Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Flugzeug
Flugzeug,ein Luftfahrzeug, schwerer als Luft, das durch den aerodynam. Auftrieb fester oder umlaufender Flügel oder durch die Reaktionskräfte von Strahlantrieben getragen wird (Flug).Auftriebserzeugung: Zur Auftriebserzeugung werden die Vertikalkomponenten der bei einer Relativbewegung zw. umgebender Luft und umströmten Körpern entstehenden, senkrecht zur Bewegungsrichtung wirkenden Querkräfte genutzt, die bei F. v. a. an den bes. geformten Tragflügeln auftreten oder bei den Drehflüglern von den rotierenden Flügelblättern (Rotoren) erzeugt werden. Beim Starrflügel-F. sind die Tragflügel fest mit dem F. verbunden, weshalb Auftrieb nur bei Bewegung des gesamten F. erzeugt werden kann. Beim Drehflügel-F. ist die Bewegung der Auftrieb bewirkenden Flügelblätter unabhängig von der Bewegung des F., was den Schwebeflug ermöglicht, der auch mit strahlgetragenen F. erreichbar ist (Hubstrahler).Vortriebserzeugung: Gleit- und Segel-F. sind antriebslos, bei ihnen überwindet die in Flugrichtung weisende Komponente der Gewichtskraft den Widerstand. Beim angetriebenen F. werden dafür entweder durch Flugmotoren angetriebene Luftschrauben oder von Strahltriebwerken bewirkte Reaktionskräfte austretender Gasströme genutzt. F. mit Vortriebserzeugung durch Luftschrauben heißen nach Art der Antriebsmaschine (Kolben-)Motor-F. oder Propellerturbinen-F. (Turboprop-F.); bei Vortriebserzeugung durch Strahlantrieb spricht man von Strahl- oder Düsen-F. oder von Raketen-Flugzeugen.Start- und Landetechnik: Flachstart-F. benötigen eine horizontale Beschleunigungs- und Verzögerungsstrecke, die bei Kurzstartflugzeugen von sehr geringer Erstreckung sein kann; Senkrechtstart-F. können ohne horizontale Bewegung senkrecht aufsteigen und landen. Land-F. starten und landen auf Bodenflächen, Wasser-F. und Flugboote auf Wasserflächen, Amphibien-F. können sowohl Land- als auch Wasserflächen benutzen.Baugruppen: Ein F. besteht aus einzelnen Bauteilen, die zu Baugruppen und Hauptbaugruppen zusammengefasst werden können. Nach der Anordnung der einzelnen Baugruppen zueinander unterscheidet man Bauarten, nach der Materialwahl sowie nach Art des Aufbaus von Bauteilen und Baugruppen werden Bauweisen unterschieden. Hauptbaugruppen sind das Flugwerk, die Triebwerksanlage und die Ausrüstung. Zum Flugwerk gehören die Baugruppen Tragwerk, Rumpfwerk, Leitwerk (die zus. die Zelle bilden) sowie Steuerwerk und Fahrwerk.Das Tragwerk umfasst alle zur Erzeugung und Aufnahme der tragenden Luftkräfte erforderl. Bauteile: die Tragflügel einschl. aller Anschluss- und Versteifungsglieder (Abstrebungen, Verspannungen), die Querruder, alle Hochauftriebsmittel, Störklappen, Grenzschichtzäune und am Flügel angebrachte Bremsklappen. Nach der Art der Tragflügel unterscheidet man Geradflügel- und Ringflügel-F., nach deren Anzahl Eindecker und Mehrdecker (z. B. Doppeldecker) und nach der Lage der Flügel zum Rumpf Tiefdecker, Mitteldecker, Schulterdecker und Hochdecker. Das Tandemflügel-F. besitzt zwei hintereinander liegende Flügel, während F. ohne Rumpf und Leitwerk Nurflügel-F. genannt werden.
Der Rumpf nimmt Besatzung, Fluggäste, Nutzlast, Ausrüstung und häufig auch Triebwerke sowie Betriebsstoffe auf und verbindet das Tragwerk mit dem Leitwerk sowie mit dem Fahr- oder Schwimmwerk. Er wird bei Verkehrs-F. meist als Druckkabine ausgebildet und enthält bei Fracht-F. große Ladepforten an Bug oder Heck.Das Leitwerk dient der Stabilisierung und Steuerung. Es besteht aus starr mit dem Rumpf oder besonderen Leitwerksträgern verbundenen Flächen (Flossen oder Dämpfungsflächen) sowie den bewegl. Rudern, an denen im ausgeschlagenen Zustand am fliegenden F. Luftkräfte wirksam werden, die Drehmomente um die Hauptachsen ausüben und entsprechende Drehbewegungen hervorrufen. Bei der Normalbauart sind Höhen- und Seitenleitwerk hinter dem Tragflügel angeordnet, beim Enten-F. liegt das Höhenleitwerk vor dem Tragflügel. Beim Nurflügel-F. befinden sich auch die Höhenruder an der Hinterkante der Tragflügel.
