Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Film
Film[engl. »Häutchen«],
1) allg.: dünne Schicht, die oft eine Oberflächenschicht auf andersartigem Material bildet, z. B. Lack-, Ölfilm.
2) Fototechnik: lichtempfindl., biegsames Aufzeichnungsmaterial für fotografische bzw. kinematograph. Bilder; besteht aus einem durchsichtigen Schichtträger (Acetylcellulose), der schwer entflammbar ist (Sicherheits-F., Safety-F.) und als Unterlage für die lichtempfindl. Schicht (Emulsion) bzw. mehrere Schichten dient. Die Farbwiedergabe erfolgt beim Negativ-F. als Farb-F. komplementärfarbig, als Schwarzweiß-F. in umgekehrten Grauwerten (Schwarz als Weiß usw.); beim Umkehr-F. als Farb-F. in den natürl. Farben, als Schwarzweiß-F. in entsprechenden Grauwerten. Durch das Kopieren der Negativ-F. auf Positivmaterial (Papier oder Positiv-F.) erhält man im Positiv die dem Motiv entsprechenden Farben bzw. Grauwerte. Nach der Konfektionierung werden F. unterschieden in Roll-F. (auf eine Spule gewickelter F. mit Papierunterlage, meist in den Formaten 6×9 cm, 6×6 cm, 4,5×6 cm, zur Verwendung in Rollfilmkameras), Plan-F. (zum Einlegen in Kassetten bestimmte einzelne F.-Blätter zur Verwendung in Plattenkameras) und den mit dem Kinenormal-F. ident. Kleinbild-F. (in Tageslichtpatronen, Einlegepackungen und als Meterware zur Verwendung in Kleinbildkameras); Kleinbild-F. haben eine Lichtsignierung, die auf den F.-Rand kopiert und nach der Entwicklung sichtbar wird und die den Hersteller, die F.-Art, die Bildnummer u. a. angibt. Für spezielle Einsatzgebiete wurden entsprechende F. geschaffen, wie Dokumenten-F., Mikrat-F. und Mikro-F. zur Aufnahme von Schriftstücken, Zeichnungen usw. Kunstlicht-F. als Farb-F. ist ausschließlich bei Beleuchtung mit Fotoleuchten zu verwenden, als Schwarzweiß-F. eignet er sich wegen der hohen Rotlichtempfindlichkeit vorzugsweise für Kunstlichtaufnahmen. Die wichtigsten Eigenschaften der F. sind: a) Allgemeinempfindlichkeit; b) die Farbempfindlichkeit, die durch die Sensibilisatoren beeinflusst wird; Schwarzweiß-F. sind in der Hauptsache orthochromatisch (nicht für Rot empfindlich) und orthopanchromatisch bzw. panchromatisch (für alle Farben empfindlich, Letztere v. a. für Kunstlicht geeignet) sensibilisiert; c) die Schwärzungskurve; d) die Körnigkeit, die mit steigender Empfindlichkeit i. Allg. zunimmt und bes. bei Kleinbild-F. wegen der notwendigen Vergrößerungen möglichst gering gehalten sein soll (Feinkorn-F.); e) das Auflösungsvermögen, das i. Allg. mit zunehmender Empfindlichkeit abnimmt und in Linien je mm angegeben wird (bei mittelempfindl. Schwarzweiß-F. etwa 100 Linien/mm); f) Lichthoffreiheit, d. h., dass eine Überstrahlung der Lichter durch den entstehenden Lichthof möglichst unterdrückt wird.Aufnahme- und Kopiermaterial: Zur kinematograph. Aufzeichnung von Bildern bewegten Inhalts und Schallereignissen werden F. unterschiedl. Breite eingesetzt: Schmal-F. in den Breiten von 32 mm (2×16 mm, mit je ein- oder doppelseitiger Perforation, nur für Kopierverfahren), 16 mm (mit ein- oder doppelseitiger Perforation), 8-mm- oder Doppel-8-mm-F. (mit einseitiger Perforation) sowie Super-8-mm-F., auch Single-8-mm-F. gen. (mit einseitiger Perforation, verringerter Perforationslochgröße und vergrößertem Perforationslochabstand), Kinenormal-F. in der Breite von 35 mm (mit doppelseitiger Perforation) und teilweise angewendete 70 mm breite F. (mit doppelseitiger Perforation).Aufnahme und Wiedergabe: Die Bildinformationen werden mit einer Bildaufnahmekamera (F.