Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
englische Literatur
ẹnglische Literatur,die englischsprachige Literatur der Brit. Inseln. Entsprechend der Gliederung der engl. Sprachgeschichte unterscheidet man zw. altengl. (7.-11. Jh.), mittelengl. (11.-15. Jh.) und neuengl. Literatur (15.-20. Jh.).Altenglische Literatur: Die Landnahme Britanniens durch die Angeln, Sachsen und Jüten im 5. Jh. brachte heidnisch-german. Sagen- und Dichtungsgut, das in Runeninschriften und Merkversen, Segens-, Zauber- und Rätselsprüchen überliefert ist. Die Christianisierung (seit 597) ließ die geistigen Zentren Canterbury und York entstehen, die durch lat. Schriften wirkten, und begünstigte auch die volkssprachl. Versdichtung. Deren frühestes erhaltenes Beispiel ist der Schöpfungshymnus des Caedmon (✝ um 680); Bibel- und Legendenepen stammen von Cynewulf (um 800 ?). »Beowulf« ist das älteste vollständig erhaltene german. Heldenepos. Die Prosaliteratur wurde von König Alfred d. Gr. (Ende 9. Jh.) gefördert, der lat. Werke übersetzen ließ.Mittelenglische Literatur: Nach der normann. Eroberung (1066) wurde der anglonormann. Hof im 12. Jh. Hochburg von Gelehrsamkeit und Dichtkunst. Im 14. Jh., als sich das Englische - nun mit roman. Elementen vermischt - als Kultursprache wieder durchsetzte, kam es zu einer Blütezeit der mittelengl. Literatur: W. Langlands Traumdichtung »The vision of William concerning Piers the plowman« (dt. u. d. T. »Peter der Pflüger«; 3 Versionen, um 1370, um 1377/79, nach 1390, gedruckt 1550; etwa 1370 ff.), die Allegorien J. Gowers, G. Chaucers »Canterbury tales« (begonnen um 1387, gedruckt um 1478). Für die Weiterentwicklung der Prosa wurde J. Wycliffes und N. Herefords Bibelübersetzung (1383 erschien das N. T.) bedeutungsvoll; im 15. Jh. erlangten T. Malorys Artus- und Gralssagen Verbreitung (»Le morte Darthur«, entstanden um 1460-70, gedruckt 1485). In der Schauspieldichtung standen urspr. Mysterien (mit bibl. Stoffen) und Mirakel (dichter. Gestaltung von Heiligenleben) nebeneinander. Im 15. Jh. entstanden die allegor. Moralitäten. Ende des Jh. tauchte als neue dramat. Gattung das Interlude (Zwischenspiel) auf.Neuenglische Literatur: Renaissance, Puritanismus und Restauration (16. und 17. Jh.). Die Anfänge der engl. Renaissanceliteratur fallen in die Regierungszeit Heinrichs VIII. (1509-47); es entstanden humanist. Schriften und »Utopia« von T. More (lat. 1516, engl. 1551) sowie Sonette von T. Wyatt und H. Howard, Earl of Surrey. Erst das Elisabethan. Zeitalter (1558-1603), eine Periode des entstehenden nat. Selbstbewusstseins und wirtsch. Aufschwungs, bildet einen Höhepunkt der e. L. Manieristisch überhöhte Erzählprosa schrieb J. Lyly in seinem Erziehungsroman »Euphues« (1578). P. Sidney machte den Schäfer-, T. Nashe den Schelmenroman in England heimisch, E. Spenser unternahm mit der allegor. Dichtung »The faerie queene« (1590-96) den Versuch eines Nationalepos. Die Lyrik pflegte Sonett (Sidney, Spenser, Shakespeare) und Schäferdichtung (Spenser). F. Bacon veröffentlichte 1597 die ersten engl. Essays.Die Errichtung öffentl. Theaterbauten ab 1576 und das Aufstreben professioneller Schauspielertruppen ermöglichten einen lebhaften Spielbetrieb (elisabethan. Drama). Es wurden Komödien von J. Lyly, G. Peele, R. Greene, Tragödien von T. Kyd, C. Marlowe und Historien von Marlowe aufgeführt. Shakespeare schuf dann als Vollender der engl. Renaissance und am Beginn einer neuen Periode Meisterwerke für alle dramat. Gattungen. Neben ihm wirkten B. Jonson, nach ihm traten als Dramatiker u. a. T. Dekker, T. Heywood, F. Beaumont, J. Fletcher und T. Middleton hervor. Die Schließung aller öffentl. Theater durch die Puritaner (1642) bedeutete das Ende des Renaissancedramas. In der religiösen Lyrik von J. Donne (Anfang des 17. Jh.) und G. Herbert wurden Weltverachtung und das Streben nach Ruhe in Gott zum Hauptthema (»metaphysische Dichtung«); fortgeführt wurde diese Lyrik des Barocks von R. Crashaw und H. Vaughan. Anakreont. und religiöse Lyrik schrieb R. Herrick. Der eigentl. Vertreter des Puritanismus ist J. Milton mit seinem Blankversepos »Das verlorene Paradies« (1667). J. Bunyan schrieb sein Erbauungsbuch »Eines Christen Reise nach der Seeligen Ewigkeit ...