Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Estland
Estland⃟ Fläche: 45 227 km2
Einwohner: (1997) 1,46 Mio.
Hauptstadt: Tallinn (Reval)
Amtssprache: Estnisch
Nationalfeiertag: 24. 2.
Währung: 1 Estn. Krone (ekr) = 100 Senti
Zeitzone: OEZ
(estn. Eesti, amtl. Eesti Vabariik; dt. Rep. E.), Staat in NO-Europa, grenzt im W an die Rigaer Bucht, im N an den Finn. Meerbusen, im O mit dem Peipussee an Russland, im S an Lettland.
Staat und Recht: Nach der am 28. 6. 1992 durch Referendum gebilligten Verf. ist E. eine unabhängige Rep. mit parlamentar. Reg.system. Der mit weit reichenden Befugnissen ausgestattete Präs. (auf fünf Jahre vom Parlament gewählt) ist Staatsoberhaupt und oberster Befehlshaber der Streitkräfte. Die Legislative liegt bei der Staatsversammlung (101 Abg.), die auch den MinPräs. wählt. Einflussreichste Parteien und Bewegungen: Moderate Partei (ein Zusammenschluss aus Sozialdemokraten und Agrariern), Estn. Nat. Unabhängigkeitspartei, Volksfront E., Estn. Bürgerallianz. - E. ist verwaltungsmäßig in 15 Rayons und sechs republiksunmittelbare Städte gegliedert.
Landesnatur: E. liegt im NW der Osteurop. Ebene und umfasst das nördl. Baltikum. Die glazial geformte, teils flache, teils hügelige, zu 90 % unter 100 m ü. M. gelegene Oberfläche ist mit Sumpfland (über 20 % der Fläche) und Seen (Peipussee, Võrtsjärv) durchsetzt. Im SO treten isolierte kuppige Erhebungen (Endmoränen) auf (bis 318 m ü. M.). Der stark gegliederten, buchtenreichen Küste sind etwa 1 520 Inseln vorgelagert; die größten sind Saaremaa (Ösel), Hiiumaa (Dagö), Muhu (Moon) und Vormsi (Worms). Die Küste fällt in einer steilen Kalksteinstufe, dem Glint, zum Finn. Meerbusen ab. Das Klima ist maritim und beeinflusst die heißen Sommer und kalten Winter. Die jährl. mittlere Niederschlagsmenge liegt zw. 500 und 700 mm. Etwa 35 % der Gesamtfläche sind bewaldet (v. a. Kiefern, Fichten und Birken). In E. bestehen vier Naturschutzgebiete und ein Nationalpark.
Bevölkerung: 1995 waren von den Bewohnern 63,9 % Esten, 29,0 % Russen, 2,7 % Ukrainer, 1,6 % Weißrussen, 1,0 % Finnen sowie 1,8 % Angehörige anderer Nationalitäten. Seit 1990 ist eine negative Bev.entwicklung festzustellen, die in erster Linie auf die wachsende Emigration russ. Bev.gruppen zurückzuführen ist. E. ist der am dünnsten besiedelte balt. Staat; die seit Jahren andauernde Landflucht hat zu einem hohen Verstädterungsgrad von (1996) 73 % geführt. Von den Gläubigen gehören die meisten der evang.-luth. und der methodist. Kirche an; etwa 20 % der orth. Kirche. Das Schulwesen ist traditionell gut ausgebaut, es besteht eine neunjährige Schulpflicht. Neben der Estn. Akademie der Wiss. gibt es eine Univ. (gegr. 1632) in Tartu und acht weitere Hochschulen.
