Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Erdinneres
Erdinneres, da die tiefsten Bohrlöcher nicht einmal ein Prozent der Entfernung bis zum Erdmittelpunkt erreichen, ist man bei der Erforschung des überwiegenden Teils des E. auf indirekte, v. a. seism. Verfahren angewiesen. Die Auswertung von Erdbebenwellen hat ergeben, dass das E. aus mehreren Schalen aufgebaut ist. Man nimmt drei Schalen an, Kruste, Mantel und Kern. Über ihren Inhalt bestehen z. T. unterschiedl. Auffassungen.Bei der Erdkruste unterscheidet man zwei versch. Bautypen, die kontinentale Kruste im Bereich der Kontinente und die ozean. Kruste im Bereich der Tiefsee des Atlant., Ind. und Pazif. Ozeans. Die kontinentale Kruste schließt den Schelf mit ein; im Mittel ist sie 30-45 km dick, kann aber unter Gebirgen 50-60 km Mächtigkeit erreichen (hier spricht man von Gebirgswurzel). Sieht man von den insgesamt gesehen wenig mächtigen Sedimenten ab, besteht sie aus zwei Schichten. Die obere Schicht weist hauptsächlich Silicium-Aluminium-Verbindungen auf und wird als Sial bezeichnet. Da Granite u. a. saure Tiefen-, saure Erguss- und saure metamorphe Gesteine (v. a. Gneis) vorherrschen, spricht man auch von einer Granit- oder Gneisschicht. Durch eine seism. Unstetigkeitsfläche (Sprungfläche), die Conrad-Diskontinuität, ist sie von der darunter lagernden Schicht getrennt. Diese setzt sich überwiegend aus Silicium-Magnesium-Verbindungen zusammen und wird als Sima bezeichnet, nach den vorherrschenden bas. Gesteinen auch Basalt- oder Gabbroschicht. In der ozean. Kruste fehlt die obere Schicht, hier bildet also die untere Schicht den von mehr oder weniger geringmächtigen Sedimenten bedeckten Tiefseeboden.
Die Temperatur in der Erdkruste nimmt mit der Tiefe zu, in größerer Tiefe aber sicher in geringerem Maße, als es der geotherm. Tiefenstufe entspricht. Die spezif. Dichte der oberen Kruste beträgt 2,7 g/cm3, die der unteren Kruste 3,0 g/cm3. Da die mittlere Dichte der gesamten Erde 5,5 g/cm3 ausmacht, müssen die Werte für das tiefere Erdinnere wesentlich höher liegen. Das Material der Erdkruste ist fest und verhält sich spröde gegenüber Erschütterungen (diese Eigenschaft führt zu Erdbeben). In der unteren Erdkruste sind wahrscheinlich kleinere Areale glutflüssigen Magmas vorhanden. Der Erdmantel wird durch eine weitere seism. Unstetigkeitsfläche, die Mohorovičić-Diskontinuität (kurz Moho genannt), von der Erdkruste getrennt. Der Erdmantel ist 2 800-2 900 km dick. Seine äußere, im Durchschnitt bis in etwa 60 km Tiefe reichende, aber sehr verschiedenmächtige Zone besteht aus einem ultrabas. Material; das ihm entsprechende, an die Erdoberfläche gelangte Gestein ist Peridotit; man spricht deshalb von der Peridotitschicht. Diese ähnelt dem Sima und wird oft auch als Ultrasima bezeichnet. Das Material verhält sich gegenüber Erdbebenwellen wie ein fester elast. Körper und reagiert auf langsame Bewegungen wie eine viskose Flüssigkeit. Daher ist entsprechend den Vorstellungen von der Isostasie der Erdkruste vermutlich die Peridotitschicht am isostat. Gleichgewicht beteiligt.
In 100-300 km Tiefe ist der obere Erdmantel von einer Zone durchsetzt, in der die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erdbebenwellen sprunghaft zurückgeht. Diese Low-Velocity-Zone oder Asthenosphäre ist fast schmelzflüssig, da hier die Temperatur gerade so hoch und der Druck niedrig genug ist, dass das Erdmantelmaterial zum kleinen Teil aufgeschmolzen und daher weniger fest ist. Der Bereich oberhalb der Asthenosphäre, d. h. die oberste Erdmantelschicht und die Erdkruste ist zusammengefasst die Lithosphäre. Sie besteht aus einer Reihe mehr oder weniger starrer »Platten«, die sich von den großen mittelozean. Rücken aus auf der Asthenosphäre bewegen. Als Antriebsmittel der Bewegung dienen die aus den Zentralspalten der mittelozean. Rücken austretenden basalt. Schmelzen der Asthenosphäre, aber auch die innerhalb der Asthenosphäre zirkulierenden therm. Ausgleichsströmungen (Konvektionsströmungen). Durch Subduktion wird der Asthenosphäre wieder Lithosphärenmaterial zugeführt (Plattentektonik).
Unter dem oberen Mantel folgt in 400-900 km Tiefe eine Übergangszone mit deutlich höherer Geschwindigkeit der Erdbebenwellen. Die stoffl. Zusammensetzung ist hier wahrscheinlich die gleiche wie im oberen Mantel. Durch den höheren Druck ist aber das dort im Peridotit vorherrschende Mineral Olivin wahrscheinlich durch den kompakter gebauten Spinell ersetzt, ab 650-670 km Tiefe durch das ausgesprochene Hochdruckmineral Perowskit. Für den unteren Bereich des Erdmantels nimmt man eine Zusammensetzung aus Sulfiden und Oxiden oder bas. Silikaten, Eisen und Schwermetallen an. Die Temperatur nimmt im Erdmantel von 1 400 ºC an der Obergrenze bis zur Untergrenze in 2 900 km Tiefe auf 3 000 ºC zu, die Dichte von 3,3 auf 5,7 g/cm3.Der Erdkern hat einen Durchmesser von rd. 7 000 km. Über seinen Aufbau herrscht am wenigsten Gewissheit. Viele nehmen an, dass er aus Nickel und Eisen (Nife) besteht, und unterscheiden einen äußeren Kern von 2 200 km Mächtigkeit mit Temperaturen von 3 000-5 000 ºC (vielleicht auch bis über 5 000 ºC) und einer Dichte von 9,4 g/cm3 sowie einem inneren Kern mit Temperaturen bis zu 7 000 ºC und einer Dichte von 11-13,5 g/cm3; trotz dieser hohen Temperaturen ist der innere Kern wegen des hohen Drucks möglicherweise fest. Der äußere Kern verhält sich dagegen sowohl gegenüber den Gezeitenkräften wie den kurzperiod. Erdbebenwellen wie eine Flüssigkeit; in ihm gibt es eine Konvektionsströmung, die Ursache des erdmagnet. Feldes ist. Nach anderer Ansicht soll der Erdkern aus einer an Wasserstoff und Helium stark verarmten Sonnenmaterie bestehen, d. h. einem sehr heißen, unter hohem Druck stehenden, vollständig ionisierten Gas, einem Plasma. Dieses verhält sich Erdbebenwellen gegenüber wie ein fester Körper.
Literatur:
Wille, H. H.: Vorstoß ins Innere der Erde. Leipzig 31982.
Albrecht, J.: Ins Innere der Erde. Braunschweig 1992.
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