Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Elektrizität
Elektrizität [zu grch. e̅́lektron »Bernstein« (da Reibungselektrizität zuerst am Bernstein beobachtet wurde)], alle Erscheinungen, die von elektr. Ladungen und Strömen sowie den damit verbundenen elektr. und magnet. Feldern hervorgerufen werden; i. e. S. die elektr. Ladungen selbst und in der Elektrotechnik bes. die elektr. Energie.Elektrostatik ist die Lehre von den ruhenden elektr. Ladungen und ihren zeitlich unveränderl. Feldern, die die Wechselwirkungen mit der Umgebung beschreibt. In der Natur finden sich zwei Arten elektr. Ladungen (positive und negative Ladungen bzw. E.), die i. d. R. in der Materie gleichmäßig verteilt sind und z. B. in Elektrisiermaschinen voneinander getrennt und gesondert angesammelt werden können. Die zw. elektrisch geladenen Körpern auftretenden elektr. Kräfte bewirken, dass sich gleichnamige Ladungen abstoßen und sich ungleichnamige anziehen (coulombsches Gesetz); diese Kräfte können mit der Drehwaage gemessen werden. In der Umgebung einer Ladung besteht ein elektrisches Feld, in dem jeder Punkt an den unmittelbar benachbarten die Kraftwirkung weitergibt. Die Richtung, in der die Kraft auf eine Probeladung im Feld wirkt, wird durch Kraftlinien (Feldlinien) angegeben. Entlang den Kraftlinien ändert sich die elektr. Feldstärke, deren Betrag man durch die Dichte der Kraftlinien darstellt. Orte gleicher Feldstärken liegen auf zusammenhängenden Flächen, auf denen die potenzielle Energie einer Probeladung konstant ist (Äquipotenzialflächen). Bei Verschiebung einer Ladung Q ändert sich ihre potenzielle Energie um W = Q · U, wobei U die elektr. Potenzialdifferenz oder elektr. Spannung ist. Misst man die Energiedifferenz in Joule (J), die Ladung in Coulomb (C), so ergibt sich die Spannung in Volt (V).
Ein elektr. Feld lässt sich neben der elektr. Feldstärke auch durch die elektrische Flussdichte D beschreiben. Bringt man ins Feld zwei sich zunächst berührende Metallplatten (Kondensator) senkrecht zu den Kraftlinien und zieht sie auseinander, so sind sie gleich, aber mit entgegengesetzten Vorzeichen, geladen. Ist A die Fläche einer Platte des Kondensators und Q die auf ihr befindl. Ladung, so gilt Q/A = D, d. h. der Betrag D der elektr. Flussdichte ist der Flächenladungsdichte der durch Influenz verschobenen Ladung gleich.
In einem Leiter trennen sich Ladungen durch Influenz so lange, bis in ihm kein elektr. Feld mehr besteht, das weitere Ladungen bewegen könnte, sofern in ihm nicht durch dauernde Energiezufuhr eine Potenzialdifferenz aufrechterhalten wird. Ein mit —Q geladener Leiter hält in einer gegenüberstehenden, leitenden Platte die Ladung +Q fest, die negativen Ladungen fließen ab. Im Endzustand haben Leiter und Platte je ein festes Potenzial. Die Potenzialdifferenz U ist proportional zu Q, es gilt: Q = C · U. Die Konstante C, die nur von der geometr. Anordnung der Leiter zueinander abhängt, heißt elektr. Kapazität (Einheit: Farad [F]). Ist der Zwischenraum mit einem Dielektrikum der relativen Dielektrizitätskonstante εr ausgefüllt, multipliziert sich die Vakuumkapazität mit εr.Elektrischer Strom: Ein elektr. Strom entsteht durch die Bewegung von Ladungsträgern (Elektronen, Ionen) in metall. Leitern, Halbleitern, Flüssigkeiten (Elektrolyten), Gasen und im Plasma; seine Stärke, die in der Sekunde durch den Leiter fließende Ladungsmenge, wird als elektr. Stromstärke I bezeichnet und in Ampere gemessen.
Der elektr. Strom kann durch seine magnet. Wirkung (Magnetismus) gemessen werden: Jede bewegte elektr. Ladung wird außer von ihrem elektr. Feld zusätzlich von einem Magnetfeld ringförmig umgeben. Ein Strom, der von Süden nach Norden über eine Magnetnadel geführt wird, lenkt den Nordpol der Nadel nach Westen ab, wenn man als Stromrichtung die vom positiven Pol der Batterie zum negativen festsetzt (konventionelle oder techn. Stromrichtung). Durch ihre Magnetfelder üben zwei Strom führende Leiter Kräfte aufeinander aus (ampèresches Gesetz); dies wird z. B. bei der Definition des Ampere ausgenützt. Ein Zylinder, auf den der Strom führende Draht aufgewickelt ist (Spule), verhält sich wie ein Magnet. Bei rasch hin- und herschwingenden Ladungen, wie sie einem Wechselstrom zugrunde liegen, lassen sich elektr. und magnet. Felder nicht mehr trennen; sie verschmelzen zum elektromagnet. Feld, dessen period. Änderungen als elektromagnetische Wellen erscheinen. - Zur Erzeugung und Aufrechterhaltung elektr. Ströme nutzt man neben elektrochem. Vorgängen (Akkumulator, galvanische Elemente), thermo-, pyro- und piezoelektr. Effekten (Thermo-, Pyro-, Piezo-E.) v. a. die Spannung erzeugende Wirkung veränderl. Magnetfelder (Generator).Die Elektrodynamik ist die Lehre von den zeitlich veränderlichen elektromagnet. Feldern, die mathematisch durch die maxwellsche Theorie beschrieben werden. Die Grundlage bildet die Induktion: In einer Leiterschleife wird eine Spannung induziert, wenn sich der die Schleife durchsetzende magnet. Fluss zeitlich ändert. Während die Induktion auch bei langsam veränderl. Feldern beobachtet werden kann, lässt sich die magnet. Wirkung des Verschiebungsstroms (die zeitl. Änderung der elektr. Flussdichte) nur in schnell veränderl. Feldern beobachten. Im Elektromagnetismus sind die elektr. und magnet. Erscheinungen zusammengefasst.
Literatur:
L. Bergmann Lehrbuch der Experimentalphysik, begr. v. u. C. Schaefer, Bd. 2: E. u. Magnetismus. Berlin u. a. 71987.
Purcell, E. M.: E. u. Magnetismus. A. d. Engl. Braunschweig u. a. 41989.
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