Wirtschaft, Verkehr: Die Mehrzahl der Betriebe wurde seit 1993 privatisiert. Die wirtsch. Entwicklung wird durch die Einfuhr devisenträchtiger Brennstoffe (Erdöl, -gas) und Elektroenergie, v. a. aus Russland, erschwert. Wichtigster Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft mit dem Anbau von Kartoffeln, Futterpflanzen, Getreide, Flachs sowie mit Milchvieh-, Schweinezucht, Schaf- und Geflügelhaltung. Die Nahrungsmittelind. (bes. Milch-, Fleisch-, Fischverarbeitung) ist wertmäßig mit einem Drittel an der Ind.produktion beteiligt. Große Bedeutung hat die Hochseefischerei. Die Phosphorite bei Tallinn werden zur Herstellung von Düngemitteln genutzt. Die mächtigen Ölschiefervorkommen im NO sind die wichtigste einheim. Energiequelle, z. T. bilden sie auch die Grundlage großer chem. Betriebe. Aus den alten Textilmanufakturen entstand in Narva und Tallinn die Baumwollindustrie. Wichtige Zweige sind außerdem der Bau elektro-, rundfunktechn. und elektron. Anlagen, der Maschinen- und Schiffbau, die Holzverarbeitung, Leder- und Papierindustrie. Ausgeführt werden Baumwollgewebe, Nahrungsmittel, Elektrogeräte, Ober- und Untertrikotagen, eingeführt Roh- und Brennstoffe, Maschinen und Ind.anlagen sowie Fahrzeuge. Die wichtigsten Handelspartner sind Finnland, Russland, Dtl., Schweden und die Niederlande. - E. verfügt über ein dichtes Verkehrswegenetz. Das Autostraßennetz ist 43 835 km, das Eisenbahnnetz 1 021 km lang. 80 % des Außenhandels von E. gehen über den Hochseehafen Tallinn. Hier befindet sich auch der bedeutendste internat. Flughafen. Nat. Fluggesellschaft ist die Estonian Air. An der Ostseeküste liegen mehrere Bade- und Kurorte, bes. Pärnu, Haapsalu und Kuressaare (auf der Insel Saaremaa).
Geschichte: Das heutige Gebiet von E., das erst nach dem Ersten Weltkrieg Eigenstaatlichkeit erhielt, entstand aus der histor. Provinz E. (urspr. nur der nördl. Landesteil) und dem 1918 angeschlossenen, vorwiegend von Esten besiedelten N-Livland.Im 11. Jh. unternahm der Kiewer Fürst Jaroslaw der Weise Feldzüge in das südöstl. Estland. 1207-27 unterwarfen Deutsche (Schwertbrüderorden) und Dänen die Esten und christianisierten sie. 1346 verkaufte Waldemar IV. den dän. Anteil am estn. Gebiet an den Dt. Orden. 1561 kam E. an Schweden. 1584 wurden die vier Landschaften Harrien, Wierland, Jerwen und Wiek zum Herzogtum »Esthen« erhoben. Die Herrschaft der Schweden wurde erst durch den Sieg des russ. Kaisers Peter I. über den schwed. König Karl XII. im 2. Nord. Krieg (1700-21) beendet (Frieden von Nystad, 1721). Unter russ. Herrschaft wurde die autonome Stellung E.s (zunächst noch bed. Rolle der dt. Ritterschaft) zunehmend abgebaut; im 19. Jh. setzte eine starke Russifizierungspolitik ein. Industrialisierung und Urbanisierung förderten den Zuzug estn. Arbeitskräfte und vergrößerten den estn. Bevölkerungsanteil in den Städten. Nach Ausbruch der russ. Revolution von 1905 kam es im Baltikum zu bes. schweren Unruhen, die von der Reg. blutig niedergeschlagen wurden. Unter der Provisor. Reg. Russlands konnten estn. Politiker 1917 die administrative Zusammenlegung des Gouv. E. mit N-Livlandund den Inseln erreichen. Mit der Oktoberrevolution von 1917 kam in Reval eine bolschewist. Räte-Reg. an die Macht, während die bürgerl. Kreise nun nach einer Loslösung von Russland strebten. In der Nacht vom 24. 2. zum 25. 2. 