Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Friedensbewegung
Friedensbewegung,Sammelbez. für eine Vielfalt von Organisationen und Initiativen, deren Mitgl. aus eth., religiösen, ideolog. oder polit. Gründen für die Abrüstung und ein friedl. Zusammenleben der Völker eintreten und auf die Gefahren der militär. Nutzung der Kernkraft aufmerksam machen. Mit öffentl. Aktionen sollen die Regierungen zu polit. Handeln veranlasst werden. Die geistigen Wurzeln der F. reichen bis ins MA. zurück (die Idee des ewigen Friedens). Getragen von christl. Gedankengut und den humanitären Ideen der Aufklärung entwickelten die »histor. Friedenskirchen«, die Mennoniten, die Quäker und die Church of Brethren eine Haltung unbedingter Friedensbereitschaft und Ablehnung des Kriegsdienstes. Zu Beginn des 19. Jh. gründeten die Quäker in Amerika und Großbritannien Peace societies (Friedensgesellschaften). Mit ihrer programmat. Schrift »Die Waffen nieder« (1889) begründete Bertha von Suttner die bürgerlich-liberale Bewegung des Pazifismus. Mit der Organisation von Friedensgesellschaften (z. B. »Dt. Friedensgesellschaft«), die 1891 in einem Internat. Friedensbüro zusammengeschlossen wurden (Sitz: Genf), und der Veranstaltung von Kongressen entwickelte der Pazifismus starke Aktivitäten. Im Vorfeld des Ersten Weltkrieges bemühte sich der frz. Sozialist Jean Jaurès um die Beilegung der Spannungen in Europa. Vertreter der dt. F. waren - bes. unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges - u. a. T. Lessing, C. v. Ossietzky und K. Tucholsky; enge Verbindung gab es zw. der F. und der Frauenbewegung sowohl ihres bürgerl. als auch ihres sozialist. Flügels (Helene Stöcker, Anita Augspurg; Clara Zetkin, Rosa Luxemburg).
Nach 1945 gewann die F. starken Auftrieb durch die Bedrohung durch Atomwaffen, auch bestärkt durch die Folgen der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki. Vor diesem Hintergrund entstand in Großbritannien die Ostermarschbewegung. Anfang der 1980er-Jahre bildete sich in zahlr. westl. Staaten eine neue, auf breiter Basis mit der Umwelt- und Frauenbewegung sowie alternativen Bewegungen verbundene F., die gegen die Realisierung des NATO-Doppelbeschlusses (1979) protestierte und darüber hinaus eine allgemeine Abrüstung forderte.
Die seit Mitte der 1980er-Jahre in der DDR vielfach unter dem Leitwort »Schwerter zu Pflugscharen« wirkenden Gruppen waren staatl. Repressionen ausgesetzt; sie waren Bestandteil der Oppositionsbewegung, die den späteren gesellschaftl. und polit. Umbruch (1989/90) einleitete. Neue Wirkungsfelder (z. B. zivile Konfliktbewältigung) entstanden infolge der Umwälzungen in der Weltpolitik (1989/91), bes. in Mittel- und O-Europa.
Literatur:
Riesenberger, D.: Gesch. der F. in Dtl. Von den Anfängen bis 1933. Göttingen 1985.
Kriege beenden - Gewalt verhüten - Frieden gestalten. Zur Neupositionierung der F., hg. v. B. Schindler-Saefkow u. P. Strutynski. Kassel 1996.
... Ultima ratio?! Die F. im Streit um Militäreinsätze, hg. v. Pax Christi, Dt. Sekretariat. Redaktion: R. Ascheberg u. a. Idstein 1996.
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