Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Enteignung
Enteignung (lat. Expropriation), die teilweise oder völlige Entziehung des Eigentums, rechtlich im Sinne des Bundesverfassungsgerichts die vollständige oder teilweise Entziehung vermögenswerter Rechtspositionen durch einen gezielten hoheitl. Rechtsakt zur Erfüllung bestimmter hoheitl. Aufgaben. Die E. unterscheidet sich von der Konfiskation und der Sozialisierung. Art. 14 GG lässt eine E. nur zum Wohle der Allgemeinheit zu. Sie darf nur durch Gesetze oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Betroffenen zu bestimmen. Während für die Zulässigkeit der E. als solcher die Verwaltungsgerichte zuständig sind, sind Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung von den ordentl. Gerichten zu entscheiden. Eine E. liegt nicht nur dann vor, wenn Eigentum im Sinne des bürgerl. Rechts entzogen wird, auch Rechtspositionen können Gegenstand von E. sein, z. B. ein Rentenanspruch, eine schuldrechtl. Forderung. - Heftig umstritten bleibt die Bestimmung des Einigungsvertrages, die Auswirkungen der so genannten »Bodenreform« in der sowjet. Besatzungszone zw. 1945 und 1949, obwohl mit rechtsstaatl. Maßstäben nicht zu vereinbaren, im Prinzip unangetastet zu lassen (verankert nunmehr auch in Art. 143 Abs. 3 GG). Das Bundesverfassungsgericht hat am 23. 4. 1991 diese Bestimmung für nicht verfassungswidrig erklärt, aber eine Ausgleichsregelung verlangt. Diese soll das Ges. vom 27. 9. 1994 bes. in Form von Schuldverschreibungen bewirken, die den Wert des entzogenen Besitzes i. d. R. bei weitem nicht erreichen und erst ab 2004 einlösbar sind.
In Österreich gelten ähnl. Grundsätze wie in Dtl. (Art. 5 Staatsgrund-Ges., § 365 ABGB). In der Schweiz ist zw. formeller (E. in einem gesetzlich geregelten Verfahren) und materieller (staatl. Eingriff in das Eigentum, das Eigentumsrecht wird jedoch dem Eigentümer belassen) E. zu unterscheiden (beide entschädigungspflichtig).
Literatur:
Riva, E.: Hauptfragen der materiellen E. Bern 1990.
Diekmann, B.: Das System der Rückerstattungstatbestände nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen. Frankfurt am Main u. a. 1992.
Friedlein, A.: Vermögensansprüche in den fünf neuen Bundesländern. Frankfurt am Main u. a. 1992.
Handbuch des Enteignungsrechts, Beiträge v. K. Korinek u. a. Wien u. a. 1994.
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