Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Fabel
Fabel[von lat. fabula »Erzählung«, »Sage«],
1) die einer epischen oder dramat. Dichtung zugrunde liegende Handlung.
2) epische Kurzform; eine in Vers oder Prosa abgefasste, meist kurze Erzählung mit lehrhafter Tendenz, in der zumeist Tiere (aber auch Pflanzen) menschl. Verhaltensweisen und Eigenschaften verkörpern. In ihrem antithet. Aufbau (gegensätzl. Positionen zweier oder mehrerer Tiere), in der Darstellung einer dramat. Handlungsumkehr und der Ausrichtung auf eine Schlusspointe zielt die F. auf Versinnbildlichung einer allgemein gültigen Sentenz, auf eine religiöse, moral. oder prakt. Belehrung oder Kritik. - F. finden sich im volkstüml. Erzählgut vieler Völker. Als Vater der europ. F. gilt Äsop. Als mittelalterl. Schullektüre waren lat. Sammlungen in Europa verbreitet. Nach großer Beliebtheit in Humanismus und Reformation (H. Sachs) wurde die dt. F. erst im 18. Jh. (Aufklärung) wieder bevorzugt, während J. de La Fontaine im Jh. davor die frz. F. zum Höhepunkt literar. Kleinkunst entwickelte. An die Stelle der moral. Belehrung trat nun die Betonung bürgerl. Lebensklugheit. Als dt. Fabeldichter ragen F. von Hagedorn, C. F. Gellert und J. W. L. Gleim hervor. Der auf die äsop. Tradition zurückgreifende G. E. Lessing beschloss zugleich die Entwicklung der dt. F. im 18. Jahrhundert.
Literatur:
Dithmar, R.: Die F. Gesch., Struktur, Didaktik. Paderborn u. a. 71988.
Die dt. u. lat. F. in der frühen Neuzeit, hg. v. A. Elschenbroich, 2 Bde. Tübingen 1990.
Holzberg, N.: Die antike F. Eine Einführung. Darmstadt 1993.
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