Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Fränkisches Reich
Frạ̈nkisches Reich(Frankenreich, lat. Regnum Francorum), die bedeutendste german. Reichsbildung des frühen Mittelalters.Die salischen Franken siedelten seit dem 4. Jh. im südl. Belgien. Im 5. Jh. begründete die Dynastie der Merowinger eine Herrschaft mit dem Mittelpunkt Tournai. Der Sohn Childerichs, Chlodwig I., beseitigte 486 die Reste der Römerherrschaft in Gallien und seine fränk. Mitkönige (nach 508), zw. 483 und 507 eroberte er Teile des Alemannenlandes und des Westgotenreichs. Der Mittelpunkt des nun geschaffenen fränk. Einheitsreiches verlagerte sich nach N-Frankreich. Der Übertritt Chlodwigs zum christl.-kath. Glauben (wohl 496) schuf die Voraussetzung für die Integration der roman. Völker und die Grundlage für die Stellung der Kirche im MA. Bei Chlodwigs Tod (511) wurde das Reich unter seine vier Söhne aufgeteilt. Die Hauptorte waren Paris, Soissons, Orléans und Metz. 531 wurde Thüringen, 532-54 Burgund erobert, die alemann. Restgebiete und Bayern gerieten in polit. Abhängigkeit. Gegensätze zw. Königtum und Aristokratie und zw. Austrasien und Neustrien lockerten den Verband des Reichs. Nach dem Tod Dagoberts I. (639) verfiel die Macht der Merowingerkönige. Die polit. Macht übten Hausmeier aus.687 gewann der Hausmeier von Austrasien, der Karolinger Pippin der Mittlere, die Alleinherrschaft im F. R. Sein Enkel, Pippin III., setzte die Dynastie der Merowinger ab und machte sich 751 zum König der Franken, wobei die kirchl. Salbung das fehlende Geblütsrecht ersetzte. 754 übernahm er den Schutz des Papstes (Patricius Romanorum) und seines Besitzes (Pippinsche Schenkung). Durch die Eingliederung der Stammesherzogtümer der Thüringer (um 700), Alemannen (730), Aquitanier (768) und Baiern (788) wurde die bedrohte Reichseinheit wiederhergestellt. Friesland wurde unterworfen, das Vordringen der Araber durch den Sieg Karl Martells bei Poitiers (732) aufgehalten. Die größte Ausdehnung erhielt das F. R. unter Karl d. Gr., der das Langobardenreich (774), die Sachsen (772-804), das Awarenreich (796) unterwarf und 795 südlich der Pyrenäen die Span. Mark begründete. Mit der Kaiserkrönung (800) erhielt Karl die Hoheit über Rom und den Kirchenstaat, die 812 auch von Byzanz anerkannt wurde.Der Verfall des F. R. trat bald nach Karls d. Gr. Tod ein (Straßburger Eide, 842). Im Vertrag von Verdun (843) wurde es unter die drei Söhne Ludwigs des Frommen aufgeteilt; der nördl. Teil des mittleren Gebietes kam in den Verträgen von Meerssen (870) und Ribemont (880) als Lotharingien an den östl. Reichsteil. Karl III. (885-87) vereinigte die Teilreiche noch einmal, dann vollzog sich die endgültige Trennung in das Westfränk. Reich (Frankreich, Geschichte), das Ostfränk. Reich (deutsche Geschichte), Burgund und Italien. In der Zeit der Auflösung war das F. R. starken Angriffen durch die Normannen und Sarazenen ausgesetzt. Die ostfränk. Karolinger starben 911, die westfränk. 987 aus.Verfassung: Im F. R. wurden die institutionellen Grundlagen fast aller mittelalterl. Staaten Europas geschaffen. Mit dem Erstarken des Königtums wurden Grafen als königl. Beamte eingesetzt, damit war - durch die Verbindung von Vasallentum und Vergabe von Landbesitz - das mittelalterl. Lehnswesen begründet. Jedoch bildeten die Freien noch den größten Teil des Volkes. Die Stellung des Königtums erwuchs aus dem german. Heerkönigtum, wurde aber durch die Übernahme röm. Einrichtungen wesentlich verändert und gestärkt. Die Mittelpunkte des F. R. bildeten die Pfalzen, von denen in karoling. Zeit Aachen, Ingelheim und Nimwegen die wichtigsten waren.Wirtschaft: Sie war bäuerlich bestimmt, ihre Grundlage bildeten die Grundherrschaften mit der Fronhofverfassung. Im städtisch geprägten W und S hielten sich als antikes Erbe Fernhandel und Münzwesen. Im 8. und 9. Jh. entwickelte sich vom Rheingebiet aus ein Handel nach England und Skandinavien. Das Münzwesen wurde durch Pippin III. und Karl d. Gr. neu geordnet. Der Ansatz zur Bildung von Handelsplätzen (Wik) wurde durch die Normanneneinfälle gehemmt.Kultur: Das hoch stehende Kunstgewerbe (merowingische Kunst) vereinte spätantike, german. und östl. Einflüsse. Die Amts- und Schriftsprache war das Latein, in dem z. B. auch die weit über die fränk. Zeit hinaus vorherrschende Lex Salica (germanische Volksrechte) abgefasst ist. Irisch-schott. Mönche verbreiteten das Christentum (Columban), später angelsächs. Missionare (Bonifatius). Karl d. Gr. knüpfte erneut an antikes Bildungsgut an (karoling. Renaissance), förderte in den Klosterschulen (Fulda) Wiss. und Künste. In der Baukunst (Aachen) ist byzantin. Einfluss unverkennbar (karolingische Kunst).Weltgeschichtliche Bedeutung: Durch die merowing. Reichsgründung verlagerte sich der polit. Schwerpunkt aus dem Mittelmeergebiet nach dem Norden. Hier wurden die Reste antiker Kultur erhalten und mit germanisch-christl. Vorstellungen zur abendländ. Kultur des MA. verschmolzen. Die polit. Einrichtungen des F. R. wurden gemeinsame Grundlage fast des ganzen abendländ. Europa.
Literatur:
Schneider, R: Das Frankenreich. München 31995.
Geary, P. J.: Die Merowinger. Europa vor Karl dem Großen. A. d. Engl. München 1996.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Fränkisches Reich