Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Erdöl
Erdöl(engl. Petroleum), helles bis schwarzgrünes, flüssiges Gemisch versch. Kohlenwasserstoffe mit meist kleinen Anteilen an organ. und anorgan. Nichtkohlenwasserstoffen unterschiedl. Zusammensetzung. E. ist weltweit der wichtigste Primärenergieträger (rd. 37 % des Weltenergiebedarfs) und Rohstoff für die Petrochemie. Es bildet sich unter anaeroben Verhältnissen aus abgestorbenem tier. und pflanzl. Plankton, das in schlecht belüfteten reduzierten (durch Schwefelwasserstoff) marinen Ablagerungsräumen oder auch in gut durchlüftetem Wasser unter der Oberfläche feinklast. Sedimente, v. a. im Bereich des Kontinentalschelfs, angereichert und unter Mithilfe von Bakterien chemisch umgebildet wird (Faulschlamm). Aus diesem vorwiegend tonigen E.-Muttergestein lässt sich E. nicht gewinnen; es weicht durch Wanderung (Migration) in poröse und klüftige Speichergesteine aus, wo es sich unter undurchlässigen Deckschichten in E.-Fallen zu Lagerstätten anreichert. Häufige E.-Lagerstätten befinden sich in Schichtsätteln (Antiklinalen), an Verwerfungen und Diskordanzen sowie an den Flanken und dem Dach von Salzstöcken. Im Idealfall sammelt sich im höchsten Teil der Struktur Erdgas (Gaskappe) an, darunter das vom Randwasser unterlagerte E. Solche geolog. Strukturen sucht man in »ölhöffigen« Sedimentgesteinen mit geophysikal. Aufschlussverfahren von der Erdoberfläche aus festzustellen. Durch Aufschluss-(Prospektions-)Bohrungen wird die Struktur »abgebohrt«, durch geophysikal. Bohrlochmessung werden die physikal. Eigenschaften der Gesteine bestimmt. Bei positivem Befund wird aufgrund dieser Ergebnisse eine Förder-(Produktions-)Bohrung abgeteuft.Förderung: Erdöllager werden durch Tiefbohrung (Bohren) erschlossen, auch durch Unterwasserbohrungen (Offshoretechnik). Primäre Gewinnungsmethoden (Primärverfahren) nutzen den natürl. Lagerstättendruck, der v. a. durch sich aus dem E. lösende und ausdehnende Gase erzeugt wird. Der Ausbeutegrad der Lagerstätte (Entölungsgrad) liegt in diesem Fall zw. 10 und 30 %. Bei Sekundärverfahren wird der Lagerstättendruck durch Injektion von Wasser (Wasserfluten) oder Erdgas (Gaslift) aufrechterhalten und damit der Entölungsgrad auf etwa 30-40% erhöht. Der Entölungsgrad kann durch Tertiärverfahren weiter verbessert werden, bei denen dem Flutwasser Tenside (Tensidfluten) oder Polyelektrolyte (Polymerfluten) zugesetzt werden oder bei denen Dampf oder Kohlendioxid (Dampf- oder Kohlendioxidfluten) in die Lagerstätte injiziert wird. Von den Tertiärverfahren hat das Dampffluten bisher die größte Bedeutung. Zur Aufbereitung (Reinigung) des geförderten Nassöls werden Erdgas, Wasser und Feststoffe (Salze, Schlamm) durch therm., mechan. und chemisch-physikal. Behandlung abgetrennt. Das Rohöl wird in Tanks gesammelt und durch Ölleitungen (Pipelines) zum Verarbeitungsort oder zum Ausfuhrhafen befördert. Zur Beförderung auf dem Wasserweg dienen Tanker.Verarbeitung: Das Rohöl wird in Raffinerien durch fraktionierte Destillation (in turmartigen Destillierkolonnen) in seine versch. hoch siedenden Anteile zerlegt. Die Destillate werden gekrackt (Cracken) und gereinigt, wodurch man versch. Benzine, Dieselöle, Leichtöle, Schmieröle, Paraffin und Asphaltbitumen erhält.Die Entwicklung der E.-Ind. begann Mitte des 19. Jh. mit der Erschließung und der planmäßigen Ausbeutung größerer E.-Felder: in den USA (Pennsylvania, Texas), in Russland (Baku), in Rumänien u. a. Seit 1900 wurden neue Felder erschlossen (Mexiko, Naher Osten, Sahara); das E. wurde zum wichtigsten Energieträger und bedeutendsten Rohstoff für die organisch-chem. Industrie. Um bessere Konzessionsbedingungen und höhere E.-Preise zu erreichen, schlossen sich die Förderländer 1960 zur OPEC, die arab. Erdöl exportierenden Länder 1968 zur OAPEC zusammen, der die leistungsfähigsten Lieferländer angehören. Da alle Ind.länder auf den E.-Import angewiesen sind, ist heute E. das wichtigste Welthandelsprodukt. Die beiden »Energiekrisen« 1973/74 und 1979/80 lösten Preisschübe des Rohstoffs E. aus, weshalb die Öl importierenden Länder die Importmenge durch Sparmaßnahmen und Förderung anderer Energieträger zu reduzieren suchten. Nach 1980 nahm der bis dahin stets zunehmende Verbrauch erstmals ab, bis 1986 durch Wachstum des Verkehrs und der Ind.-Produktion v. a. in den ostasiat. Schwellenländern wieder eine Steigerung zu verzeichnen war. Nach der Klimarahmenkonvention von Rio (in Kraft seit 1994) mit dem Ziel der CO2-Einsparung muss der Verbrauch speziell der Ind.länder in den nächsten Jahren überproportional zurückgehen. Die Weltförderung betrug 1997 3,508 Mrd. t; der größte Teil (rd. 29 %) stammt aus den Ländern des Nahen Ostens. Die wichtigsten Förderstaaten (Angabe in Mio. t) sind Saudi-Arabien (425,9), die USA (398,1) und die GUS (357,7). - 1997 wurden in Dtl. 2,8 Mio. t gefördert. Die Ölfelder liegen im Raum Hannover, Emsland, Weser-Ems-Gebiet, Schlesw.-Holst., Alpenvorland, Oberrheintal (Hess. Ried).
Literatur:
G. Pusch Die Energierohstoffe E. u. Erdgas. Vorkommen, Erschließung, Förderung, bearb. v. u. a. Berlin 1995.
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