1918 nutzte man die kurze Frist zw. dem Abzug der Bolschewiki aus Reval und dem Einmarsch der Deutschen, um die Unabhängigkeit E.s zu proklamieren. Nach der Kapitulation Dtl.s im Ersten Weltkrieg wurde E. erneut von der Roten Armee besetzt. Es gelang jedoch der jungen estn. Armee im Verband mit finn. Freiwilligen und einem Baltenregiment, bis zum ersten Jahrestag der estn. Staatsgründung das gesamte Land unter ihre Kontrolle zu bringen. Im russ. Bürgerkrieg setzte sich der »weiße« russ. General N. N. Judenitsch mit seinen antibolschewist. Kräften in E. fest (Reval war Sitz einer »Nordwestruss. Reg.«), löste aber seine Truppen auf, nachdem 1919 ein Angriff auf Petrograd (heute Sankt Petersburg) gescheitert war. Im Frieden von Dorpat (2. 2. 1920) erkannte das bolschewist. Russland die staatl. Unabhängigkeit E.s an. Mit der Enteignung des Großgrundbesitzes (1919), der sich zu einem großen Teil in der Hand der Baltendeutschen befand, wurde deren alte Vormachtstellung in E. gebrochen. 1920 gab sich E. eine demokrat. Verf.; mit einem Ges. zur Kulturselbstverwaltung (12. 5. 1925) erhielten die nat. Minderheiten (Deutsche, Russen und Schweden) eine weitgehende kulturelle Autonomie. Nach einem Staatsstreich (1934) errichtete Päts, gestützt auf die konservative Bauernpartei, ein autoritäres Reg.system, das mit der Präsidialverf. vom 3. 9. 1937 seine endgültige Form erhielt. Päts wurde 1938 Staatspräsident. Dtl., das am 7. 6. 1939 mit E. einen Nichtangriffspakt geschlossen hatte, überließ im Hitler-Stalin-Pakt (23. 8. 1939) E. und die anderen balt. Staaten der sowjet. Einflusssphäre. Im Juni 1940 besetzten sowjet. Truppen E., das am 6. 8. 1940 als Estn. SSR in die UdSSR eingegliedert wurde. Umfangreiche sowjet. Deportationen (1941 und nach 1944) sowie die dt. Besetzung (1941-44) trafen v. a. die estn. Intelligenz und die Bauern. Zugleich kam es infolge einer gesteigerten Ansiedlung von unionsweiten Ind.betrieben zur forcierten Ansiedlung von Russen.
Im Zeichen der von M. S. Gorbatschow in der UdSSR eingeleiteten gesellschaftl. Reformen bildete sich 1988 eine »Volksfront«, die die staatl. Unabhängigkeit E.s durchsetzen wollte. Ein 1989 erlassenes Wahl-Ges. wies den im Land lebenden Russen eine Minderheitenposition zu. Nach dem Wahlsieg der »Volksfront« bei den Parlamentswahlen vom 18. 3. 1990 proklamierte E. am 30. 3. 1990 den stufenweisen Übergang zur Unabhängigkeit, was zum Konflikt mit der sowjet. Unionsregierung führte. Am 8. 5. 1990 setzte das Parlament Teile der Verf. von 1938 wieder in Kraft und benannte die Estn. SSR in »Republik E.« um. Gemeinsam mit Lettland und Litauen unterzeichnete E. am 12. 5. 1990 ein Abkommen zur Neugründung des bereits 1934-40 existierenden »Balt. Rates«. Nachdem im Zusammenhang mit dem Putschversuch reformfeindl. Kräfte der KPdSU in Moskau sowjet. Truppen auch in die estn. Republik einmarschiert waren, erklärte E. am 20. 8. 1991 seine Unabhängigkeit. Am 17. 9. 1991 wurde E. in die UNO aufgenommen. Nach der Annahme einer neuen Verf. durch ein Referendum am 28. 6. 1992 fanden am 20. 9. 1992 unter Ausschluss der nichtestn. Bev. (rd. ein Drittel, v. a. Russen) Wahlen statt, aus denen das nat.-konservative Parteienbündnis »Vaterland« als stärkste Parlamentsfraktion hervorging. Im Okt. 1992 wurde L. Meri (»Vaterland«) Staatspräs. (1996 im Amt bestätigt). Nach Unterzeichnung eines Abkommens durch Meri und B. N. Jelzin verließen Ende Aug. 1994 die letzten 2 000 russ. Soldaten das Land. 1992-94 war Mart Laar MinPräs, dessen Kabinett im Zusammenhang mit einem Finanzskandal vom Parlament durch ein Misstrauensvotum gestürzt wurde. Nachfolger als Reg.