Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Faust
Faust,Johannes (oder Georg), Arzt, Astrologe und Schwarzkünstler, * Knittlingen (Enzkreis) um 1480, ✝ Staufen im Breisgau 1536 (oder kurz vor 1540); studierte nach 1507 wohl Theologie in Heidelberg; war u. a. 1513 in Erfurt, 1520 in Bamberg, 1528 in Ingolstadt, 1532 in Nürnberg. F. stand in Verbindung mit humanist. Gelehrtenkreisen und hatte anscheinend Kenntnisse auf dem Gebiet der Naturphilosophie (»magia naturalis«) der Renaissance. - Aus Berichten über F., verschmolzen mit älteren Zaubergeschichten, entstand die F.-Sage, die zur Grundlage eines Volksbuches wurde (Erstausgabe »Historia von D. Johann Fausten« 1587 bei J. Spies in Frankfurt am Main, geht mit einer um 1575 niedergeschriebenen Wolfenbüttler Handschrift auf eine gemeinsame, nicht erhaltene Vorlage zurück; 1599 neu bearbeitet von G. Widmann in Hamburg, 1674 von J. N. Pfitzer gekürzt). Das älteste überlieferte F.-Drama ist »The tragical history of Doctor Faustus« (1604, entstanden wohl vor 1589) von C. Marlowe; es schließt sich eng an das (spiessche) F.-Buch an. Den Anfang bildet der F.-Monolog, in dem F. sich der Magie verschreibt (festes Bauelement fast aller späteren F.-Dramen). F.-Spiele waren bei den engl. Komödianten in Dtl. (zuerst 1608 in Graz bezeugt) und später bei den dt. Wandertruppen beliebt, worauf dann das Puppenspiel vom Doktor F., das seit 1746 bezeugt ist, fußt. G. E. Lessing sah in seinem F.-Drama in Fausts Streben nach Wissen erstmals nicht Vermessenheit und Aufbegehren gegen Gott. Die Dichter des Sturm und Drang fassten F. als titan. Persönlichkeit auf (Maler Müller, F. M. Klinger sowie der junge Goethe mit seinem »Urfaust«, entstanden 1772-75, erhalten in einer Abschrift des Fräuleins von Göchhausen; erschienen 1887). Durch Goethe wird das F.-Drama zum Menschheitsdrama, verwirklicht in der Endfassung des Werkes (Teil I, 1808; Teil II, hg. 1832): In einer doppelten Wette Mephistopheles' mit dem »Herrn« und mit F. geht es um das Streben des Menschen nach Selbstverwirklichung, das für den Nihilisten Mephistopheles nur Selbsttäuschung ist und daher in dumpfem Genuss enden muss. Im 19. Jh. bearbeiteten u. a. C. D. Grabbe und N. Lenau, im 20. Jh. P. Valéry, T. Mann und M. Bulgakow den Stoff. - Bilder zu Goethes F. schufen P. Cornelius, E. Delacroix, E. Barlach u. a. F.-Opern von L. Spohr (1816), C. Gounod (1859), A. Boito (1868), F. Busoni (1925); eine F.-Ouvertüre komponierte R. Wagner, eine Faustsinfonie F. Liszt. Ausgewählte Teile vertonte R. Schumann; auch »Fausts Verdammung« von H. Berlioz knüpft an Goethe an.
▣ Literatur:
Conradt, M.u. Huby, F.: Die Gesch. vom Doktor F. München 1980.
⃟ Das Faustbuch von 1587. Provokation u. Wirkung, hg. v. R. Auernheimer u. F. Baron. München 1992.
⃟ Hucke, K.-H.: Figuren der Unruhe. Faustdichtungen. Tübingen 1992.
⃟ Mahl, B.: Goethes »F.« auf der Bühne. (1806-1998). Stuttgart 1999.
Faust,Johannes (oder Georg), Arzt, Astrologe und Schwarzkünstler, * Knittlingen (Enzkreis) um 1480, ✝ Staufen im Breisgau 1536 (oder kurz vor 1540); studierte nach 1507 wohl Theologie in Heidelberg; war u. a. 1513 in Erfurt, 1520 in Bamberg, 1528 in Ingolstadt, 1532 in Nürnberg. F. stand in Verbindung mit humanist. Gelehrtenkreisen und hatte anscheinend Kenntnisse auf dem Gebiet der Naturphilosophie (»magia naturalis«) der Renaissance. - Aus Berichten über F., verschmolzen mit älteren Zaubergeschichten, entstand die F.-Sage, die zur Grundlage eines Volksbuches wurde (Erstausgabe »Historia von D. Johann Fausten« 1587 bei J. Spies in Frankfurt am Main, geht mit einer um 1575 niedergeschriebenen Wolfenbüttler Handschrift auf eine gemeinsame, nicht erhaltene Vorlage zurück; 1599 neu bearbeitet von G. Widmann in Hamburg, 1674 von J. N. Pfitzer gekürzt). Das älteste überlieferte F.-Drama ist »The tragical history of Doctor Faustus« (1604, entstanden wohl vor 1589) von C. Marlowe; es schließt sich eng an das (spiessche) F.-Buch an. Den Anfang bildet der F.-Monolog, in dem F. sich der Magie verschreibt (festes Bauelement fast aller späteren F.-Dramen). F.-Spiele waren bei den engl. Komödianten in Dtl. (zuerst 1608 in Graz bezeugt) und später bei den dt. Wandertruppen beliebt, worauf dann das Puppenspiel vom Doktor F., das seit 1746 bezeugt ist, fußt. G. E. Lessing sah in seinem F.-Drama in Fausts Streben nach Wissen erstmals nicht Vermessenheit und Aufbegehren gegen Gott. Die Dichter des Sturm und Drang fassten F. als titan. Persönlichkeit auf (Maler Müller, F. M. Klinger sowie der junge Goethe mit seinem »Urfaust«, entstanden 1772-75, erhalten in einer Abschrift des Fräuleins von Göchhausen; erschienen 1887). Durch Goethe wird das F.-Drama zum Menschheitsdrama, verwirklicht in der Endfassung des Werkes (Teil I, 1808; Teil II, hg. 1832): In einer doppelten Wette Mephistopheles' mit dem »Herrn« und mit F. geht es um das Streben des Menschen nach Selbstverwirklichung, das für den Nihilisten Mephistopheles nur Selbsttäuschung ist und daher in dumpfem Genuss enden muss. Im 19. Jh. bearbeiteten u. a. C. D. Grabbe und N. Lenau, im 20. Jh. P. Valéry, T. Mann und M. Bulgakow den Stoff. - Bilder zu Goethes F. schufen P. Cornelius, E. Delacroix, E. Barlach u. a. F.-Opern von L. Spohr (1816), C. Gounod (1859), A. Boito (1868), F. Busoni (1925); eine F.-Ouvertüre komponierte R. Wagner, eine Faustsinfonie F. Liszt. Ausgewählte Teile vertonte R. Schumann; auch »Fausts Verdammung« von H. Berlioz knüpft an Goethe an.
▣ Literatur:
Conradt, M.u. Huby, F.: Die Gesch. vom Doktor F. München 1980.
⃟ Das Faustbuch von 1587. Provokation u. Wirkung, hg. v. R. Auernheimer u. F. Baron. München 1992.
⃟ Hucke, K.-H.: Figuren der Unruhe. Faustdichtungen. Tübingen 1992.
⃟ Mahl, B.: Goethes »F.« auf der Bühne. (1806-1998). Stuttgart 1999.