Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
englische Philosophie.
ẹnglische Philosophie. Die Tradition der e. P. beginnt mit den frühen Vertretern der Vorscholastik und Scholastik, die bereits den für die weitere Entwicklung bezeichnenden Hang zu einer Wirklichkeitsbegründung durch die Erfahrung erkennen lassen. Zu ihnen rechnen u. a. Beda Venerabilis, Johannes Scotus Eriugena, Adelard von Bath, Richard von St. Viktor und Johannes von Salesbury. Kennzeichnend ist auch der immer wieder wirksam werdende Einfluss der idealist., platonisch-augustin. Denktradition, der durch Alexander von Hales und die Oxforder Franziskanerschule im 13. Jh. zu besonderer Ausprägung gelangte. Zu ihr gehörten u. a. Robert Grosseteste, Roger Bacon und J. Duns Scotus. Im weiteren Verlauf trat v. a. W. von Ockham als Hauptvertreter des Nominalismus an der Wende der Neuzeit hervor. Richtungweisende Beiträge lieferte die e. P. im Zeitalter der Renaissance bes. zur Staats- und Naturrechtslehre (T. More, R. Hooker); der Wissenschaftslehre von F. Bacon, die wiss. und techn. Entwicklung favorisierte, wurden von R. Boyle Mathematik und Atomismus zugeordnet.Im 17. und 18. Jh. entwickelte sich das geistige Leben weitgehend unabhängig von den kontinentalen Denkrichtungen, übte jedoch auf diese bes. in der Auseinandersetzung um den Empirismus eine starke Wirkung aus. Seit den Kämpfen um die Volkssouveränität im 17. Jh. stand die polit. Theorie im Vordergrund der engl. Philosophie. Ähnl. Bedeutung hatte in der Folgezeit die Anerkennung der mathematisch-naturwiss. Methode, bes. seit der Kosmologie von I. Newton, deren weltanschaul. Konsequenzen v. a. das Aufklärungszeitalter beherrschten. Der erste neuzeitl. Systembildner der e. P. war T. Hobbes, dessen Metaphysik, im Ggs. zu Descartes, nur die Körperwelt als real gelten ließ (Naturalismus). Er blieb ohne Anhänger, doch knüpften die meisten engl. Denker des folgenden Jh. kritisch an seine Lehren an. Eine Erneuerung des Platonismus wurde gegenüber Hobbes in der »Cambridger Schule« (H. More, R. Cudworth, A. Conway) angestrebt. Vom Standpunkt einer natürl. Religion ging der Deismus mit seiner Kritik an der auf die Offenbarung gestützten christl. Theologie aus (u. a. H. von Cherbury, J. Toland, A. Collins und M. Tindal).
Als Gegner Hobbes' und Cudworths suchte J. Locke, der Begründer des krit. Empirismus, den Streit um die Grundsätze der Philosophie durch eine Untersuchung des menschl. Erkenntnisvermögens zu entscheiden. Er führte alle Erkenntnis auf Erfahrung zurück und begründete eine sensualist. Assoziationspsychologie. Lockes Lehren wurden von G. Berkeley im Sinne einer die Körperwelt leugnenden Metaphysik (Immaterialismus), von D. Hume zu einem positivist. Empirismus fortentwickelt. Gegenüber diesen empirist. Lehren wurden, z. T. wieder an die platon. Tradition anknüpfend, bes. von T. Reid und der von ihm gegr. Schottischen Schule (J. Beattie, T. Brown, später W. Hamilton) von der äußeren Erfahrung unabhängige Prinzipien der Erkenntnis angenommen. Bed. Einfluss auf die Aufklärung hatten die engl. Moralisten, bes. A. Shaftesbury, J. Butler, F. Hutcheson, dessen Schüler Adam Smith v. a. durch seine liberale Wirtschaftslehre bekannt wurde, und E. Burke. Gegen Shaftesburys Idealismus richtete sich B. de Mandeville, der durch das Zusammenspiel egoist. Einzelinteressen ein Höchstmaß an Gemeinwohl garantiert sah.Die empirist. Tradition wurde im 18. und 19. Jh. von J. Bentham und J. S. Mill in vorwiegend sozialreformer. Absicht im Sinne eines Utilitarismus, von H. Spencer unter dem Einfluss C. Darwins in einer universalen Entwicklungslehre fortgeführt. Während Kant schon auf W. Hamilton und die spätere Schottische Schule, bes. aber auf W. Whewell gewirkt hatte, breitete sich gegenüber dem Empirismus und der Schottischen Schule seit etwa 1865 der Einfluss Hegels aus, bes. durch T. H. Green. Er fand selbstständige Ausprägungen im metaphys. Idealismus F. H. Bradleys, B. Bosanquets und J. McTaggarts. J. H. Newman vertrat eine gegen die Aufklärung gerichtete, das Gewissen betonende Religionsphilosophie. In der Folgezeit traten zwei Hauptrichtungen hervor, z. T. in krit. Ggs. zum Idealismus: der Pragmatismus von F. C. S. Schiller und v. a. der Neurealismus, der hauptsächlich auf G. E. Moore zurückgeht. Er sucht erkenntnistheoretisch an den Skeptizismus und Empirismus von Hume anzuknüpfen. Bed. Vertreter des Neurealismus waren bes. A. N. Whitehead, der einen evolutionist. Theismus vertrat, z. T. gemeinsam mit B. Russell, aber auch Problemen der mathemat. Logik nachging. Unter dem Einfluss Russells, dessen Erkenntnislehre Empirismus und log. Positivismus verbindet, und des Wieners L. Wittgenstein bildete sich die analyt. Philosophie (A. J. Ayer, G. Ryle, J. L. Austin, P. F. Strawson, A. J. T. Wisdom), die Wissenschaftstheorie und Sprachlogik in den Vordergrund rückt. Eine in Abhebung von O. Spengler entwickelte, umfassende Kulturtheorie entwarf A. J. Toynbee. Kennzeichnend für die moderne e. P. sind weiterhin logisch-systemat. und wissenschaftstheoret. Fragestellungen (M. Dummett, A. J. Ayer), Beschäftigung mit formaler Logik (J. Łukasiewicz, W. und M. Kneale), Ethik (R. M. Hare), analyt. Sprachphilosophie (H. P. Grice) und analyt. Rechtstheorie (H. L. A. Hart).
Literatur:
P. Edwards The encyclopedia of philosophy, hg. v. u. a. Bd. 1. Neudr. New York 1972.
Priest, S.: The British empiricists. Hobbes to Ayer. London u. a. 1990.
British philosophy and the Age of Enlightenment, hg. v. S. Brown. New York u. a. 1996.
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