-Chef wurde Andres Tarand (1994/95), den nach den Parlamentswahlen vom März 1995 Tiit Vähi als MinPräs einer Reg. aus Koalitionspartei, Bauernunion und Zentrumspartei ablöste. Nach dem Rücktritt Vähis (1997) stand Mart Siimann (Koalitionspartei) an der Spitze einer Minderheits-Reg. Aus den Parlamentswahlen vom März 1999 gingen die Mitte-Rechts-Parteien erfolgreich hervor; M. Laar wurde danach erneut Reg.-Chef.Außenpolitisch sucht E., das von Russland nach wie vor zu dessen Einflusssphäre gezählt wird, Anlehnung an die Demokratien Europas. 1993 wurde es Mitgl. des Europarates, trat 1994 dem NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden« bei und schloss 1995 mit der EG ein Assoziierungsabkommen; am 4. 12. 1995 stellte das Land einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union. - Die orth. Kirche E.s löste sich 1996 aus der Gefolgschaft des Patriarchats von Moskau und unterstellte sich der Jurisdiktion des Ökumen. Patriarchen von Konstantinopel.
▣ Literatur:
B. Meissner. Die balt. Nationen. E., Lettland, Litauen, hg. v. Köln 21991.
⃟ Hartmann, U. u. Winkel, A.: E. Zurück in Europa. Karlsruhe 1992.
⃟ Ludwig, K.: Das Baltikum. E., Lettland, Litauen. München 31992.
⃟ Rajangu, V.: Das Bildungswesen in E. Köln u. a. 1993.
⃟ Karin, T.: E. Kulturelle u. landschaftl. Vielfalt in einem histor. Grenzland zwischen Ost u. West. Köln 1995.
Einwohner: (1997) 1,46 Mio.
Hauptstadt: Tallinn (Reval)
Amtssprache: Estnisch
Nationalfeiertag: 24. 2.
Währung: 1 Estn. Krone (ekr) = 100 Senti
Zeitzone: OEZ
(estn. Eesti, amtl. Eesti Vabariik; dt. Rep. E.), Staat in NO-Europa, grenzt im W an die Rigaer Bucht, im N an den Finn. Meerbusen, im O mit dem Peipussee an Russland, im S an Lettland.
Staat und Recht: Nach der am 28. 6. 1992 durch Referendum gebilligten Verf. ist E. eine unabhängige Rep. mit parlamentar. Reg.system. Der mit weit reichenden Befugnissen ausgestattete Präs. (auf fünf Jahre vom Parlament gewählt) ist Staatsoberhaupt und oberster Befehlshaber der Streitkräfte. Die Legislative liegt bei der Staatsversammlung (101 Abg.), die auch den MinPräs. wählt. Einflussreichste Parteien und Bewegungen: Moderate Partei (ein Zusammenschluss aus Sozialdemokraten und Agrariern), Estn. Nat. Unabhängigkeitspartei, Volksfront E., Estn. Bürgerallianz. - E. ist verwaltungsmäßig in 15 Rayons und sechs republiksunmittelbare Städte gegliedert.
Landesnatur: E. liegt im NW der Osteurop. Ebene und umfasst das nördl. Baltikum. Die glazial geformte, teils flache, teils hügelige, zu 90 % unter 100 m ü. M. gelegene Oberfläche ist mit Sumpfland (über 20 % der Fläche) und Seen (Peipussee, Võrtsjärv) durchsetzt. Im SO treten isolierte kuppige Erhebungen (Endmoränen) auf (bis 318 m ü. M.). Der stark gegliederten, buchtenreichen Küste sind etwa 1 520 Inseln vorgelagert; die größten sind Saaremaa (Ösel), Hiiumaa (Dagö), Muhu (Moon) und Vormsi (Worms). Die Küste fällt in einer steilen Kalksteinstufe, dem Glint, zum Finn. Meerbusen ab. Das Klima ist maritim und beeinflusst die heißen Sommer und kalten Winter. Die jährl. mittlere Niederschlagsmenge liegt zw. 500 und 700 mm. Etwa 35 % der Gesamtfläche sind bewaldet (v. a. Kiefern, Fichten und Birken). In E. bestehen vier Naturschutzgebiete und ein Nationalpark.
