Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft,Abk. EWG (frz. Communauté Économique Européenne, Abk. CEE, engl. European Economic Community, Abk. EEC), die durch den Vertrag von Rom (Röm. Verträge), unterzeichnet am 25. 3. 1957 (in Kraft seit 1. 1. 1958) zw. Belgien, der Bundesrep. Dtl., Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden begründete überstaatl. Gemeinschaft zum Zweck der wirtsch. Integration; Sitz in Brüssel und Luxemburg. Am 1. 1. 1973 traten Dänemark, Großbritannien und Irland, am 1. 1. 1981 Griechenland, am 1. 1. 1986 Spanien und Portugal, am 1. 1. 1995 Finnland, Österreich und Schweden bei. Durch den am 1. 11. 1993 in Kraft getretenen Maastrichter Vertrag zur Gründung der EU wurden der zeitlich unbefristete EWG-Vertrag nach Erweiterung in wesentl. Punkten in EG-Vertrag und die EWG in Europ. Gemeinschaft (EG) umbenannt. Seit 1967 ist die EWG/EG neben EGKS und EURATOM durch Fusionsvertrag organisatorisch integrierter Bestandteil der Europ. Gemeinschaften (EG) und deren wichtigste Teilorganisation.Die erste Stufe der wirtsch. Integration der Gemeinschaft war die Errichtung eines gemeinsamen Marktes. Sie umfasst alle Maßnahmen, die einen freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr gewährleisten, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft sichern und zur Vereinheitlichung des Wirtschaftsrechts beitragen. Diese »Vier Freiheiten« wurden durch den Europäischen Binnenmarkt weitgehend verwirklicht.
Besonders wichtig für die Errichtung eines freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft war die Bildung einer Zollunion. Diese führte zu einem schrittweisen Abbau der Ein- und Ausfuhrzölle aller Waren und zum Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen der Mitgl.staaten untereinander. Dazu gehören ferner Bestimmungen über einheitl. Zolltarife im Warenaustausch mit Drittländern (Außenzölle). Die Einbeziehung der Erzeugung von und des Handels mit landwirtsch. Produkten (gemeinsamer Agrarmarkt) in den Integrationsprozess des gemeinsamen Marktes hat aufgrund der unterschiedl. Strukturen und Organisationen der einzelstaatl. Märkte eine Anzahl besonderer Probleme mit sich gebracht, die nicht mit den Mitteln zur Schaffung eines allg., freien Warenverkehrs gelöst werden konnten. Um die vertragl. Ziele der EWG/EG auf landwirtsch. Gebiet zu erreichen, einigten sich die Mitgl.staaten auf die Grundlinien einer gemeinsamen Agrarpolitik (Agrarmarktordnungen der EG). Zur Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik wurde der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) gegründet. 1993 wurde die Agrarpolitik mit dem Ziel reformiert, die Überproduktion zu verringern und die Einkommenssicherung statt über Aufkaufpreise durch Ausgleichszahlungen an die Landwirte zu erreichen.Im Sinne einer größeren Freizügigkeit im Personenverkehr und Niederlassungsrecht verpflichten sich die Mitgl.staaten, alle rechtl. Bestimmungen zu beseitigen, durch die Personen und Gesellschaften an der Ausübung ihrer wirtsch. Tätigkeiten gehindert werden. Zur Herstellung der Freizügigkeit gehört auch die Verwirklichung jener Bedingungen, die es den Arbeitnehmern innerhalb der EWG/EG ermöglichen, ungeachtet ihrer Staatszugehörigkeit unter gleichen Voraussetzungen hinsichtlich Beschäftigung, Entlohnung und sozialer Sicherheit ihren Arbeitsplatz zu wählen.