-Kamera), einem optisch-mechan. Gerät, als Phasenbilder eines Bewegungsvorgangs auf einem perforierten F.-Streifen auf fotograf. Weg aufgezeichnet. Der F.-Streifen wird dabei schrittweise mithilfe eines Greifers durch einen F.-Kanal mit einem Bildfenster bewegt und hier während der Stillstandzeiten belichtet. Während des F.-Transports wird der F. lichtdicht durch den Dunkelsektor eines Umlaufverschlusses abgedeckt. Die Belichtungszeit beträgt gewöhnlich 1/30 bis 1/50 s (allgemeine Bildfrequenz 24 Bilder je Sekunde). Sprache, Musik und Geräusche werden i. Allg. zunächst auf unperforiertem 35 mm breitem Magnet-F. aufgezeichnet, später (bei der Herstellung der Theater- oder Sendekopie) auf die kombinierte Bild-Ton-Kopie übertragen. Sie können dort in einer Magnetspur oder in mehreren Magnetspuren bzw. in einer Lichttonspur oder in einer kombinierten Licht- und Magnetspur (Magoptical-Kopie) gespeichert enthalten sein. Bei den Spiel-, Dokumentar- u. a. F. verwendet man den 35 mm breiten Film. Für die Produktion von Groß-F. wurde v. a. der 70 mm breite F. verwendet, ausschließlich als Farbfilm. Für wiss. F. wird sowohl der 35-mm-Normal-F. als auch der 16- und 8-mm-Schmal-F. angewendet. Der Super-8-mm-F. mit seiner um 44 % größeren Fläche eines Phasenbildes hat heute den 8-mm-F. der klass. Art und den 9,5-mm-F. verdrängt. Der Farb-F. hat den Schwarzweiß-F. weitgehend abgelöst.
Der F.-Projektor (Laufbildwerfer) dient der Wiedergabe der gespeicherten Phasenbilder und ähnelt in Aufbau (bis auf die zusätzlich vorhandene Projektionslichtquelle) und Arbeitsweise der Bildaufnahmekamera. Wichtigste Teile sind das Projektorlaufwerk, das Abbildungssystem, die Tonabtasteinrichtung und der Antriebsmotor mit konstanter Drehzahl (Asynchron- oder Synchronmotor).
3) Medientechnik: mit fotograf. oder elektron. Mitteln erzeugte Folge von Einzelbildern, die - schnell nacheinander auf eine Leinwand projiziert oder auf einem Bildschirm sichtbar gemacht - den Eindruck von Bewegung hervorruft; eine Gattung der Massenmedien.Filmgattungen: Der Begriff Spiel-F. bezeichnet eine F.-Gattung von unterschiedl. Länge, bei der das Geschehen vor der Kamera mit dem Ziel der Gestaltung einer vorher im Drehbuch festgelegten Handlung in Szene gesetzt wird, wobei Darsteller bestimmte Rollen spielen. Der Dokumentar-F. gibt im Unterschied zum Spiel-F. mit dokumentar. Material die Realität unmittelbar berichtend wieder; häufig wird er durch gesprochenen Text kommentiert. Ein Kurz-F. ist i. Allg. kürzer als eine Stunde. Die durch das Fernsehen verdrängte Wochenschau als period. aktuelle F.