Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Ehe
Ehe[ahd. ewe »Gesetz«], im dt. Recht die durch die Rechtsordnung anerkannte Verbindung eines Mannes und einer Frau zu dauernder Lebensgemeinschaft. Die Ordnung der E. ist von den sittl. und religiösen Grundlagen abhängig, auf denen die einzelnen Gesellschaften beruhen. Infolge ihrer gesellschaftl. Bedeutung steht die E. unter öffentl. Rechtsschutz, mindestens aber unter der Obhut der gesellschaftl. Sitte. Ihre religiösen und rechtl. Bindungen kommen in feierl. Formen der E.-Schließung zum Ausdruck.Die v. a. durch das Christentum geprägte E.- und Familienauffassung wurde seit der Aufklärung und dem Liberalismus, der Ausformung des bürgerl. Rechtsstaates und unter dem Einfluss der Romantik mehr und mehr zu einer individuell begründeten Lebens- und Liebesgemeinschaft. In neuerer Zeit wurde die E. in den Industrieländern in ihrer traditionellen, familienzentrierten und institutionalisierten Form infrage gestellt, was sich auch in einem Anstieg der E.-Scheidungsrate ausdrückt. Wesentl. Aspekte waren die Auflösung patriarchal. Strukturen, die Individualisierung der Beziehung durch eine stärkere Betonung des partnerschaftl. Gedankens (Liebes- und Gatten-E.), die Lockerung des traditionellen Rollenschemas, bes. Berufstätigkeit der Frau, Kooperation bei häusl. Aufgaben, Umkehrung der früheren Rollenverteilung (»Hausmann«). Teilweise werden nicht institutionalisierte Beziehungen (eheähnl. Gemeinschaften) vorgezogen, da in ihrem Verständnis von freier Verantwortung v. a. eine größere Chance individueller Entfaltung gesehen wird.Bei den Naturvölkern und teilweise im Islam gibt es neben der Ein-E. (Monogamie) die Mehr-E. (Polygamie), als Verbindung eines Mannes mit mehreren Frauen (Polygynie) oder seltener einer Frau mit mehreren Männern (Polyandrie). Dabei ist zuweilen noch Haupt-E. von Neben-E. zu trennen. Eine völlige Freiheit von ehel. Bindungen (Promiskuität) hat man nirgends feststellen können. Streng beachtet werden jeweils die Sitten, nach denen die E. nur innerhalb des Stammes oder der Sippe (Endogamie) oder nur außerhalb der eigenen Verwandtschafts- oder Totemgruppe (Exogamie) geschlossen werden darf. - Über die E. im Recht und die Stellung der Kirche Eherecht, ferner eheliches Güterrecht, Ehescheidung.
Literatur:
Godoy, J.: Die Entwicklung von E. u. Familie in Europa. A. d. Engl. Neuausg. Frankfurt am Main 1989.
Klein, T.: Verhaltensstandards in der E.: Kontinuität u. Wandel. Eine Analyse von Anstandsbüchern der Jahre 1834 bis 1987. Hamburg 1993.
Lévi-Strauss, C.: Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft. A. d. Frz. TB-Ausg. Frankfurt am Main 1993.
Gruber, H.-G.: Christl. E. in moderner Gesellschaft. Entwicklung - Chancen - Perspektiven. Freiburg im Breisgau u. a. 21995.
E. u. Familie in Krisensituationen, hg. v. F. W. Busch u. R. Nave-Herz. Oldenburg 1996.
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