Bevölkerung: 1995 waren von den Bewohnern 63,9 % Esten, 29,0 % Russen, 2,7 % Ukrainer, 1,6 % Weißrussen, 1,0 % Finnen sowie 1,8 % Angehörige anderer Nationalitäten. Seit 1990 ist eine negative Bev.entwicklung festzustellen, die in erster Linie auf die wachsende Emigration russ. Bev.gruppen zurückzuführen ist. E. ist der am dünnsten besiedelte balt. Staat; die seit Jahren andauernde Landflucht hat zu einem hohen Verstädterungsgrad von (1996) 73 % geführt. Von den Gläubigen gehören die meisten der evang.-luth. und der methodist. Kirche an; etwa 20 % der orth. Kirche. Das Schulwesen ist traditionell gut ausgebaut, es besteht eine neunjährige Schulpflicht. Neben der Estn. Akademie der Wiss. gibt es eine Univ. (gegr. 1632) in Tartu und acht weitere Hochschulen.
Wirtschaft, Verkehr: Die Mehrzahl der Betriebe wurde seit 1993 privatisiert. Die wirtsch. Entwicklung wird durch die Einfuhr devisenträchtiger Brennstoffe (Erdöl, -gas) und Elektroenergie, v. a. aus Russland, erschwert. Wichtigster Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft mit dem Anbau von Kartoffeln, Futterpflanzen, Getreide, Flachs sowie mit Milchvieh-, Schweinezucht, Schaf- und Geflügelhaltung. Die Nahrungsmittelind. (bes. Milch-, Fleisch-, Fischverarbeitung) ist wertmäßig mit einem Drittel an der Ind.produktion beteiligt. Große Bedeutung hat die Hochseefischerei. Die Phosphorite bei Tallinn werden zur Herstellung von Düngemitteln genutzt. Die mächtigen Ölschiefervorkommen im NO sind die wichtigste einheim. Energiequelle, z. T. bilden sie auch die Grundlage großer chem. Betriebe. Aus den alten Textilmanufakturen entstand in Narva und Tallinn die Baumwollindustrie. Wichtige Zweige sind außerdem der Bau elektro-, rundfunktechn. und elektron. Anlagen, der Maschinen- und Schiffbau, die Holzverarbeitung, Leder- und Papierindustrie. Ausgeführt werden Baumwollgewebe, Nahrungsmittel, Elektrogeräte, Ober- und Untertrikotagen, eingeführt Roh- und Brennstoffe, Maschinen und Ind.anlagen sowie Fahrzeuge. Die wichtigsten Handelspartner sind Finnland, Russland, Dtl., Schweden und die Niederlande. - E. verfügt über ein dichtes Verkehrswegenetz. Das Autostraßennetz ist 43 835 km, das Eisenbahnnetz 1 021 km lang. 80 % des Außenhandels von E. gehen über den Hochseehafen Tallinn. Hier befindet sich auch der bedeutendste internat. Flughafen. Nat. Fluggesellschaft ist die Estonian Air. An der Ostseeküste liegen mehrere Bade- und Kurorte, bes. Pärnu, Haapsalu und Kuressaare (auf der Insel Saaremaa).