-Berichterstattung enthielt neben dokumentar. auch unterhaltende Beiträge. Arten des Trick-F. (Animations-F.) sind der Zeichen- und der Puppentrickfilm. Inhaltlich-thematisch untergliedert man v. a. die Spiel-F. u. a. in Abenteuer-, Ausstattungs-, Heimat-, Science-Fiction-, Fantasy-, Horror-, Kriminal-, Kriegs-, Liebes-, Märchen-, Musik- und Revue-, Sex- und Porno-F., Western (Italowestern); nach der Funktion z. B. in Unterhaltungs-, Werbe-, Wirtschafts-, wiss. F.; nach dem angestrebten Publikum in Frauen-, Kinder- und Jugend-F. Bis zur Erfindung des Tonfilmverfahrens und dessen prakt. Durchsetzung (erste Ton-F. 1926-29) wurden F. ohne Ton (Stumm-F.) bei der Vorführung meist von Klavier-, Orgel- oder Orchestermusik begleitet. In den 30er-Jahren kam zuerst in den USA, dann in Europa der Farb-F. auf.Herstellung: Die F.-Handlung wird zunächst meist in einem Exposé dargestellt, im Treatment sind Schauplätze und Charaktere umrissen. Das Rohdrehbuch enthält die für die F.-Aufnahme wesentl. Angaben; der Regisseur arbeitet mit den Autoren danach das Drehbuch aus. Die Produktionsfirma engagiert den Stab (für Kamera, Bauten und Ausstattung, Schnitt, Musik) und die Besetzung der Haupt- und Nebenrollen. Im Drehplan sind die nummerierten Kameraeinstellungen und die an den einzelnen Drehtagen aufzunehmenden Szenen enthalten. Die F.-Aufnahmen erfolgen im Freien oder im F.-Atelier (Studio). Mithilfe der F.-Montage (F.-Schnitt) werden die einzelnen Szenen nach künstler. Gesichtspunkten zusammengesetzt. Der zumeist vom Bild getrennt aufgenommene Ton (Dialog, Musik, Geräuschkulisse) ist im fertigen F. auf einem F.-Streifen mit dem Bild vereinigt.
In der kommerziellen F.-Produktion äußert sich vielfach die Ästhetik von Massenmedien. Im Ggs. dazu wird der Kunst-F. als selbstständiges künstler. Medium anerkannt. Die spezifisch film. Ausdrucksmöglichkeiten entdeckte der Stumm-F. : Mimik und Gestik als Ersatz für Wort und Dialog, Licht und Schatten als raum- und stimmungsschaffende Faktoren, Bildkomposition und -montage als Symbol der auch inneren Vorgänge, die Großaufnahme, Perspektive und Kamerabewegungen (»Fahrten« oder »Schwenks«) als Ausdrucksmittel zur Spannungs- und Bewegungssteigerung sowie zur Hinlenkung auf bestimmte Details. Die Erkenntnis des vorwiegend erzählenden (epischen) Charakters des F. setzte sich durch: Anders als im Schauspiel wird das Interesse des Zuschauers durch ständigen, raschen Szenenwechsel wach gehalten (Wechsel von Ort und Zeit).
Geschichte des Spielfilms Anfänge 1895-1929: 1895 gilt als Beginn der Kinematographie. Im Nov. 1895 zeigten die Brüder M. und E. Skladanowsky im Berliner »Wintergarten« mit dem »Bioscop« ein Programm kurzer F.; mit F.-Vorführungen im Pariser »Grand Café« ab Dez. 1895 begründeten die Brüder L. und A. Lumière den Dokumentar-F. ; als Urvater des Fiktion-F. gilt G. Méliès (»Die Reise zum Mond«, 1902). - Zw. 1899 und 1903 experimentierte in Großbritannien die »Schule von Brighton« mit Einstellungsformen, Kamerafahrten und Montage. Nach 1905 entwickelte sich die F.-Industrie. Das ep. Prinzip einer durchgehenden Erzählung prägte seit 1915 die Produktion der F.-Länder (Melodramen, sozialkrit. F., Komödien). - Das führende F.-Land der Anfangsjahre war Frankreich, das bes. mit Kriminal-F. (»Fantomas«-Serie von L. Feuillade, 1913 ff.) und F.