Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Fotografie
Fotografie, Bez. für alle Verfahren, ein durch Licht (sichtbarer, aber auch nicht sichtbarer Spektralbereich, z. B. Infrarot, Ultraviolett) erzeugtes reelles Bild auf lichtempfindl. Schichten (Platte, Film, Papier) mithilfe opt. Systeme (fotografische Apparate) festzuhalten. I. w. S. wird die Bez. auch für andere bildgebende Verfahren verwendet, z. B. für solche, bei denen ein elektrostat. Ladungsbild erzeugt (Elektro-F.) oder ein Magnetspeicher beeinflusst wird (Videographie).
Als fotograf. Materialien werden hauptsächlich die Silberhalogenide verwendet, da sie eine hohe Lichtempfindlichkeit und einen großen Verstärkungseffekt bei der Entwicklung aufweisen. Beim Silberhalogenidverfahren wird die auf einem Träger befindl. lichtempfindl. Schicht, die aus einer festen Suspension von feinsten Silberhalogenidkörnern in einem Schutzkolloid (Gelatine) besteht, (in einer Kamera) belichtet, wobei das Bild des Aufnahmegegenstands in der Schicht optisch abgebildet wird. Die einfallenden Lichtquanten spalten aus den Halogenidionen Elektronen ab, die Silberionen zu Silberatomen reduzieren können. Wenn eine bestimmte Mindestanzahl von benachbarten Silberatomen erreicht ist, spricht man von einem Entwicklungskeim, an dem der Entwickler angreifen und den ganzen Kristall zu metall., schwarzem Silber reduzieren kann (Überführung des unsichtbaren, »latenten« Bildes in ein sichtbares Bild). Man erhält eine negative Abbildung, das Negativ, das an den Stellen intensivster Belichtung die größte Schwärzung aufweist. Durch Herauslösen des unentwickelten (unbelichteten) Silberhalogenids (Fixieren) wird die Abbildung lichtunempfindlich und dauerhaft gemacht. Kopiert man das Negativ auf eine andere lichtempfindl. Schicht, erhält man eine positive Abbildung (Negativ-Positiv-Verfahren). Das im Positiv sichtbare Korn ist die Abbildung der Lücken zw. den Kornanhäufungen des Negativs.
Schwarzweißfotografie: Das Silberhalogenidverfahren, bei dem Schwarz-, Weiß- und Grautöne entstehen, liegt der Schwarzweiß-F. zugrunde. Je nach Art des Trägers für die lichtempfindl. Schicht unterscheidet man fotograf. Platten, Filme und Papiere. Glasplattenträger sind (bis auf spezielle Anwendungen) vom Film (Cellulosetriacetat, Polyethylenterephthalat) verdrängt worden. Platten und Filme weisen (sich in fotograf. Bädern lösende) Lichthofschutzschichten auf; Fotopapiere werden in versch. Härtegraden (entsprechend den Kontrastverhältnissen des Negativs), Untergrundanfärbungen (weiß, elfenbein, chamois) und Oberflächen (glänzend, d. h. hochglanzfest, oder durch Stärkezusatz matt) geliefert. Aufnahmematerialien werden nach ihrer Empfindlichkeit und Körnigkeit eingeteilt in: niedrig empfindl., extrem feinkörnige, steil arbeitende sog. Dokumentenfilme (ISO 12/12º), niedrig empfindl., feinkörnige Filme normaler Gradation (ISO 25/15º bis ISO 50/18º), mittelempfindl. Filme (ISO 50/18º bis ISO 100/21º), hoch empfindl., sog. Highspeedfilme (ISO 200/24º bis ISO 400/27º), extrem hoch empfindl., relativ grobkörnige Filme mit flacher Gradation (ISO 800/30º und mehr).
Farbfotografie: Sammelbegriff für fotograf. Verfahren zur Herstellung von Abbildungen in (meist) natürl. Farben. Auch die Farb-F. arbeitet mit Silberhalogenidschichten. Die Farben entstehen als Nebenprodukte bei der Reduktion des Silberhalogenids durch die Entwicklersubstanzen, das Silberbild wird ausgebleicht. Einen bestimmten Farbeindruck kann man auf versch. Weise erzeugen: Das additive Farbverfahren beruht auf der Mischung der drei Grundfarben Blau, Grün und Rot in versch. Mengenverhältnissen. Grünes und rotes Licht addieren sich zu Gelb; Blau und Rot ergeben Purpur, Blau und Grün Blaugrün. Das subtraktive Verfahren beruht auf der Ausfilterung von Licht bestimmter Wellenlänge aus weißem Licht. Ein gelbes Filter z. B. absorbiert das blaue Licht einer weißen Lichtquelle und lässt Grün und Rot durch, die zus. Gelb ergeben. Die früher praktisch angewandten farbfotograf. Verfahren beruhten auf dem additiven Prinzip. Heute werden wegen der besseren Lichtausbeute subtraktive Verfahren bevorzugt. Hierfür verwendet man ein mehrschichtiges Material mit blauempfindl. Oberschicht, einer Gelbfilterschicht, grünempfindl. Mittelschicht und rotempfindl. Unterschicht (Agfacolor® 1936, Kodacolor® 1942). Bei den Verfahren mit Farbstoffaufbau enthalten die Schichten jeweils diffusionsfest eingelagerte Farbkuppler (auch Farbbildner, Farbkomponenten), die bei der Entwicklung mit einem Farbentwickler (p-Phenylendiaminderivate als Entwicklersubstanzen) einen Bildfarbstoff ergeben (chromogene Entwicklung). So wird z. B. in der rotempfindl. Schicht der komplementäre Blaugrünfarbstoff erzeugt. Man kann die Farbkuppler auch drei getrennten Farbentwicklungsbädern zugeben (Kodachrome-Umkehrverfahren®). Bei den Farbumkehrverfahren, die Diapositive ergeben, wird durch eine Schwarzweißerstentwicklung ein negatives Silberbild erzeugt. Nach Zweitbelichtung oder Verschleierung des restl. Silberhalogenids erfolgt die Zweitentwicklung mit einem Farbentwickler, sodass ein positives Farbbild resultiert. Beim Silberfarbbleichverfahren, einem Verfahren mit Farbstoffabbau, werden den Silberhalogenid-Emulsionsschichten lichtechte Azofarbstoffe zugefügt. Nach einer Schwarzweißentwicklung werden die Farbstoffe in einem Farbbleichbad selektiv an den Stellen mit Bildsilber zerstört (Cibachrome®). Der Dye-Transfer-Prozess ist ein von Kodak entwickeltes Kopierverfahren, nach dem von einem Negativ oder Diapositiv beliebig viele und lichtfeste Farbbilder hergestellt werden können.
