Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Ehescheidung
Ehescheidung,die rechtl. Auflösung einer Ehe. Eine Ehe kann nur durch gerichtl. Urteil auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden (§ 1564 BGB).Das E.-Recht wurde in der Bundesrep. Dtl. zum 1. 7. 1977 durch Ges. entsprechend dem Zerrüttungsprinzip neu gestaltet. Danach kann die Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist, d. h., wenn die Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wieder herstellen. Das Scheitern der Ehe wird unwiderlegbar vermutet, 1) wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und die Scheidung übereinstimmend beantragen; 2) wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben (ein weiteres Zusammenleben, das dem Versuch der Versöhnung dienen soll, unterbricht oder hemmt die Trennungsfristen nicht). In diesem Fall kann auch gegen den Willen eines Ehegatten geschieden werden. Zum Vollzug der Trennung genügt auch eine völlige Trennung der Lebensbereiche in der bisherigen Wohnung. Eines Nachweises des Scheiterns der Ehe im Einzelnen bedarf es nur, wenn diese Vermutungen nicht greifen, d. h., die Ehe kann unabhängig von diesen Fristen geschieden werden, wenn ihre Fortsetzung aus Gründen, die in der Person des anderen Gatten liegen, unzumutbar ist.Einschränkend gilt (Härteklausel des § 1568 BGB): Die Ehe soll nicht geschieden werden, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus ihr hervorgegangenen minderjährigen Kinder ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner aufgrund außergewöhnl. Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint. Dies kann bei schwerer Identitätskrise des Kindes, schwerer Krankheit oder Alleinlassen zu einer Zeit besonderer Schicksalsschläge der Fall sein. Durch die E. entfallen die allg. Wirkungen der Ehe ebenso wie Erb- und Pflichtteilsrechte (diese z. T. schon mit Stellung des Scheidungsantrages § 1933 BGB). Erhalten bleiben Ehenamen (§ 1355 BGB) und in gewissen Grenzen der Unterhaltsanspruch. Grundsätzlich hat jeder Ehegatte nach der E. für sich selbst zu sorgen. Kann ein geschiedener Ehegatte dies nicht, so hat er einen Unterhaltsanspruch, der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten voraussetzt. Wann dies der Fall ist, regelt das Ges. im Einzelnen (§§ 1570 ff. BGB, für die neuen Bundesländer Art. 234, § 5 EGBGB), z. B., wenn von dem geschiedenen Ehegatten wegen Alters, Krankheit, Vorhandenseins pflege- oder erziehungsbedürftiger Kinder oder wegen notwendiger eigener Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung eine Erwerbstätigkeit nicht oder noch nicht erwartet werden kann oder wenn der Gatte sich nach der E. nur unzureichend in das Arbeitsleben wiedereingliedern kann, schließlich wenn aus schwerwiegenden sonstigen Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und Versagen des Unterhalts grob unbillig wäre (§ 1576 BGB). Umgekehrt kann der Unterhaltsanspruch bei grober Unbilligkeit ausgeschlossen werden, z. B. wenn die Ehe nur von kurzer Dauer war oder der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat (§ 1579 BGB). Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehel. Lebensverhältnissen und umfasst den ganzen Lebensbedarf, auch Kosten einer angemessenen Krankenversicherung sowie einer Schul- und Berufsausbildung (§ 1578 BGB).Nach der E. wird unabhängig vom Güterstand ein Versorgungsausgleich (§§ 1587 ff. BGB, für die neuen Bundesländer Art. 234, § 6 EGBGB) durchgeführt. Es wird verglichen, welche Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit jeder Ehegatte während der Ehezeit erworben hat; übersteigen die Anwartschaften des einen Ehegatten diejenigen des anderen, so erhält der mit den geringeren Anwartschaften einen Ausgleichsanspruch auf die Hälfte des Überschusses. Die Parteien können den Versorgungsausgleich durch Ehevertrag (§ 1408 BGB) ausschließen. Das Familiengericht bestimmt, wem das elterliche Sorgerecht über gemeinsame minderjährige Kinder nach der E. zustehen soll; es soll von einem gemeinsamen Vorschlag der Eltern nur abweichen, wenn es das Wohl des Kindes erfordert. - Der in der Ehe angefallene Zugewinn ist auszugleichen (eheliches Güterrecht). Können sich die geschiedenen Eheleute nicht auf die Verteilung des Hausrates einigen, muss das Gericht darüber entscheiden; es gilt die Hausrat-VO vom 21. 10.1944. In Österreich gelten im Wesentlichen ähnliche Grundsätze (§ § 47 ff. Ehe-Ges.) Als Scheidungsgrund ist das Zerrüttungsprinzip in den Vordergrund getreten, jedoch kann die E. auch auf Verschulden der Partner gestützt werden. Die Trennungsfrist für einvernehml. E. beträgt ein halbes Jahr. Zwar besteht auch eine Härteklausel, doch kann nach sechsjähriger Trennung in jedem Falle die E. durchgesetzt werden. In der Schweiz kann das Gericht, falls Aussicht auf Wiedervereinigung der Ehegatten besteht, die Trennung der Ehe aussprechen, was den Ehegatten eine erhöhte Unabhängigkeit verschafft, die Ehe aber fortbestehen lässt. Scheidungsgründe sind z. B. Ehebruch, Misshandlung oder Verlassen. Nur der schuldlos geschiedene Ehegatte hat Unterhaltsansprüche.
Literatur:
Münch, E. M. von: Die Scheidung nach neuem Recht. München 91996.
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Ansicht: Ehescheidung