-Burlesken (G. Durand, M. Linder) Weltgeltung gewann. - Bedeutung erlangte Italien mit monumentalen histor. Ausstattungs-F. wie »Die letzten Tage von Pompeji« (L. Maggi, 1908). Zur Generation nach 1920 gehörten A. Gance sowie J. Epstein. R. Clair drehte experimentelle Spiel-F., L. Buñuel (mit S. Dalí) den surrealist. F. »Der andalus. Hund« (1928). - In Dänemark arbeitete die Produktionsfirma Nordisk schon vor dem Ersten Weltkrieg. Mit »Afgrunden« (von U. Gad, 1911) wurde A. Nielsen zum Star des dän. Films. Bedeutendster dän. Regisseur war C. T. Dreyer (»La passion de Jeanne d'Arc«, 1928). - In Schweden drehte V. Sjöström myth. Landschafts-F. und Historien-F. (»Gösta Berling«, 1924). M. Stiller spezialisierte sich auf Gesellschaftskomödien und begründete (1924) die Karriere von G. Garbo. - Ab 1914 wurden die USA marktbeherrschend. E. S. Porter schuf mit »Der große Zugraub« (1903) das Urbild des Western. Pionier des amerikan. Stumm-F. war D. W. Griffith, der den amerikan. Geschichts-F. und das lyr. F.-Melodrama begründete. Von ihm wurden viele Regisseure beeinflusst: C. B. De Mille, E. von Stroheim, R. Flaherty, J. von Sternberg, F. Copra, H. Hawks, J. Ford, K. Vidor. 1912 entwickelte M. Sennett die spezifisch amerikan. Schule der Slapstick-Comedy. Dieser Schule entstammte auch C. Chaplin, andere Vertreter der Komikerschule waren B. Keaton, H. Lloyd sowie S. Laurel und O. Hardy (»Dick und Doof«). In den 20er-Jahren exponierte sich auch E. Lubitsch. 1926-28 begann die Umstellung auf das Tonfilmverfahren (ab 1929 auch in Europa). - Nach dem Krieg wurde Dtl. zum künstlerisch bed. F.-Land. 1917 veranlasste E. Ludendorff die Gründung des F.-Großkonzerns Universum-Film AG (Ufa). Die F. zeigten eine Vorliebe für irreale Sujets, u. a. »Das Kabinett des Dr. Caligari« (1920) von R. Wiene und »Dr. Mabuse, der Spieler« (1922) von F. Lang. Insgesamt übte der Expressionismus eine starke Anziehungskraft auf die Regisseure und Schauspieler aus. Zur Avantgarde des dt. F. der 20er-Jahre gehörte L. Reiniger mit Silhouettenfilmen. Die zumeist im kleinbürgerl. Milieu spielenden Kammerspiel-F. (»Die Hintertreppe« von L. Jessner, 1921) strebten die Psychologisierung der Figuren an. Eine Tendenzwende kündigte sich in den F. von F. W. Murnau an (z. B. »Nosferatu ...«, 1922). Dem Realismus waren F. von C. W. Pabst, von B. Wilder sowie von P. Jutzi verpflichtet. - Sowjetunion: Eine eigenständige F.-Produktion entwickelte sich schon in zarist. Zeit. 1919 wurde das F.-Wesen verstaatlicht. Zunächst wurden nur Agitations-F. und Wochenschauen produziert, u. a. die »Kinoprawdas« des Dokumentarfilmpioniers D. Wertow. S. M. Eisenstein drehte 1924 »Streik« und 1925 »Panzerkreuzer Potemkin«; die Entstehung seiner letzten Werke war z. T. mit polit. Schwierigkeiten verbunden. Bedeutende Exponenten des sowjet. Stumm-F. waren auch W. I. Pudowkin, A. P. Dowschenko (»Erde«, 1930) und G. Kosinzew, J. Trauberg.Die Zeit von 1930 bis 1945: Der Ton-F. beendete seit 1927 die Weiterentwicklung der stummen F.