Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Frauenarbeit
Frauenarbeit,i. e. S. die gegen Entgelt geleistete Arbeit der Frauen, i. d. R. als (außerhäusl.) Erwerbstätigkeit, i. w. S. auch die von Frauen (unentgeltlich) erbrachten häusl. und pfleger. Tätigkeiten für die Familie oder in der eheähnl. Lebensgemeinschaft (Hausarbeit).Bis zur Industrialisierung bestand F. überwiegend aus landwirtsch. Arbeit sowie der Eigenproduktion grundlegender Güter wie Nahrung, Kleidung u. a. (Subsistenzwirtschaft). Mit der Industrialisierung verbreitete sich die Heimarbeit (Hausindustrie) sowie die Manufaktur- oder Verlagsarbeit und in deren Gefolge die Fabrikarbeit. In den Hausindustrien waren die Frauen zu billigster Akkordarbeit gezwungen, und in der Industrie (v. a. in der Textilindustrie, auch in Bergbau und Hüttenwesen) entstand ein (verglichen mit Männern noch schlechter bezahltes) Frauenproletariat. Im letzten Drittel des 19. Jh. waren Frauen häufig als Dienstbotinnen, Kontoristinnen, Verkäuferinnen sowie im Postwesen eingesetzt.Der Wert der von Frauen geleisteten Arbeit im Haushalt, in der Kindererziehung und in der Pflege und Betreuung von Kranken und Alten wird für die Industrieländer auf 25-40 % des Bruttosozialprodukts geschätzt. Weltweit nehmen Frauen rd. ein Drittel aller bezahlten Arbeitsplätze ein. Während die Frauenerwerbstätigkeit in den afrikan. Entwicklungsländern, Teilen von Südamerika und Südostasien sowie in arabischen u. a. islam. Staaten bes. gering ist, ist sie in den Industriestaaten sowie in den ehemals sozialist. Ländern und China stark ausgeprägt. In den letzten Jahrzehnten sind in den meisten Ländern immer mehr Frauen erwerbstätig geworden. In Dtl. z. B. stieg die Zahl der erwerbstätigen Frauen von (1951) 4,5 Mio. auf (1997) 15,3 Mio. (42,7 % der Erwerbspersonen). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass durch eine gleichzeitige Zunahme der (weit überwiegend von Frauen geleisteten) Teilzeitarbeit das Arbeitsvolumen nicht im gleichen Maße gestiegen ist wie die Zahl der Arbeitsplätze. Folgende Faktoren bestimmen das Ausmaß der bezahlten F. wesentlich: Familienstand, Kinderzahl, Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten, die Notwendigkeit, das eigene bzw. das Familieneinkommen zu erhöhen, das Streben nach wirtsch. Unabhängigkeit, das Bedürfnis nach einer von der Familie losgelösten berufl. Betätigung sowie der Anspruch, den erlernten Beruf (nach einer »Familienpause« wieder) ausüben zu können.
Obwohl die Einkommensdifferenzen zw. Männern und Frauen verringert wurden, sind diese nach Angaben der Internat. Arbeitsorganisation (ILO) noch immer hoch. Die geringeren Verdienste für F. beruhen neben direkter Lohndiskriminierung auf dem Umstand, dass Frauen tariflich niedriger eingestuft sind, weniger Überstunden bei insgesamt kürzeren Wochenarbeitszeiten leisten, weniger Tarifzuschläge erhalten und kürzere Betriebszugehörigkeiten als Männer aufweisen. Außerdem steigen Frauen seltener in leitende Positionen auf als Männer. Infolge einer ungünstigeren Qualifikationsstruktur von Frauen (Konzentration auf ein kleine Zahl von »Frauenberufen«) und geringerem Interesse von Arbeitgebern an der Einstellung von Frauen sind sie von Arbeitslosigkeit stärker betroffen als Männer.Rechtl. Regelungen: Unterschieden werden Gesetze, die spezielle Arbeitsschutzvorschriften für Frauen enthalten, Gesetze, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern, und solche, die (auch) der berufl. Gleichstellung dienen. Mit dem Arbeitszeitrechts-Ges. von 1994 wurden die bisherigen Beschäftigungsverbote und -einschränkungen (insbesondere das Nachtarbeitsverbot) für Frauen und die Hausarbeitstagsregelung aufgehoben. Das Beschäftigungsverbot für Frauen im Bergbau wurde beibehalten. Der speziellen Situation erwerbstätiger Frauen tragen Rechnung u. a. das Mutterschutz-Ges. (Mutterschutz) und das Bundeserziehungsgeld-Ges. (Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub). Mit dem Zweiten Gleichberechtigungs-Ges. von 1994 wurde die geschlechtsspezif. Stellenausschreibung verboten und mit dem Beschäftigtenschutz-Ges. der Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz geregelt. 1994 wurde der Gleichberechtigungsartikel (Art. 3 Abs. 2 GG) konkretisiert durch die Ergänzung: »Der Staat fördert die tatsächl. Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.« Der gesetzl. Anspruch eines Kindes vom vollendeten 3. Lebensjahr an auf einen Kindergartenplatz soll v. a. die F. von Müttern erleichtern. Viele der genannten Regelungen wurden durch das Recht der EG bzw. die Rechtsprechung des Europ. Gerichthofes ausgelöst.In Österreich enthalten das Frauennachtarbeits-Ges. und das Gleichbehandlungs-Ges. einschlägige Bestimmungen. Ferner erfolgte 1990 eine Angleichung des Rechts an die Normen der EG. In der Schweiz konkretisiert das Gleichstellungs-Ges. von 1995 den seit 1981 geltenden Verfassungsanspruch von Mann und Frau auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit und verbietet mittelbare und unmittelbare Benachteiligung von Frauen im Beruf.
Literatur:
K. Hausen. Frauenerwerbsarbeit. Forschungen zu Geschichte u. Gegenwart, hg. v. München u. a. 1993.
Schmidt, Manfred G.: Erwerbsbeteiligung von Frauen u. Männern im Industrieländervergleich. Opladen 1993.
Stiegler, B.: In Zukunft wieder Reservearmee? Frauen u. demograph. Wandel. Bonn 1993.
Arbeitsmarkt für Frauen 2000. Ein Schritt vor oder ein Schritt zurück?, hg. v. P. Beckmann u. G. Engelbrech. Nürnberg 1994.
Assig, D. u. Beck, A.: Frauen revolutionieren die Arbeitswelt. Das Handbuch zur Chancengerechtigkeit. München 1996.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Frauenarbeit