« (1678-84). In der Restaurationszeit prägte der Einfluss der frz. Literatur ein elitäres Literaturverständnis. Neben Dryden war u. a. S. Butler ein bed. Satiriker (»Hudibras«, 1663-78). Eine neue Theaterkultur brachten die heroischen Schauspiele von J. Dryden, N. Lee, T. Otway u. a. sowie geistreich-frivole Sittenstücke (Dryden, G. Etherege, W. Congreve) hervor.Klassizismus und Aufklärung (18. Jh.). Der Rationalismus erfuhr im engl. Klassizismus (Ende des 17. Jh. bis um 1760) eine starke Aufwertung; A. Popes und J. Gays Dichtung in Reimpaaren ist Ausdruck dieser aufklärer. Tendenzen. Die Prosa entwickelte sich zum Hauptmedium der Literatur, durch das sowohl die Intellektuellen angesprochen (J. Swift, S. Johnson) als auch das Bürgertum - hauptsächlich durch die »Moral. Wochenschriften« (J. Addison, R. Steele) - gebildet werden sollten. Seit dem frühen 18. Jh. entfaltete sich der engl. Roman. Neben dem Reise- und Abenteuerroman D. Defoes (»Robinson Crusoe«, 1719/20) steht die groteske Satire Swifts (»Gullivers sämtl. Reisen«, 1726); S. Richardson schuf den bürgerl. Familienroman (»Pamela«, 1740), H. Fielding den ersten engl. realist. Roman (»Tom Jones«, 1749), T. Smollett humorist. Romane. Im Drama entstand die neue Gattung des bürgerl. Trauerspiels (G. Lillo), daneben Pantomimen, Farcen, Singspiele (J. Gay u. a.). S. Johnson war als Kritiker die beherrschende Figur des Zeitalters. - Mitte des 18. Jh. setzte eine gegen den Rationalismus der Aufklärung gerichtete Strömung ein, die den Kräften des Gefühls und des Willens größere Bedeutung beimaß und im Vernunftkult eine Abkehr vom Natürlichen erblickte. In der Lyrik hatte schon J. Thomson einen Vorstoß in Richtung einer romant. Naturdichtung unternommen; ihm folgten E. Young, T. Gray, W. Cowper, W. Blake u. a. Das Interesse an Balladen des MA. und der Volksdichtung wuchs (J. Macpherson, T. Percy, T. Chatterton). Den sentimentalen (d. h. empfindsamen) Roman pflegten L. Sterne, O. Goldsmith u. a.; L. Sterne parodierte in seinem »Tristram Shandy« (1760-67) den rationalen Geist des 18. Jh.; daneben entstanden Schauerromane (Gothic Novels).Romantik und Viktorianismus (19. Jh.). W. Wordsworth und S. T. Coleridge leiteten mit ihren »Lyrical ballads« (1798, erweitert 1800) die Dichtung der Romantik ein. Einer zweiten Romantikergeneration gehörten die Lyriker Lord Byron, P. B. Shelley und J. Keats an. W. Scotts histor. Romane übten starken Einfluss auf die europ. Literatur des 19. Jh. aus. Jane Austen schrieb psycholog. Romane. Die Kunst des Essays pflegten C. Lamb, T. de Quincey, W. Hazlitt u. a. - Die folgende Zeit (Reg. der Königin Viktoria 1837-1901) umfasste viele gegensätzl. Strömungen. T. Carlyle wandte sich gegen den Materialismus der Zeit, ebenso auf religiösem Gebiet Kardinal Newman. M. Arnold und W. Pater gingen in ihrer literar. Kritik auf antike Vorstellungen zurück; J. Ruskin war ein Anwalt der Gruppe der Präraffaeliten. In der Lyrik traten A. Tennyson, R. Browning und Elizabeth Barrett-Browning hervor, später A. C. Swinburne und die Präraffaeliten (D. G. Rossetti, Christina Rossetti). C. Dickens schuf den engl. sozialen Roman (»Oliver Twist«, 1838); W. M. Thackerays Stärke als Erzähler war die Gesellschaftssatire. Die Schwestern Charlotte, Emily und Anne Brontë eröffneten, romant. Elemente aufnehmend, die Reihe