-Kunst. Das gesteigerte Bedürfnis der Bev. nach ablenkender Unterhaltung führte zur Massenproduktion von Musik-F. (»Broadway Melody«, 1929). - In den USA bewirkte die neue Ästhetik des Ton-F. tief greifende Veränderungen. Kennzeichnend war die Ausprägung fester Genres: Die Gangster-F. mit ihrem Pessimismus (M. LeRoy) waren der Versuch einer Antwort auf die Krisenhaftigkeit der sozialen Verhältnisse. E. Lubitsch (»Ninotschka«, 1939) und R. Mamoulian brillierten mit Komödien. J. Ford spezialisierte sich auf den Western. C. Chaplin setzte die Linie seiner gesellschaftskrit. Komik mit »Lichter der Großstadt« (1931), »Moderne Zeiten« (1936) und »Der große Diktator« (1940) fort. Mit »Jesse James« (H. King, 1939) und »Vom Winde verweht« (V. Fleming, 1939) setzte sich der Farb-F. durch. W. Disney begründete in den 30er-Jahren eine umfangreiche Produktion von Zeichentrickfilmen. Vertreter des Horror-F. war J. Whale mit »Frankenstein« (1931). Während der Kriegsjahre entstanden zahlr. Dokumentar-F. - Der »poet. Realismus« der 30er-Jahre in Frankreich verband impressionist. und naturalist. Strömungen mit romant. Ironie und Skepsis zu poesievollen Milieuschilderungen. R. Clair drehte »Unter den Dächern von Paris« (1930), M. Carné »Hafen im Nebel« (1938), J. Renoir ließ Literaturverfilmungen wirken. Unter Bedingungen der Illegalität während der dt. Besetzung drehte M. Carné (mit J. Prévert) 1943-45 den legendären F. »Kinder des Olymp«. - Auch in Dtl. führte die Entwicklung des Ton-F. zur Produktion zahlr. Musik-F., z. B. »Der blaue Engel« (J. von Sternberg, 1930). Bis 1933 konnten sich gesellschaftskrit. F. durchsetzen, u. a. von G. W. Pabst (»Die Dreigroschenoper«, 1931), P. Jutzi (»Berlin - Alexanderplatz«, 1931) und S. Dudow (»Kuhle Wampe«, 1932). - Nach 1933 lenkte Goebbels den dt. F. auf den Kurs angeblich unpolit. Unterhaltung, indirekt dienten jedoch die meisten F. der nat.-soz. Ideologie. Die Machtübernahme Hitlers hatte über 500 Regisseure und Schauspieler zur Emigration gezwungen: P. Czinner und Elisabeth Bergner, W. Dieterle, F. Kortner, F. Lang, M. Ophüls, O. Preminger, Detlev Sierck (Douglas Sirk), R. Wiene, B. Wilder, F. Zinnemann u. a. Die nat.-soz. Propaganda gipfelte in monumentalen Dokumentar-F. (»Triumph des Willens«, L. Riefenstahl, 1934) und tendenziös-dramat. Spiel-F. (»Hitlerjunge Quex«, H. Steinhoff, 1933). V. Harlan unterstützte den Antisemitismus (»Jud Süß«, 1940) und drehte den »Durchhaltefilm« »Kolberg« (1945). - In Großbritannien entwickelte sich in den 30er-Jahren die »Brit. Dokumentarfilmschule« v. a. mit L. Grierson. Vertreter des Kriegsdokumentar-F. war H. Jennings.Die Zeit von 1945 bis 1960: In Italien zeichnete sich gegen Kriegsende die neue Stilrichtung des »Neorealismus« ab, die von L. Viscontis Erstlings-F. »Von Liebe besessen« (1942) eingeleitet wurde, ihm folgten R. Rossellini und V. de Sica (»Fahrraddiebe«, 1948). Typisch für diese F. ist die sozialkrit. Darstellung menschl. Leidens und proletar. Elends. - Bed. F.-Autoren nach 1950 waren u. a. F. Fellini (»La Strada«, 1954; »La dolce vita«, 1959) und M. Antonioni (»Der Schrei«, 1957). C. Zavattini hat besonderen Anteil auch als Theoretiker und Drehbuchautor. - Der Nachkriegs-F. in Dtl., dessen F.-Industrie zunächst darniederlag, behandelte Schicksale im nat.-soz. Dtl. und in »Trümmer-F.« die dt. Ruinenlandschaft. Es entstanden weitere unverbindl. Unterhaltungs-Filme. An zeitkrit. Reflexionen versuchten sich H. Käutner (»In jenen Tagen«, 1947), W. Staudte, der zunächst für die DEFA arbeitete, H. Braun. Die F.