Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Entnazifizierung
Entnazifizierung,Maßnahmen der alliierten Siegermächte in Dtl. nach 1945 zur möglichst raschen Zerstörung aller nat.-soz. Organisationen und zur Ausschaltung von Nationalsozialisten aus staatl., wirtsch. und kulturellen Schlüsselstellungen. Die E. ist zu unterscheiden von den Prozessen gegen die Kriegsverbrecher (u. a. Nürnberger Prozesse). 1945 auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam beschlossen, wurde die E. bis 1947 in den westl. Besatzungszonen Dtl.s nach dem Alliierten Kontrollrats-Ges. Nr. 10 durch E.-Ausschüsse unter Verantwortung der Besatzungsmacht und mit der Verabschiedung von E.-Gesetzen (1947/48), unter teilweiser Verantwortung der Länder mit unterschiedlich großer Beteiligung dt. Spruchkammern betrieben. Nach 1949 ging sie ganz in dt. Verantwortung über. Die 1945 in der amerikan. Besatzungszone, wo die E. am strengsten durchgeführt wurde, entwickelte Einstufung Beschuldigter wurde im Okt. 1946 auch in den übrigen Zonen verbindlich: 1. Hauptschuldige, 2. Belastete (Aktivisten), 3. Minderbelastete, 4. Mitläufer, 5. Entlastete. Sanktionen waren u. a. Freiheitsentzug, Vermögenseinziehung, Berufsverbot, Amts- oder Pensionsverlust, Geldbuße, Verlust des Wahlrechts. Insgesamt waren in den westl. Besatzungszonen 6,08 Mio. Menschen von der E. betroffen, über 95 % wurden als Entlastete oder Mitläufer eingestuft. 1951-54 wurden in den einzelnen Ländern die E.-Schlussgesetze erlassen (zuletzt in Bayern). - In der Sowjet. Besatzungszone benutzte die UdSSR die E. zur Ausschaltung von Adel und Besitzbürgertum als politisch wirksame Faktoren. Bis Aug. 1947 wurden über 800 000 frühere NSDAP-Mitgl. überprüft, etwa 500 000 verloren ihren Arbeitsplatz. Politischer Straftaten verdächtige Personen wurden von Sonderkammern der Landgerichte verurteilt (Höhepunkt: »Waldheimer Prozesse« 1950). Die Mitläufer der NSDAP sahen sich v. a. dann von Sühnemaßnahmen befreit, wenn sie sich - öffentlich erkennbar - zur Politik der Besatzungsmacht und der SED bekannten. Im Zuge der E. entledigten sich Besatzungsmacht und SED auch zahlreicher politisch anders Denkender (u. a. Einweisung in Internierungslager). - In Österreich begann die E. mit dem Verbots-Ges. vom 8. 5. 1945, das die NSDAP und ihre Gliederungen verbot und für deren Mitgl. Registrierung und Sühnefolgen anordnete (beendet mit der »NS-Amnestie« vom 14. 3. 1957). Das Kriegsverbrecher-Ges. vom 26. 6. 1945 berief zur strafrechtl. Verfolgung von nat.-soz. Verbrechen Volksgerichte. Das Nationalsozialisten-Ges. vom 6. 2. 1947 nahm eine Abstufung zw. Belasteten und Minderbelasteten vor.
▣ Literatur:
S. Meissl Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne. E. in Österreich, 1945-1955, hg. v. u. a. München 1986.
⃟ E. Polit. Säuberung u. Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945-1949, hg. v. C. Vollnhals u. T. Schlemmer. München 1991.
⃟ Wille, M.: E. in der Sowjet. Besatzungszone Deutschlands 1945-48. Magdeburg 1993.
Entnazifizierung,Maßnahmen der alliierten Siegermächte in Dtl. nach 1945 zur möglichst raschen Zerstörung aller nat.-soz. Organisationen und zur Ausschaltung von Nationalsozialisten aus staatl., wirtsch. und kulturellen Schlüsselstellungen. Die E. ist zu unterscheiden von den Prozessen gegen die Kriegsverbrecher (u. a. Nürnberger Prozesse). 1945 auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam beschlossen, wurde die E. bis 1947 in den westl. Besatzungszonen Dtl.s nach dem Alliierten Kontrollrats-Ges. Nr. 10 durch E.-Ausschüsse unter Verantwortung der Besatzungsmacht und mit der Verabschiedung von E.-Gesetzen (1947/48), unter teilweiser Verantwortung der Länder mit unterschiedlich großer Beteiligung dt. Spruchkammern betrieben. Nach 1949 ging sie ganz in dt. Verantwortung über. Die 1945 in der amerikan. Besatzungszone, wo die E. am strengsten durchgeführt wurde, entwickelte Einstufung Beschuldigter wurde im Okt. 1946 auch in den übrigen Zonen verbindlich: 1. Hauptschuldige, 2. Belastete (Aktivisten), 3. Minderbelastete, 4. Mitläufer, 5. Entlastete. Sanktionen waren u. a. Freiheitsentzug, Vermögenseinziehung, Berufsverbot, Amts- oder Pensionsverlust, Geldbuße, Verlust des Wahlrechts. Insgesamt waren in den westl. Besatzungszonen 6,08 Mio. Menschen von der E. betroffen, über 95 % wurden als Entlastete oder Mitläufer eingestuft. 1951-54 wurden in den einzelnen Ländern die E.-Schlussgesetze erlassen (zuletzt in Bayern). - In der Sowjet. Besatzungszone benutzte die UdSSR die E. zur Ausschaltung von Adel und Besitzbürgertum als politisch wirksame Faktoren. Bis Aug. 1947 wurden über 800 000 frühere NSDAP-Mitgl. überprüft, etwa 500 000 verloren ihren Arbeitsplatz. Politischer Straftaten verdächtige Personen wurden von Sonderkammern der Landgerichte verurteilt (Höhepunkt: »Waldheimer Prozesse« 1950). Die Mitläufer der NSDAP sahen sich v. a. dann von Sühnemaßnahmen befreit, wenn sie sich - öffentlich erkennbar - zur Politik der Besatzungsmacht und der SED bekannten. Im Zuge der E. entledigten sich Besatzungsmacht und SED auch zahlreicher politisch anders Denkender (u. a. Einweisung in Internierungslager). - In Österreich begann die E. mit dem Verbots-Ges. vom 8. 5. 1945, das die NSDAP und ihre Gliederungen verbot und für deren Mitgl. Registrierung und Sühnefolgen anordnete (beendet mit der »NS-Amnestie« vom 14. 3. 1957). Das Kriegsverbrecher-Ges. vom 26. 6. 1945 berief zur strafrechtl. Verfolgung von nat.-soz. Verbrechen Volksgerichte. Das Nationalsozialisten-Ges. vom 6. 2. 1947 nahm eine Abstufung zw. Belasteten und Minderbelasteten vor.
▣ Literatur:
S. Meissl Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne. E. in Österreich, 1945-1955, hg. v. u. a. München 1986.
⃟ E. Polit. Säuberung u. Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945-1949, hg. v. C. Vollnhals u. T. Schlemmer. München 1991.
⃟ Wille, M.: E. in der Sowjet. Besatzungszone Deutschlands 1945-48. Magdeburg 1993.