Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
erotische Literatur
erotische Literatur, literar. Werke aller Gattungen, in denen das Erotische dargestellt wird. Nicht immer ist die Abgrenzung gegenüber einer das Gefühlhafte, den seelisch-geistigen Bereich der Liebe artikulierenden Liebesdichtung oder aber gegenüber pornograph. Lit. eindeutig zu ziehen. Häufig enthält e. L. auch gesellschaftskrit. Elemente. - Berühmte Beispiele e. L. stammen aus Indien, vermutlich aus den ersten nachchristl. Jh. (»Kamasutra«) sowie aus dem Orient (»Tausendundeine Nacht«, entstanden seit dem 8. Jh., endgültige Fassung wohl 16. Jh.). Das »Hohelied« des A. T. dürfte zum überwiegenden Teil nach dem Babylon. Exil entstanden sein. China (»Jin-ping-mei«, 16. Jh.) und Japan (Ihara Saikaku, »Yonosuke, der dreitausendfache Liebhaber«, 1682) entfalten eine reiche e. L. In der europ. antiken Lit. wird die e. L. durch die »Miles. Geschichten« von Aristides von Milet um 100 v. Chr. eingeleitet, sie wirken noch auf röm. Schriftsteller wie Petronius und Apuleius. Zur e. L. der röm. Lit. tragen u. a. Catull, Ovid und Martial bei. Berühmt wurden die Renaissancedichter Italiens, G. Boccaccio, P. Aretino, M. Bandello, in England G. Chaucer, in Frankreich Margarete von Navarra, im 17. Jh. J. de La Fontaine, im galanten 18. Jh. C.-P. J. de Crébillon d. J., P. A. F. Choderlos de Laclos, N. Restif de La Bretonne, G. G. Casanova, J. Cleland. Einen Grenzfall bilden die Werke des Marquis de Sade. Auch Goethe und H. de Balzac trugen zur e. L. bei. In der Dekadenzdichtung wird die Erotik psychologisch begründet: A. Schnitzler, A. Sacher-Masoch. Mit A. Strindbergs »Okkultem Tagebuch« (hg. 1977) setzt eine sog. Selbstentblößungsliteratur ein (u. a. H. Miller). Teilweise oder ganz der e. L. zuzurechnen sind im 20. Jh. u. a. auch die Werke von D. H. Lawrence, V. Nabokov, J. Genet und Anaïs Nin.
Literatur:
Englisch, P.: Geschichte der e. L. Stuttgart 1927, Nachdr. Wiesbaden 31987.
Seeßlen, G.: Lexikon der e. L. München 1984.
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