Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Einkommensverteilung
Einkommensverteilung,die Aufteilung des Volkseinkommens entweder auf die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden, wobei das Einkommen aus unselbstständiger Arbeit (Lohn, Gehalt) oder aus Unternehmertätigkeit (Gewinn) bzw. Vermögen (Zins, Rente) zufließt (funktionelle E.), oder auf die Personen bzw. Personengruppen (private Haushalte), die Eigentümer der Produktionsfaktoren sind, ohne Rücksicht auf die Quelle des Einkommens (personelle E.).Eine eindeutige Unterscheidung zw. funktioneller und personeller E. ist mitunter schwierig, weil eine Person aus mehr als einem Produktionsfaktor Einkommen beziehen kann (Querverteilung). Außerdem sind die aus der Einkommensteuerstatistik zu entnehmenden Angaben über Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen wegen der Beeinflussbarkeit der Gewinnhöhe, Variationen der Abschreibungen usw. nur bedingt zuverlässig. Wenn man solche Ungenauigkeit vernachlässigt, kann man sagen, dass die funktionelle E. in den beiden E.-Quoten, der Lohnquote (Anteil der Einkommen aus unselbstständiger Arbeit am Volkseinkommen) und der Gewinnquote (Anteil der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen am Volkseinkommen), zum Ausdruck kommt. Weitere Merkmale, nach denen eine E. vorgenommen werden kann, sind z. B. Wirtschaftsbereiche (sektorale E.), Regionen (regionale E.) und Generationen (intertemporale E.). Die internat. E. meint die Verteilung des Weltsozialprodukts auf versch. Länder oder Ländergruppen.Die E. als grundlegender Bestimmungsfaktor für Armut und Reichtum ist ein Kernproblem der Volkswirtschaftslehre und Grundlage vielfältiger wirtschafts- und sozialpolit. Fragestellungen. Mit der volkswirtsch. Erklärung der E. befasst sich die Distributionstheorie oder Verteilungstheorie. Hierbei wird zw. ökonom. (»Markt«-)Theorien und Machttheorien unterschieden. Nach den Machttheorien wird die E. nicht durch ökonom. Gesetzmäßigkeiten, sondern primär durch außerökonom. Macht der versch. gesellschaftl. Gruppen bestimmt. Vorherrschende wirtschaftswiss. Ansicht ist jedoch, dass prinzipiell die wirtsch. Gesetzmäßigkeiten die E. bestimmen, wobei außerökonom. Machteinflüsse von manchen Ökonomen allerdings nicht ausgeschlossen werden. Die Klassiker der Wirtschaftstheorie wie z. B. D. Ricardo und K. Marx betrachteten die E. als ein Markt- und Preisproblem, gelangten aber zu keiner einheitl. Theorie. Nach Ricardo ist der natürl. Arbeitslohn gleich den Reproduktionskosten der Arbeit (Existenzminimum des Lohnes). Daran anknüpfend geht K. Marx von der Existenz einer besitzlosen Arbeiter- und einer besitzenden Kapitalistenklasse (Mehrwerttheorie) aus. Die Kapitalisten verfügen über das konstante Kapital (die produzierten Produktionsmittel) und kombinieren es mit dem variablen Kapital, d. h. der Arbeit. Die marxsche E. gehört zu den Klassen- und Monopolgradtheorien, die den Profit entweder als Abzug vom natürl. Lohn oder als Aufschlag auf den natürl. Preis zu erklären suchen. Andere Lösungsvorschläge bietet die von J. H. von Thünen und John Bates Clark (* 1847, ✝ 1938) entwickelte Grenzproduktivitätstheorie der E. an. Die neuere Theorie der E. ist durch eine Reihe unterschiedl. Forschungsansätze gekennzeichnet: die soziolog. Richtung in Frankreich, die Monopolgradtheorien (Michał Kalecki, * 1899, ✝ 1970, Erich Preiser, * 1900, ✝ 1967), die kreislauftheoret. Ansätze (N. Kaldor) sowie Versuche, versch. Ansätze miteinander zu verbinden. Für die personelle E. sieht M. Friedman die höhere Risikobereitschaft der Selbstständigen bzw. Unternehmer als Ursache für deren gegenüber abhängig Beschäftigten höheres Einkommen.
Literatur:
Ramser, H. J.: Verteilungstheorie. Berlin u. a. 1987.
Külp, B.: Verteilung. Theorie u. Politik. Stuttgart u. a. 31994.
Hübinger, W.: Prekärer Wohlstand. Neue Befunde zu Armut u. sozialer Ungleichheit. Freiburg im Breisgau 1996.
Zimmermann, H.: Wohlfahrtsstaat zw. Wachstum u. Verteilung. Zu einem grundlegenden Konflikt in Hocheinkommensländern. München 1996.
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