Recht: Eine fotograf. Aufnahme ist ohne Rücksicht auf den Gegenstand der Aufnahme für den Fotografen rechtlich geschützt. Handelt es sich um Lichtbilder, die kein Merkmal einer individuellen Gestaltung aufweisen, genießen sie Leistungsschutz (Schutzfrist: 50 Jahre), sonst Urheberrechtsschutz (so genannte Lichtbildwerke, Schutzfrist: 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers). Fotografien einer Person sind als Bildnis geschützt.
Geschichte: Bei frühen Abbildungsversuchen mit lichtempfindl. Silbersalzen (z. B. J. H. Schulze 1727, J. N. Niepce 1816) gelang es noch nicht, beständige Bilder zu erhalten. 1822 stellte Niepce unter Verwendung einer lichtempfindl. Asphaltschicht nach Auswaschen der unbelichteten Teile eine Kontaktkopie eines Kupferstiches her. 1826 gelang nach diesem Verfahren die erste befriedigende Kameraaufnahme. In der Folgezeit diente das Asphaltmuster als Ätzgrund für Kupfer- und Zinkplatten, von denen nach Einfärbung gedruckt wurde (Heliographie). 1835 entdeckte L. J. M. Daguerre, dass durch Jodbehandlung lichtempfindlich gemachte, versilberte Kupferplatten mit Quecksilberdampf entwickelt werden können. Die Fixierung mit Natriumchloridlösung gelang 1837; dieses Verfahren (Daguerreotypie) wurde 1839 in Paris bekannt gegeben. Die Herstellung einer Vielzahl von Positivkopien von einem Negativ gelang W. H. F. Talbot ab 1839: Ein in der Kamera auf Silberjodidpapier erzeugtes latentes Bild wurde mit Gallussäure und Silbernitrat entwickelt und mit Natriumthiosulfat fixiert. Das Papiernegativ wurde dann auf Silberchlorid- oder -bromidpapier kopiert (Calotypie, auch Talbotypie; 1841 patentiert). F. S. Archer stellte 1851 in London das »nasse Kollodiumverfahren« (Jodsilber-Kollodium-Verfahren) vor: Mit bromid- oder jodidhaltigem Kollodium (Cellulosenitratlösung) beschichtete Glasplatten wurden in Silbernitratlösung gebadet, noch nass belichtet und entwickelt. Dieses Verfahren wurde ab 1878 durch die Silberbromid-Gelatine-Trockenplatten abgelöst (1871 Erfindung von R. L. Maddox). Erst die Entdeckung der spektralen Sensibilisierung (1873) durch H. W. Vogel ermöglichte eine »farbrichtige« Wiedergabe in der Schwarzweiß-F. sowie die Farbfotografie.
Künstlerische Fotografie: Spezielles Anwendungsgebiet der F., in dem das fotograf. Bild Ergebnis eines ästhetisch-schöpfer. Prozesses ist und neben seinem dokumentar. Gehalt subjektbezogene Aussagen über das Sujet enthält. In der 2. Hälfte des 19. Jh. wurde die künstler. F. an den Gestaltungs- und Formprinzipien der klass. bildenden Künste gemessen. Erst in den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jh. erschlossen v. a. Fotografen, die sich an der Neuen Sachlichkeit orientierten, die der F. gemäßen Ausdrucksmittel für die künstler. Gestaltung. In der zeitgenöss. Kunst gewinnt die F. als eigenständiges Ausdrucksmittel immer größere Bedeutung. Wichtige Anwendungsbereiche der künstler. F. sind Porträt-, Landschafts-, Architektur-, Live-, Reportage- und Werbefotografie.
Literatur:
Solf, K. D.: F. Grundlagen - Technik - Praxis. Neuausg. Frankfurt am Main 14.-15. Tsd. 1991.
Freier, F.: DuMont's Lexikon der F. Technik - Gesch. - Fotografen - Kunst. Köln 1992.
Koschatzky, W.: Die Kunst der Photographie. Technik, Gesch., Meisterwerke. Köln 1994.
Die neue Enzyklopädie der F., bearb. v. H. Henninges u. a. Augsburg 1994.
Krauss, R. H.: Photographie als Medium. 10 Thesen zur konventionellen u. konzeptionellen Photographie. Ostfildern 21995.
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