-Kunst in der DDR war eng mit der DEFA verbunden, deren erste F. »Die Mörder sind unter uns« (1946, W. Staudte), »Ehe im Schatten« (1947, K. Maetzig), »Das kalte Herz« (1950, P. Verhoeven), »Der Untertan« (1951, W. Staudte) internat. Anerkennung fanden. Der F. in der Bundesrep. Dtl. wandte sich bis auf wenige Ausnahmen (»Des Teufels General«, 1955, von H. Käutner; »Wir Wunderkinder«, 1958, von K. Hoffmann; »Die Brücke«, 1959, von B. Wicki) der Unterhaltung zu. - Die durch Stalins Tod ausgelöste »Tauwetter«-Periode ermöglichte in O-Europa neue Ansätze realist. Gestaltung: »Wenn die Kraniche ziehen« (1959) von M. Kalatosow (UdSSR), »Asche und Diamant« (1959) von A. Wajda (Polen). - In Frankreich trat eine Vielzahl von Regisseuren mit F. versch. Stilrichtungen hervor: romantisch-surrealist. F. wie »Orphée« (1945, J. Cocteau) auf der einen Seite oder die Serie der »schwarzen F.« (H.-G. Clouzot). Einzelgänger waren der Komiker J. Tati und R. Bresson. Bed. Regisseure waren Y. Allégret, M. Carné, R. Clair. Die Ende der 50er-Jahre entstandene »Neue Welle« (»Nouvelle Vague«) strebte den unkonventionellen Autoren-F. an; wichtige Vertreter sind F. Truffaut, C. Chabrol, J.-L. Godard und E. Rohmer. - Um 1960 erregte in Großbritannien für kurze Zeit das »Free cinema«, u. a. um die Regisseure K. Reisz und T. Richardson, Aufsehen. Sie gingen jedoch bald zum kommerziellen F. über, der Ende der 50er-/Anfang der 60er-Jahre mit dem Horror-F. und dem Spionagethriller (»James-Bond«-Serie) große Erfolge hatte. L. Olivier verfilmte shakespearesche Werke. - Prägend für den F. in Schweden waren A. Sjöberg und I. Bergman (»Wilde Erdbeeren«, 1957). - Im amerikan. F. entstanden Parallelen zum Neorealismus (»Sunset Boulevard«, B. Wilder, 1950); das neue Medium Fernsehen führte zu einem stärker reportagehaften Stil, der sich u. a. den Problemen der »großen Masse« widmete (»Die Faust im Nacken«, S. Lumet, 1957). Daneben konsolidierte sich das »Showbusiness«; der Western (»High Noon«, F. Zinnemann, 1952) und das Musical (S. Donon, V. Minnelli) fanden neue Formen. In der Komödie spezialisierte sich J. Lewis auf die Kritik der Konsummentalität.Die Zeit nach 1960: In den USA drehte A. Hitchcock einige seiner besten F. (»Psycho«, 1960; »Die Vögel«, 1962). Von S. Kubrick kam 1968 der Science-Fiction-F. »2001 - Odyssee im Weltraum« heraus; J. Lewis, W. Allen und M. Brooks etablierten in den 60er- und 70er-Jahren eine Komödienschule. Nach 1960 formierte sich das »New American Cinema« als eine dem Hollywood-Kommerzialismus entgegengesetzte Richtung, die sich dem Dokumentar-F. und dem Experimental-F. verbunden fühlte. Ende der 60er-Jahre entstand die »New-Hollywood«-Bewegung, die größere gestalter. Freiheiten beanspruchte. Wichtige Regisseure des »New Cinema« sind D. Hopper (»Easy rider«, 1969), J. Cassavetes (»Schatten«, 1960), R. Polanski (»Rosemaries Baby«, 1968), A. Penn (»Bonnie und Clyde«, 1967), R. Altman (»Nashville«, 1975), F. F. Coppola (»Der Pate«, 1972; »Apocalypse now«, 1979), P. Bogdanovich (»Die letzte Vorstellung«, 1971), M. Scorsese (»Taxi Driver«, 1975), M. Forman (»Einer flog übers Kuckucksnest«, 1975; »Amadeus«, 1984), S. Pollack (»Tootsie«, 1982), W. Allen (»Der Stadtneurotiker«, 1977), S. Soderberg. Auch Schauspieler