Geschichte: Das heutige Gebiet von E., das erst nach dem Ersten Weltkrieg Eigenstaatlichkeit erhielt, entstand aus der histor. Provinz E. (urspr. nur der nördl. Landesteil) und dem 1918 angeschlossenen, vorwiegend von Esten besiedelten N-Livland.Im 11. Jh. unternahm der Kiewer Fürst Jaroslaw der Weise Feldzüge in das südöstl. Estland. 1207-27 unterwarfen Deutsche (Schwertbrüderorden) und Dänen die Esten und christianisierten sie. 1346 verkaufte Waldemar IV. den dän. Anteil am estn. Gebiet an den Dt. Orden. 1561 kam E. an Schweden. 1584 wurden die vier Landschaften Harrien, Wierland, Jerwen und Wiek zum Herzogtum »Esthen« erhoben. Die Herrschaft der Schweden wurde erst durch den Sieg des russ. Kaisers Peter I. über den schwed. König Karl XII. im 2. Nord. Krieg (1700-21) beendet (Frieden von Nystad, 1721). Unter russ. Herrschaft wurde die autonome Stellung E.s (zunächst noch bed. Rolle der dt. Ritterschaft) zunehmend abgebaut; im 19. Jh. setzte eine starke Russifizierungspolitik ein. Industrialisierung und Urbanisierung förderten den Zuzug estn. Arbeitskräfte und vergrößerten den estn. Bevölkerungsanteil in den Städten. Nach Ausbruch der russ. Revolution von 1905 kam es im Baltikum zu bes. schweren Unruhen, die von der Reg. blutig niedergeschlagen wurden. Unter der Provisor. Reg. Russlands konnten estn. Politiker 1917 die administrative Zusammenlegung des Gouv. E. mit N-Livlandund den Inseln erreichen. Mit der Oktoberrevolution von 1917 kam in Reval eine bolschewist. Räte-Reg. an die Macht, während die bürgerl. Kreise nun nach einer Loslösung von Russland strebten. In der Nacht vom 24. 2. zum 25. 2. 1918 nutzte man die kurze Frist zw. dem Abzug der Bolschewiki aus Reval und dem Einmarsch der Deutschen, um die Unabhängigkeit E.s zu proklamieren. Nach der Kapitulation Dtl.s im Ersten Weltkrieg wurde E. erneut von der Roten Armee besetzt. Es gelang jedoch der jungen estn. Armee im Verband mit finn. Freiwilligen und einem Baltenregiment, bis zum ersten Jahrestag der estn. Staatsgründung das gesamte Land unter ihre Kontrolle zu bringen. Im russ. Bürgerkrieg setzte sich der »weiße« russ. General N. N. Judenitsch mit seinen antibolschewist. Kräften in E. fest (Reval war Sitz einer »Nordwestruss. Reg.«), löste aber seine Truppen auf, nachdem 1919 ein Angriff auf Petrograd (heute Sankt Petersburg) gescheitert war. Im Frieden von Dorpat (2. 2. 1920) erkannte das bolschewist. Russland die staatl. Unabhängigkeit E.s an. Mit der Enteignung des Großgrundbesitzes (1919), der sich zu einem großen Teil in der Hand der Baltendeutschen befand, wurde deren alte Vormachtstellung in E. gebrochen. 1920 gab sich E. eine demokrat. Verf.; mit einem Ges. zur Kulturselbstverwaltung (12. 5. 1925) erhielten die nat. Minderheiten (Deutsche, Russen und Schweden) eine weitgehende kulturelle Autonomie. Nach einem Staatsstreich (1934) errichtete Päts, gestützt auf die konservative Bauernpartei, ein autoritäres Reg.system, das mit der Präsidialverf. vom 3. 9. 1937 seine endgültige Form erhielt. Päts wurde 1938 Staatspräsident. Dtl., das am 7. 6. 1939 mit E. einen Nichtangriffspakt geschlossen hatte, überließ im Hitler-Stalin-Pakt (23. 8. 1939) E. und die anderen balt. Staaten der sowjet. Einflusssphäre. Im Juni 1940 besetzten sowjet. Truppen E., das am 6. 8. 1940 als Estn. SSR in die UdSSR eingegliedert wurde. Umfangreiche sowjet. Deportationen (1941 und nach 1944) sowie die dt. Besetzung (1941-44) trafen v. a. die estn. Intelligenz und die Bauern. Zugleich kam es infolge einer gesteigerten Ansiedlung von unionsweiten Ind.betrieben zur forcierten Ansiedlung von Russen.