bed. englischer Frauenromane. Die Werke der Schriftstellerin George Eliot sind ein Höhepunkt des realist. Romans. Im Verlauf des Jh. wurde der engl. Roman bes. von Frankreich und Russland beeinflusst. G. Meredith gab komödienhafte Deutungen der vom wiss. Fortschritt bestimmten Welt. T. Hardys Wessex-Romane brachten die stärkste Ausprägung des engl. Naturalismus. Mit realist. Stilmitteln arbeitet die Abenteuerromantik von R. L. Stevenson, an die sich der Kriminalroman von C. Doyle anschließt; R. Kipling schilderte ferne Länder. E. Lear und L. Carroll (»Alice im Wunderland«, 1865) stehen für eine charakterist. Seite des engl. Humors. - Wortführer der jüngeren Generation gegen Ende des Jh. wurde S. Butler. Einen Ästhetizismus pflegte O. Wilde.20. Jahrhundert: Mit dem Jahr 1912 (Anthologie »Georgian poetry«) vollzog sich eine Abkehr vom viktorian. Gefühlskult. Eine realist. Note zeigten auch die Versdichtung J. Masefields und die Naturdichtung von W. H. Davies und A. E. Housman. Angeführt von T. E. Hulme und kritisch beraten von E. Pound, legten die Imagisten (Imagismus) den Akzent auf Sprache und Dichtungstechnik. Nach dem Erlebnis des Ersten Weltkriegs zeigte T. S. Eliot in »Das wüste Land« (1922) die Richtungslosigkeit des modernen Lebens auf. Während er sich zum christl. Glauben hinwandte, suchten jüngere Autoren (W. H. Auden, C. Day-Lewis, S. Spender) die Lösung in der Veränderung der Gesellschaft.Im Mittelpunkt der Erzählkunst stand zu Beginn des 20. Jh. der Charakter als Produkt der Umwelt. Bed. Erzähler waren J. Conrad, A. Bennett, J. Galsworthy, W. S. Maugham. Gesellschaftskritik übten H. G. Wells, G. K. Chesterton, H. Belloc. Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg beschritt der Roman neue formale Wege unter dem Einfluss der Psychoanalyse: D. H. Lawrence, J. Joyce (»Ulysses«, 1922; Technik des Bewusstseinsstroms, innerer Monolog), Dorothy Richardson, Virginia Woolf, Katherine Mansfield. Zu einem Schilderer interkultureller Begegnung wurde E. M. Forster. Nach dem Ersten Weltkrieg traten hervor: der Skeptiker A. Huxley, der Biograph L. Strachey, die Erzähler C. Morgan, J. C. Powys, E. Waugh. Einen großen Anteil an der Romanproduktion hatten Frauen: Sheila Kaye-Smith, Ivy Compton-Burnett, Rose Macaulay, Rebecca West, Elizabeth Bowen u. a. Mit dem Kriegsgeschehen befassten sich die Erzähler R. Aldington, C. E. Montague, R. H. Mottram, S. Sassoon. In den 30er- und 40er-Jahren wurde der gesellschaftskrit. Roman von G. Orwell, H. Spring, A. D. Powell, H. Green, die Richtung der weltanschaul. Romane von G. Greene, E. Waugh, B. Marshall u. a. fortgesetzt; eine Sonderstellung nehmen die Romane von J. Cary ein.
Das moderne Drama beginnt in England mit G. B. Shaw, dessen sozialkrit. Stücke nachhaltigen Einfluss hatten. Nach dem Ersten Weltkrieg war N. Coward mit seinen Gesellschaftskomödien erfolgreich; symbolisch überhöhte Konversationsstücke schrieb T. S. Eliot. Von W. H. Auden und C. Isherwood stammen polit. Thesenstücke, beeinflusst vom epischen Theater B. Brechts; konventionelle Wege beschritten J. B. Priestley und T. Rattigan. C. Fry entwickelte das Versdrama weiter.Nach dem Zweiten Weltkrieg war D. Thomas Repräsentant einer neuromant. Richtung in der Lyrik. Die nachfolgende Generation (K. Amis, J. Wain, P. Larkin u. a.) berief sich ihm gegenüber auf Ironie und nüchterne Analyse. W. Empson trat mit experimenteller Lyrik hervor. Die Lyrik der jüngeren Zeit neigt ebenfalls zum Experimentellen sowie zur Betonung des Hässlichen, Grausamen, Grotesken (Ted Hughes, D. J. Enright). Formbetont ist die Lyrik von C. Tomlinson und D. Davie. Für die jüngere Generation (»Ulster poets«) irischer Dichter ist S. Heaneys Naturlyrik Vorbild. Als seine Nachfolger zeigen sich u. a. P. Muldoon, T. Paulin, C. Carson. Zu den