Das Steuerwerk dient zur Betätigung der Ruder durch Übertragung der vom Flugzeugführer an den Steuerorganen (Steuerknüppel oder -säule für Höhen- und Querruder und Pedale für Seitenruder) aufgebrachten Steuerbewegungen oder durch Übertragung elektr. Impulse (Fly-by-Wire). Die Steuerkräfte werden entweder direkt durch Seilzüge, Stoßstangen oder Drehwellen auf die Ruder übertragen (Handkraftsteuerung), oder die Ruder werden (bei großen F. oder bei hohen Fluggeschwindigkeiten) durch mechanisch oder elektrisch aktivierte Stellmotoren verstellt. Auch die Betätigungsvorrichtungen für Hochauftriebsmittel, Störklappen, Bremsklappen und Trimmklappen gehören zum Steuerwerk. (Direktkraftsteuerung)Das Fahrwerk besteht aus den aus Streben, Federbeinen und Radträgern gebildeten Fahrgestellen, den Laufrädern, den Radbremsen sowie ggf. einem Sporn. Das Zweirad- oder Spornfahrwerk (nur noch bei Leicht-F.) besitzt zwei Radsätze kurz vor dem Schwerpunkt und einen Sporn zur Abstützung des Rumpfhecks. Beim heute überwiegenden Dreirad- oder Bugradfahrwerk befinden sich zwei Radeinheiten kurz hinter dem Schwerpunkt und ein lenkbarer Radsatz unter dem Rumpfbug. Das Fahrwerk kann entweder starr am Trag- oder Rumpfwerk angeschlossen sein, oder es wird zur Minderung des Luftwiderstands im Fluge in Flügel bzw. Rumpf eingezogen (Einziehfahrwerk). Das Schwimmwerk von Wasser-F. besteht aus zwei durch Streben angeschlossenen Einzelschwimmern oder einem Zentralschwimmer mit seitl. Stützschwimmern.Die Triebwerksanlage liefert die Vortriebskraft durch Beschleunigung eines durch sie hindurch geströmten Luftstromes. Luftschrauben (Propeller) erteilen einer großen Luftmenge eine kleinere Zusatzgeschwindigkeit, Strahltriebwerke einer kleineren Luftmenge eine größere Zusatzgeschwindigkeit. Strahltriebwerke sind zur Überwindung des im Schallgrenz- und Überschallbereich sehr hohen Luftwiderstandes besser geeignet als Propellertriebwerke und ermöglichen damit höhere Fluggeschwindigkeiten. Luftschrauben werden durch Kolbenmotoren oder Gasturbinentriebwerke angetrieben; als Strahlantrieb kommen Luft atmende Triebwerke (Turbinenluftstrahl- oder Staustrahltriebwerke) und für Spezialzwecke Raketentriebwerke zur Anwendung. Nach Anzahl der Triebwerke unterscheidet man ein- oder mehrmotorige bzw. ein- oder mehrstrahlige F. Propellertriebwerke werden meist in der Rumpfspitze oder an den Tragflügelvorderkanten (seltener im Heck oder an den Tragflügelhinterkanten) eingebaut; Strahltriebwerke befinden sich in den Tragflügeln oder in Gondeln unter oder über dem Flügel, im Rumpf oder in Gondeln am Rumpf (meist seitlich am Heck). Zur Triebwerksanlage gehören weiterhin die Triebwerkaufhängung, Kühlanlagen, Lufteinlauf- und Schubumkehranlagen sowie die Betriebsstoffbehälter.Die Ausrüstung umfasst Energieversorgungsanlagen (elektr., hydraul., pneumat.), Überwachungsgeräte (Flug-, F.- und Triebwerküberwachungsgeräte), Regelungsgeräte, Nachrichten- und Navigationsgeräte, Druckhaltungs- und Klimaanlagen, Sicherheitsanlagen und Rettungsgeräte sowie auf den jeweiligen Verwendungszweck ausgerichtete Sonderausrüstungen.Bauweisen: Nach den verwendeten Werkstoffen unterscheidet man Holzbauweise, Gemischtbauweise (Holz, Stahl, Leichtmetalle), Ganzmetallbauweise (Aluminiumlegierungen, Titan, Stahl) und Verbundwerkstoff- oder Kunststoffbauweise (Glas-, Kohlenstoff- oder Borfasern in Kunstharz- oder Leichtmetallbindung). Nach Art der Kräfteaufnahme in den tragenden Bauteilen unterscheidet man Gerüst- oder Fachwerkbauweise sowie Schalenbauweise, bei der die durch viele Längs- und Querprofile versteifte Außenhaut weitgehend zur Kraftaufnahme herangezogen wird. Nach der Herstellungsart der Schalenbauteile unterscheidet man die Differenzialbauweise (Schale aus einzelnen durch Nietung oder Verschraubung verbundenen Bauteilen), die integrierende Bauweise (durch Metallkleben oder Schweißen verbundene einzelne Bauteile) und die Integralbauweise (Außenhaut mit den Versteifungen aus einem Stück durch Fräsen, Strangpressen oder chem. Abtragung hergestellt). Bei der Doppelschalen- oder Sandwichbauweise werden sehr steife Schalen verwendet, die aus zwei außen liegenden festen Deckschichten (Bleche oder Verbundwerkstoffe) und einer damit verklebten dazwischen liegenden Stützschicht geringer Festigkeit bestehen.
Geschichte: Luftfahrt.
Literatur:
S. Harris. Enzyklopädie der F.e. Technik, Modelle, Daten, bearb. v. A. d. Engl. Neuausg. Augsburg 1994.
Fluggesellschaften u. Linienflugzeuge. Koblenz 21994.
Käsmann, F. C. W.:Die schnellsten Jets der Welt. Weltrekord-F.e. Planegg 1994.
Wölfer, J.: Von der Junkers F 13 zum Airbus. 75 Jahre deutsche Verkehrsflugzeuge. Berlin u. a. 1994.
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