden im italien. F. durch den »Komplementarismus«, das ständige Sichdurchdringen und Ergänzen der Formen und Farben (da Licht und Bewegung die Stofflichkeit der Körper zerstören), wiedergegeben, seit 1912 als simultane Darstellung von Bewegungsimpulsen. Boccioni forderte 1912 auch für die Plastik dynam. Simultaneität, A. Sant'Elia eine futurist. Architektur. Auf dem 1920 in Moskau von N. Gabo und A. Pevsner veröffentlichten »Techn. Manifest« basierend, strebte der russ. F. in der bildenden Kunst auf konstruktivist. Basis eine absolute Gestaltung ohne Wiedergabe individueller Empfindungen an. Mechan. Bewegungsimpulse und elektr. Licht wurden in dreidimensionale Objekte mit einbezogen.
▣ Literatur:
Calvesi, M.: Der F. Kunst u. Leben. A. d. Italien. Köln 1987.
⃟ Demetz, P.: Worte in Freiheit. Der italien. F. u. die dt. literar. Avantgarde (1912-1934). Mit einer ausführl. Dokumentation. München 1990.
⃟ White, J. J.: Literary futurism. Aspects of the first avant garde. Oxford 1990.
⃟ Schmidt-Bergmann, H.: ... F. Geschichte, Ästhetik, Dokumente. Reinbek 1993.
Futurịsmus[zu lat. futurum »Zukunft«] der, Anfang des 20. Jh. in Italien aufgekommene, nach Russland ausgreifende revolutionierende, v. a. künstler., aber auch polit. Bewegung mit starken Einflüssen auf Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus.
Literatur: Nach dem 1909 im »Figaro« veröffentlichten Gründungsmanifest des zunächst italien. literar. F. von F. T. Marinetti folgte eine Flut von Manifesten, auch zur Politik (deutlich faschistisch Marinettis »F. und Faschismus«, 1924). Der F. will das moderne Leben, die Welt der Technik als »Bewegung«, als »Dynamik« spiegeln, als »allgegenwärtige Geschwindigkeit, die die Kategorien Raum und Zeit aufhebt«. Eine derartige Lit. musste sich ihre eigene Sprache, Syntax und Grammatik erst einmal schaffen (»Techn. Manifest der futurist. Lit.«, 1912). In den sprachl. und formalen Neuerungen liegt daher die Bedeutung des italien. F. Auch die russ. Futuristen (1910-20) betonten das Recht des Dichters auf Revolutionierung des poet. Stoffes, des Wortschatzes und der Syntax (D. Burliuk, W. Chlebnikow, A. J. Krutschonych, W. W. Majakowski).
Malerei, Plastik, Architektur: Mit Marinetti gaben u. a. U. Boccioni, C. Carrà, L. Russolo und G. Balla 1910 das »Manifest der futurist. Malerei« heraus, gefolgt vom »Techn. Manifest der futurist. Malerei«. Bewegung und Energie wurden im italien. F. durch den »Komplementarismus«, das ständige Sichdurchdringen und Ergänzen der Formen und Farben (da Licht und Bewegung die Stofflichkeit der Körper zerstören), wiedergegeben, seit 1912 als simultane Darstellung von Bewegungsimpulsen. Boccioni forderte 1912 auch für die Plastik dynam. Simultaneität, A. Sant'Elia eine futurist. Architektur. Auf dem 1920 in Moskau von N. Gabo und A. Pevsner veröffentlichten »Techn. Manifest« basierend, strebte der russ. F. in der bildenden Kunst auf konstruktivist. Basis eine absolute Gestaltung ohne Wiedergabe individueller Empfindungen an. Mechan. Bewegungsimpulse und elektr. Licht wurden in dreidimensionale Objekte mit einbezogen.
▣ Literatur:
Calvesi, M.: Der F. Kunst u. Leben. A. d. Italien. Köln 1987.
⃟ Demetz, P.: Worte in Freiheit. Der italien. F. u. die dt. literar. Avantgarde (1912-1934). Mit einer ausführl. Dokumentation. München 1990.
⃟ White, J. J.: Literary futurism. Aspects of the first avant garde. Oxford 1990.
⃟ Schmidt-Bergmann, H.: ... F. Geschichte, Ästhetik, Dokumente. Reinbek 1993.