Vertretern der lyr. Postmoderne gehören C. Raine, B. Morrison, P. Reding, Denise Riley u. a. Nach dem postumen Erfolg von Sylvia Plath machten auch viele Lyrikerinnen auf sich aufmerksam. Im Roman setzten sich P. H. Newby, A. Wilson, N. Balchin, K. Amis, J. Wain, Iris Murdoch, A. Comfort, A. Sillitoe, L. Durrell, W. Golding, Doris Lessing, Muriel Spark, J. Fowles, Susan Hill, M. Bradbury, Antonia S. Byatt, Margaret Drabble, Angela Carter, J. McEwan u. a. mit vielfältigen gesellschaftl. und psycholog. Fragen auseinander. A. Burgess ist der modernen frz. Philosophie verpflichtet. Die Stärke der Romantradition gibt selbst dem Unterhaltungsroman ein beachtl. Niveau (A. J. Cronin, Daphne du Maurier u. a.), auch der Detektivroman und die Sciencefiction finden immer mehr Verbreitung. Symptomatisch ist der Erfolg fantast. Mythen (J. R. R. Tolkien). Zu den aus Irland stammenden neueren Autoren gehören u. a. Edna O'Brien, J. McGahern und Julia O'Faolain. Der postmoderne engl. Roman findet seine reinste Ausgestaltung bei J. Barnes und P. Ackroyd, gemäßigtere Ansätze bieten G. Swift, M. Amis, Fay Weldon. Zunehmende Bedeutung erlangen Vertreter ethn. Minderheiten, die die Erfahrungen anderer Kulturkreise einbringen (S. Rushdie, H. Kureishi, K. Ishiguro). Im Drama ergriff nach dem Dominieren der Stücke von Eliot, C. Fry, P. Ustinow, J. Whiting mit J. Osborne eine neue Generation das Wort, die dem Überlieferten ablehnend gegenüberstand: J. Arden, P. Shaffer, Ann Jellicoe, A. Wesker, N. Dennis, B. Behan, B. Friel, Shelagh Delaney u. a. Absurdes Theater schrieben, u. a. unter dem Einfluss S. Becketts, H. Pinter und N. F. Simpson. Zu den bedeutendsten jüngeren Dramatikern gehören E. Bond, T. Stoppard und J. Orton. A. Ayckbourn schreibt Gesellschaftskomödien und Farcen. Auf entschieden feministisch argumentierende Dramatikerinnen wie Caryl Churchill, Pam Gems, Olwen Wymark ist eine jüngere, nicht weniger frauenpolitisch engagierte Generation gefolgt (Louise Page, Sarah Daniels u. a.). Auch ethn. Minderheiten sind auf brit. Bühnen vertreten (z. B. durch M. Matura und M. Abbensetts. (irische Literatur, schottische Literatur)
Literatur:
Göller, K. H.: Geschichte der altengl. Literatur. Unter Mitarbeit v. U. Böker. Berlin 1971.
Weiß, W.: Das Drama der Shakespeare-Zeit. Stuttgart u. a. 1979.
Schirmer, W. F.: Geschichte der engl. u. amerikan. Literatur, 2 Bde. in 4 Teilen. Tübingen 61983.
Williams, J.: Twentieth-century British poetry. A critical introduction. London u. a. 1987.
Engl. Literaturgeschichte, Beiträge v. E. Standop u. E. Mertner. Heidelberg 51992.
Engl. Literaturgeschichte, hg. v. H. U. Seeber. Stuttgart 21993.
Engl. Theater der Gegenwart. Geschichte(n) u. Strukturen, hg. v. Klaus Peter Müller. Tübingen 1993.
Fichte, J. O. u. Kemmler, F.: Alt- u. mittelengl. Literatur. Eine Einführung. Tübingen 21994.
Plett, H. F.: English Renaissance rhetoric and poetics. A systematic bibliography of primary and secondary sources. Leiden 1995.
Cambridge paperback guide to literature in English, hg. v. I. Ousby. Cambridge 1996.
Sanders, A.: The short Oxford history of English literature. Neuausg. Oxford 1996.
Die e. L., hg. v. B. Fabian, 2 Bde. München 31997.
The Cambridge companion to English literature. 1650 - 1740, hg. v. S. N. Zwicker. Cambridge 1998.
The Cambridge companion to old English literature, hg. v. M. Godden u. a. Neudr. Cambridge 1998.
The Cambridge guide to literature in English, hg. v. I. Ousby. Neudr. Cambridge 1998.
Ousby, I.: Cambridge guide to fiction in English. Cambridge 1998.
The Oxford companion to English literature, hg. v. M. Drabble. Neuausg. Oxford 51998.
The Cambridge history of medieval English literature, hg. v. D. Wallace. Cambridge 1999.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: englische Literatur