Im Zeichen der von M. S. Gorbatschow in der UdSSR eingeleiteten gesellschaftl. Reformen bildete sich 1988 eine »Volksfront«, die die staatl. Unabhängigkeit E.s durchsetzen wollte. Ein 1989 erlassenes Wahl-Ges. wies den im Land lebenden Russen eine Minderheitenposition zu. Nach dem Wahlsieg der »Volksfront« bei den Parlamentswahlen vom 18. 3. 1990 proklamierte E. am 30. 3. 1990 den stufenweisen Übergang zur Unabhängigkeit, was zum Konflikt mit der sowjet. Unionsregierung führte. Am 8. 5. 1990 setzte das Parlament Teile der Verf. von 1938 wieder in Kraft und benannte die Estn. SSR in »Republik E.« um. Gemeinsam mit Lettland und Litauen unterzeichnete E. am 12. 5. 1990 ein Abkommen zur Neugründung des bereits 1934-40 existierenden »Balt. Rates«. Nachdem im Zusammenhang mit dem Putschversuch reformfeindl. Kräfte der KPdSU in Moskau sowjet. Truppen auch in die estn. Republik einmarschiert waren, erklärte E. am 20. 8. 1991 seine Unabhängigkeit. Am 17. 9. 1991 wurde E. in die UNO aufgenommen. Nach der Annahme einer neuen Verf. durch ein Referendum am 28. 6. 1992 fanden am 20. 9. 1992 unter Ausschluss der nichtestn. Bev. (rd. ein Drittel, v. a. Russen) Wahlen statt, aus denen das nat.-konservative Parteienbündnis »Vaterland« als stärkste Parlamentsfraktion hervorging. Im Okt. 1992 wurde L. Meri (»Vaterland«) Staatspräs. (1996 im Amt bestätigt). Nach Unterzeichnung eines Abkommens durch Meri und B. N. Jelzin verließen Ende Aug. 1994 die letzten 2 000 russ. Soldaten das Land. 1992-94 war Mart Laar MinPräs, dessen Kabinett im Zusammenhang mit einem Finanzskandal vom Parlament durch ein Misstrauensvotum gestürzt wurde. Nachfolger als Reg.-Chef wurde Andres Tarand (1994/95), den nach den Parlamentswahlen vom März 1995 Tiit Vähi als MinPräs einer Reg. aus Koalitionspartei, Bauernunion und Zentrumspartei ablöste. Nach dem Rücktritt Vähis (1997) stand Mart Siimann (Koalitionspartei) an der Spitze einer Minderheits-Reg. Aus den Parlamentswahlen vom März 1999 gingen die Mitte-Rechts-Parteien erfolgreich hervor; M. Laar wurde danach erneut Reg.-Chef.Außenpolitisch sucht E., das von Russland nach wie vor zu dessen Einflusssphäre gezählt wird, Anlehnung an die Demokratien Europas. 1993 wurde es Mitgl. des Europarates, trat 1994 dem NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden« bei und schloss 1995 mit der EG ein Assoziierungsabkommen; am 4. 12. 1995 stellte das Land einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union. - Die orth. Kirche E.s löste sich 1996 aus der Gefolgschaft des Patriarchats von Moskau und unterstellte sich der Jurisdiktion des Ökumen. Patriarchen von Konstantinopel.
▣ Literatur:
B. Meissner. Die balt. Nationen. E., Lettland, Litauen, hg. v. Köln 21991.
⃟ Hartmann, U. u. Winkel, A.: E. Zurück in Europa. Karlsruhe 1992.
⃟ Ludwig, K.: Das Baltikum. E., Lettland, Litauen. München 31992.
⃟ Rajangu, V.: Das Bildungswesen in E. Köln u. a. 1993.
⃟ Karin, T.: E. Kulturelle u. landschaftl. Vielfalt in einem histor. Grenzland zwischen Ost u. West. Köln 1995.