Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Fortschritt
Fortschritt,die Aufeinanderfolge von Formen oder Zuständen in dem Sinn, dass die zeitlich späteren zugleich die wertmäßig höheren sind. Die Grundlage des F. wird einerseits in einer philosophisch (kosmologisch, metaphysisch, religiös) begründeten Gesetzmäßigkeit der Wirklichkeit, in mehr weltanschaul. Sicht auch oft in einer den Dingen selbst zugeschriebenen Tendenz gesehen (F.-Glaube). Andererseits wird der F. vor allem als durch menschl. Aktivität bewirkt verstanden, was ihn eigtl. vom Gedanken der Entwicklung unterscheidet. Letzterer wirkt in der Anschauung, dass schon die früheren Formen immanent die späteren enthalten (z. B. in der Geschichtsphilosophie des dt. Idealismus, bes. G. W. F. Hegels). Die marxsche Geschichtsanschauung dagegen sucht in ihrem F.-Begriff objektive Gesetzmäßigkeit der Gesellschaftsentwicklung mit der den F. bewirkenden menschl. Aktivität zu verbinden. - In der europ. Neuzeit wurde die Idee des F. zu einer vorherrschenden Leitidee der Geschichtsanschauung. Die Aufklärung setzte anstelle der christl. Geschichtstheologie die Lehre, dass die dem Menschen angeborene Vernunft die anfangs überlegenen Gegenkräfte der Barbarei, des Aberglaubens und der Gewalt schrittweise überwinden und schließlich zur vernunftgemäßen Gestaltung aller Verhältnisse führen werde. Die Denker des beginnenden industriellen Zeitalters (C. H. de Saint-Simon, A. Comte, H. Spencer u. a.) gaben der Idee des F. einen neuen Inhalt: Statt Aufklärung der Menschen und Veredlung der Sitten wurde nun der wissenschaftlich-techn. F. und die durch ihn ermöglichte Naturbeherrschung zum zentralen Thema: Die fortschreitende Humanisierung der Gesellschaft wurde als mit dem F. zwangsläufig verbunden gedacht. Das gegenwärtige Geschichtsbewusstsein betont eher die Gefährdung der Umwelt durch den techn. F. Für einen F. der Sittlichkeit, der Religion, der Kunst gibt es keinen verbindl. Wertmaßstab. (Lebensqualität)
▣ Literatur:
Fetscher, I.: Überlebensbedingungen der Menschheit. Ist der F. noch zu retten? Berlin 1991.
⃟ F. u. Gesellschaft, hg. v. E.-L. Winnacker. Stuttgart 1993.
⃟ F. wohin? Wissenschaft in der Verantwortung, Politik in der Herausforderung, hg. v. H.-J. Fischbeck u. R. Kollek. Münster 1994.
⃟ Ethik u. wissenschaftl. F., hg. v. P. Mittelstaedt. Bonn 1995.
Fortschritt,die Aufeinanderfolge von Formen oder Zuständen in dem Sinn, dass die zeitlich späteren zugleich die wertmäßig höheren sind. Die Grundlage des F. wird einerseits in einer philosophisch (kosmologisch, metaphysisch, religiös) begründeten Gesetzmäßigkeit der Wirklichkeit, in mehr weltanschaul. Sicht auch oft in einer den Dingen selbst zugeschriebenen Tendenz gesehen (F.-Glaube). Andererseits wird der F. vor allem als durch menschl. Aktivität bewirkt verstanden, was ihn eigtl. vom Gedanken der Entwicklung unterscheidet. Letzterer wirkt in der Anschauung, dass schon die früheren Formen immanent die späteren enthalten (z. B. in der Geschichtsphilosophie des dt. Idealismus, bes. G. W. F. Hegels). Die marxsche Geschichtsanschauung dagegen sucht in ihrem F.-Begriff objektive Gesetzmäßigkeit der Gesellschaftsentwicklung mit der den F. bewirkenden menschl. Aktivität zu verbinden. - In der europ. Neuzeit wurde die Idee des F. zu einer vorherrschenden Leitidee der Geschichtsanschauung. Die Aufklärung setzte anstelle der christl. Geschichtstheologie die Lehre, dass die dem Menschen angeborene Vernunft die anfangs überlegenen Gegenkräfte der Barbarei, des Aberglaubens und der Gewalt schrittweise überwinden und schließlich zur vernunftgemäßen Gestaltung aller Verhältnisse führen werde. Die Denker des beginnenden industriellen Zeitalters (C. H. de Saint-Simon, A. Comte, H. Spencer u. a.) gaben der Idee des F. einen neuen Inhalt: Statt Aufklärung der Menschen und Veredlung der Sitten wurde nun der wissenschaftlich-techn. F. und die durch ihn ermöglichte Naturbeherrschung zum zentralen Thema: Die fortschreitende Humanisierung der Gesellschaft wurde als mit dem F. zwangsläufig verbunden gedacht. Das gegenwärtige Geschichtsbewusstsein betont eher die Gefährdung der Umwelt durch den techn. F. Für einen F. der Sittlichkeit, der Religion, der Kunst gibt es keinen verbindl. Wertmaßstab. (Lebensqualität)
▣ Literatur:
Fetscher, I.: Überlebensbedingungen der Menschheit. Ist der F. noch zu retten? Berlin 1991.
⃟ F. u. Gesellschaft, hg. v. E.-L. Winnacker. Stuttgart 1993.
⃟ F. wohin? Wissenschaft in der Verantwortung, Politik in der Herausforderung, hg. v. H.-J. Fischbeck u. R. Kollek. Münster 1994.
⃟ Ethik u. wissenschaftl. F., hg. v. P. Mittelstaedt. Bonn 1995.