Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Elfenbeinschnitzerei
Elfenbeinschnitzerei, in Europa seit dem Jungpaläolithikum (z. B. Dolní Věstonice und Vogelherdhöhle), in Vorderasien und Ägypten seit dem 3. Jt. (Ur, Mari) belegte Kleinkunst; im 2. Jt. befanden sich Zentren der E. in Assyrien, Phönikien und Syrien. Die E. wurde von der minoisch-myken. Kultur aus dem Orient übernommen. In der grch. Kunst entstanden im 6. und 5. Jh. v. Chr. riesige Götterstatuen aus Holz, die mit Gold- und Elfenbeinplatten (chryselephantine Bildwerke) verblendet wurden, z. B. die Kultbilder des Phidias. Umfangreich war die E. in der röm., byzantin. und frühchristl. Kunst (Diptychen, Reliquienkästchen u. a.); bedeutendstes Zeugnis ist die Cathedra des Erzbischofs Maximian in Ravenna (um 550, Ravenna, Erzbischöfl. Museum). Eine Erneuerung der E. setzte in der karolingisch-otton. Kunst ein, aus dieser Zeit stammt der Buchdeckel (985-991) des Codex aureus aus Echternach, heute im German. Nationalmuseum Nürnberg. In der Gotik lag das künstler. Zentrum der E. in Frankreich, wo (v. a. in Paris) neben Madonnenstatuetten und Marienaltären bes. Passionsdiptychen und -triptychen angefertigt wurden. Im Manierismus erfuhr die E. eine Wiederbelebung im Kunsthandwerk (Möbelintarsien); im 17. und 18. Jh. fand bes. Kleinplastik sowie Elfenbeindrechslerei Anerkennung; Werke der E. waren fester Bestand fürstl. Kunstkammern (Museum). Mit dem Ende des Rokoko verlor die E. an Bedeutung. Eine Wiederbelebung ging Ende des 19. Jh. von Frankreich und Belgien aus, bes. im Bereich der Kleinplastik. Sie erreichte ihren Höhepunkt im Stil des Art déco. Bed. E. auch in der islam. Kunst (Omaijadenkästchen, Olifantenhörner in fatimid. Stil), in China (Kleinplastik der Ming- und frühen Qingzeit), Japan, Nordamerika (E. aus den Stoßzähnen von Walrossen bei den Eskimo) und bei zahlr. Stämmen in Afrika.
Literatur:
Volbach, W. F.: Elfenbeinarbeiten der Spätantike u. des frühen Mittelalters. Mainz 31976.
Hegemann, H.-W.: Das Elfenbein in Kunst u. Kultur Europas. Ein Überblick von der Antike bis zur Gegenwart. Mainz 1988.
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