drehten F.: R. Redford, W. Beatty, B. Streisand, C. Eastwood, J. Foster. Science-Fiction-F. (S. Spielberg), Musik- und Tanz-F., Horror-F. und Thriller sowie die F. von J. Carpenter, B. de Palma zielen meist auf ein jugendl. Publikum. - Italien: Die wesentl. F. schufen neben L. Visconti (»Der Leopard«, 1962), F. Fellini (»812«, 1963; »Roma«, 1972), M. Antonioni, P. P. Pasolini (»Accatone«, 1961), B. Bertolucci (»1900«, 1974/75), F. Rosi, die Brüder P. und V. Taviani, E. Scola (»Le Bal«, 1983) und Lina Wertmüller. - Mit dem Italowestern sind die Namen S. Leone (»Spiel mir das Lied vom Tod«, 1968) und S. Corbucci verknüpft. - Frankreich: Abgesehen von R. Bresson und L. Buñuel (»Viridiana«, 1961) prägen die Regisseure der »Nouvelle Vague« bis heute den frz. F.: F. Truffaut (»Die letzte Metro«, 1980), C. Chabrol (»Dr. M.«, 1990), J.-L. Godard (»Außer Atem«, 1959), A. Resnais (»Hiroshima mon amour«, 1959), L. Malle (»Auf Wiedersehen Kinder«, 1987). Wesentlich sind auch: E. Rohmer, C. Lelouch, A. Mnouchkine, A. Varda. C. Costa-Gavras drehte Kriminal- und Politthriller. - F. von internat. Bedeutung drehten in Großbritannien u. a. J. Losey, S. Kubrick, K. Russell, R. Attenborough (»Gandhi«, 1982), J. Ivory, P. Greenaway. - Überragende Gestalt in Schweden ist weiterhin I. Bergman, von besonderer Bedeutung auch Mai Zetterling (»Amorosa«, 1986), daneben sind B. Widerberg, Bille August und Jan Troell getreten. - Bekanntester Regisseur Griechenlands ist T. Angelopoulos. - Regisseure aus Ländern, die bisher kaum mit F. hervorgetreten waren, so Kanada (C. Ballard, B. Carle, D. Cronenberg, M. Dugowson, C. Jutra, T. Kotcheff) und Australien (B. Beresford, D. Crombie, T. Haydon, F. Shepisi, P. Weir), folgen dramaturgisch weitgehend amerikan., brit. oder frz. Vorbildern; inhaltlich bemüht man sich v. a. um Darstellung nationaler Problematik. - In der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten wurden nach langer Zeit der Unterdrückung der F.-Kunst seit etwa 1986 F. von Weltrang wieder zugelassen; zahlr. F.-Macher werden rehabilitiert, die Zahl der in den letzten Jahrzehnten beschlagnahmten F., die heute die Archive verlassen, ist noch unüberschaubar. Als Exponenten des russ. F. sind v. a. A. Tarkowski (1984 Emigration: »Der Stalker«, 1979; »Nostalghia«, 1983; »Opfer«, 1985), E. Klimow (»Agonia - Rasputin«, 1981 veröffentlicht; »Abschied von Matjora«, 1983), T. Abuladse (»Reue«, 1984) sowie A. Askoldow (»Die Kommissarin«, 1987 freigegeben), S. Botrow (»Freiheit ist ein Paradies«, 1989), W. Pitschul (»Kleine Vera«, 1988) international bekannt geworden. - Bes. Aufschwung nahm in den 70er-Jahren der schweizer. F. durch A. Tanner, M. Soutter, C. Goretta und D. Schmid. - In Spanien haben v. a. C. Saura (»Carmen«, 1983), M. Camus und P. Almodovar internat. Ruf. - Bundesrep. Dtl.: Unter dem Motto »Papas Kino ist tot« präsentierte die Oberhausener Gruppe (1966, u. a. A. Kluge, »Abschied von gestern«; V. Schlöndorff, »Der junge Törless«; U. Schamoni, »Es«) den »Jungen dt. Film«. Internat. Anerkennung fanden außer V. Schlöndorff (»Die Blechtrommel«, 1978/1979), A. Kluge (»Die Macht der Gefühle«), 1983), R. W. Fassbinder, W. Herzog (»Nosferatu«, 1979; »Cobra Verde«, 