Der EWG-Vertrag sah zunächst lediglich für die Bereiche Wettbewerb, Landwirtschaft und Fischerei sowie Verkehr eine gemeinsame Politik vor. Mit unterschiedlich ausgeprägten Gemeinschaftskompetenzen sind inzwischen weitere Politikbereiche hinzugekommen: Wirtschafts- und Währungspolitik, Sozialpolitik, Umweltpolitik, die Bereiche Bildung, Kultur, Gesundheit, Verbraucherschutz, Transeurop. Netze, Industrie und Forschung sowie technolog. Entwicklung. Die gemeinsame Wettbewerbspolitik verbietet alle Absprachen zw. Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Um die missbräuchl. Ausnutzung einer beherrschenden Stellung eines Unternehmens auf dem gemeinsamen Markt besser zu verhindern, wird seit 1990 eine europ. Fusionskontrolle durchgeführt. Auch die den Wettbewerb beeinträchtigenden Subventionen sind verboten.1979 fasste der Min.rat eine Grundsatzentschließung (Werner-Plan) zur Verwirklichung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Wichtig für deren Umsetzung war eine enge währungspolit. Zusammenarbeit, die schließlich zur Schaffung des Europäischen Währungssystems führte.
Die Strukturpolitik und die Regionalpolitik dienen dazu, die Unterschiede im wirtsch. Entwicklungsstand zw. einigen Regionen der EU zu beseitigen. Zur Förderung strukturschwacher (v. a. hohe strukturelle Arbeitslosigkeit, niedrige Pro-Kopf-Einkommen) Gebiete wurde der Europ. Regionalfonds geschaffen. Durch Darlehen und Bürgschaften unterstützt die Europ. Investitionsbank Projekte zur Beseitigung regionaler Benachteiligungen. Im Bereich der Sozialpolitik steht eine umfassende Harmonisierung der einzelstaatl. Vorschriften noch aus; die EG kann lediglich Mindestvorschriften erlassen. Zur Finanzierung sozialpolit. und in letzter Zeit arbeitsmarktpolit. Maßnahmen wurde der Europ. Sozialfonds geschaffen. Die Außenwirtschaftspolitik enthält als ein wesentl. Element ein gemeinsames Zolltarifsystem gegenüber Drittländern, das durch den Min.rat der EG festgelegt wird und an das die Mitgl.staaten ihre Tarifsysteme so anpassen, dass sie den Warenaustausch mit Drittländern unter gleichen Bedingungen durchführen. Ein weiteres bed. Element der gemeinsamen Außenhandelspolitik ist die schrittweise Abtretung einzelstaatl. Rechte an die Europ. Kommission, Handelsabkommen mit Drittländern zu vereinbaren. Mit zahlr. Ländern im Mittelmeerraum und mit EFTA-Mitgl. sind entsprechende Abkommen geschlossen worden. Aufgrund des »Systems allgemeiner Präferenzen« können Entwicklungsländern bei der Einfuhr von Halb- und Fertigprodukten in den gemeinsamen Markt Zollpräferenzen eingeräumt werden. Den Staaten, die intensivere wirtsch. Beziehungen zur Gemeinschaft pflegen wollen, wird von der EWG die Möglichkeit der Assoziierung eingeräumt. Mit den Staaten des Mittelmeerraumes wurden Assoziierungsabkommen geschlossen (Türkei: 1964; Malta: 1971; Zypern: 1973); 70 Länder (1997) des afrikan., karib. und pazif. Raumes (AKP-Staaten) sind seit 1975 durch die Lomé-Abkommen mit der EWG/EG verbunden. Verträge über Zusammenarbeit bestehen u. a. außerdem mit der ASEAN und dem Andenpakt. Entsprechende Abkommen (»Europa-Abkommen«) gibt es auch mit den an einem EG-Beitritt interessierten mittel- und osteurop. Staaten. Zur Finanzierung sozialer Einrichtungen und zur Förderung der Investitionstätigkeit in den assoziierten Ländern wurde ein Europ. Entwicklungsfonds (EEF) eingerichtet.
Literatur:
H. von der Groeben Kommentar zum EWG-Vertrag, hg. v. u. a., 4 Bde. Baden-Baden 41991.
Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, hg. v. M. A. Dauses. Loseblatt-Ausg. München 1993 ff.
Europ. Integration, hg. v. R. Ohr. Stuttgart 1997.
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