1987), H. J. Syberberg, M. von Trotta, R. von Praunheim, H. Achternbusch, R. van Ackeren (»Die flambierte Frau«, 1983), W. Wenders (»Paris, Texas«, 1984; »Der Himmel über Berlin«, 1987), E. Reitz (»Heimat«, 1984), D. Dörrie (»Männer«, 1985), D. Graf (»Die Katze«, 1987), P. Adlon (»Out of Rosenheim«, 1987), M. Verhoeven (»Das schreckliche Mädchen«, 1990), H. Dietl (»Schtonk«, 1992). - In der DDR führten künstlerisch-polit. Konfrontationen Mitte der 60er-Jahre zum Verbot von 12 DEFA-Spiel-F. der Jahre 1965/66 (»Spur der Steine«, F. Beyer). Nach der polit. Zäsur 1971 entstanden auch F. mit dem Anspruch auf Verwirklichung individueller Lebensansprüche (»Paul und Paula«, 1973, H. Carow). Zunehmende künstler. und polit. Restriktionen hatten den Weggang vieler Schauspieler, Regisseure und Autoren zur Folge. Trotzdem entstanden F., z. T. nach literar. Vorlagen, sowie Kinder- und Jugend-F., die auf große Resonanz stießen (»Sieben Sommersprossen«, 1978, H. Zschoche; »Levins Mühle«, 1980, H. Seemann). F. der 80er-Jahre widerspiegeln die krit. Suche nach bewusster Reflexion gesellschaftl. Realität (»Solo Sunny«, 1979, K. Wolf). Wichtige Beiträge leistete der Dokumentar-F. - In Polen vollzog sich bis zur Demokratisierung eine ähnl. Entwicklung. R. Polanski arbeitete seit dem F. »Das Messer im Wasser« (1962) im Ausland. Internat. sehr beachtet sind die Arbeiten von A. Wajda (»Der Mann aus Eisen«, 1981; »Dantons Tod«, 1983; »Die Dämonen«, 1987), K. Zanussi (»Illumination«, 1973; »Blaubart«, 1984), K. Kieslowski und Agnieszka Holland. - In Ungarn stehen neben Z. Fábri (»Zwanzig Stunden«, 1965) v. a. I. Szabó (»Mephisto«, 1980; »Oberst Redl«, 1985) und Márta Mészáros (»Tagebuch für meine Lieben«, 1986) für den internat. Film. - In Lateinamerika setzte 1968 der F. »Die Stunde der Hochöfen« des Argentiniers F. E. Solanas ein Fanal des polit. Kampfes. Das brasilian. »Cinema nóvo« der 60er-Jahre war vertreten durch G. Rocha (»Gott und Teufel im Land der Sonne«, 1964); in den 70er-Jahren erschien als wichtigster F. »Sao Bernardo« (1972) von L. Hirszman. - Die großen Regisseure Japans sind Yasujiro Ozu (»Spätherbst«, 1960), Akira Kurosawa (»Rashomon«, 1950; »Sieben Samurai«, 1954; »Kagemusha«, 1980) und Kenji Mizoguchi (»Ugetsu - Erzählungen unter dem Regenmond«, 1953). - Bei Orientierung an Gegenwartsfragen und Geschichtsthemen werden in China westl. Gestaltungsformen häufig adaptiert. F. wie »Das Teehaus« (Xie Tian, 1982) und »Rotes Kornfeld« (Zhang Yimou, 1987) wurden durch Fernsehen und Festivals im Ausland verbreitet. In Hongkong wurden Kung-Fu- und andere Action-F. gedreht. - Indien ist mit fast 1 000 Spiel-F. pro Jahr der größte F.-Produzent, jedoch v. a. für den regionalen Markt; internat. Anerkennung fanden u. a. die Regisseure S. Ray und M. Sen.
Literatur:
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Kracauer, S.: Theorie des F. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit, hg. v. K. Witte. A. d. Amerikan. Frankfurt am Main 31996.
Krusche, D.: Reclams Filmführer. Stuttgart 101996.
Monaco, J.: F. verstehen. Kunst, Technik, Sprache u. Theorie des F. u. der Medien. A. d. Engl. Reinbek 82.-86. Tsd. 1996.
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