Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
deutsches Recht
deutsches Recht,das auf german. Grundlage erwachsene Recht deutschsprachiger Länder, ein Tochterrecht des german. Rechts und als solches im Ggs. zum rezipierten röm. Recht stehend, nicht gleichbedeutend mit der Gesamtheit des heute in Dtl. geltenden Rechts. Das ältere german. Recht war mündlich überliefertes Gewohnheitsrecht der Volksgerichte (Ding). In der Völkerwanderungszeit bildete sich ein Stammesrecht für die Angehörigen der einzelnen Stämme (germanische Volksrechte). Im Fränkischen Reich trat das auf königl. Verordnungen (Kapitularien) beruhende Reichsrecht hinzu. Im mittelalterl. Reich entwickelten sich die Stammesrechte zu Landrechten für die Bev. eines bestimmten Gebiets. Daneben entstanden Sonderrechte für bestimmte Personenkreise oder Berufe (Lehns-, Hof-, Stadtrecht u. a.). Im Übrigen beschränkte sich die Reichsgesetzgebung auf einzelne Verfassungsgesetze, z. B. die Goldene Bulle. Zu größerer Rechtsangleichung trugen im 13. Jh. entstandene private Rechtsbücher bei (Sachsenspiegel, Schwabenspiegel) sowie die Beleihung neu gegründeter Städte, bes. im dt. Osten, mit dem Recht einer älteren Stadt, deren Oberhof Rechtsweisungen gab. Inhaltlich war das d.R. des MA durch starken sittl. Gehalt sowie genossenschaftl. und sozialen Geist geprägt. Seit der 2. Hälfte des 15. Jh. wurde das d. R. durch das spätröm. Recht des Corpus Iuris Civilis (Rezeption) und das in Italien gelehrte zeitgenöss. Recht beeinflusst. Das röm. Recht galt zwar nur ergänzend (subsidiär) zu den Orts- und Landrechten, doch wurden diese vielfach romanisiert. Der Übergang vom mündl. Verfahren zum geheimen Aktenprozess bewirkte eine Entfremdung zw. Justiz und Volk. Seit dem 18. Jh. begann jedoch das d. R. wieder zu erstarken, bes. unter dem Einfluss des Naturrechts; die neuen Gesetzbücher (Preuß. Allg. Landrecht, Österr. ABGB) erneuerten eine Reihe german. Rechtsgedanken. Große Verdienste um das d. R. erwarb sich die dt. histor. Rechtsschule im 19. Jh. (F. C. von Savigny), indem sie die gemeinsame Grundlage der dt. Partikularrechte aufdeckte. Die durch die Reichsgründung von 1871 gewonnene weitgehende Rechtseinheit leitete die Phase der großen Kodifikationen ein (z. B. StGB, StPO, ZPO, HGB, BGB). Im Prozessrecht kehrte man zum Grundsatz der Öffentlichkeit und Mündlichkeit zurück. In der ersten Hälfte des 20. Jh. bewirkte die nat.-soz. Herrschaft, gefördert durch die Willfährigkeit großer Teile der Justiz, den Niedergang der dt. Rechtsstaatlichkeit. Nach 1945 galten in der Bundesrep. Dtl. und in der DDR auf weiten Gebieten zunächst noch gemeinsame alte Rechtsvorschriften (BGB, HGB, ZPO, StGB u. a.), doch wurden sie zunehmend verändert, v. a. unterschiedlich gehandhabt. Im Recht der Bundesrep. Dtl. hat seit 1945 das Landesrecht neben dem Bundesrecht wieder eine verstärkte Bedeutung erlangt. In der DDR wurde das Recht zentralistisch und im Sinne des Staatssozialismus umgestaltet (kodifiziert im StGB von 1968, Gesetzbuch der Arbeit von 1961, Zivilgesetzbuch von 1975). Mit der dt. Vereinigung (3. 10. 1990) wurde die Wirksamkeit des Grundgesetzes der Bundesrep. Dtl. und somit deren Rechtsordnung auf das Gebiet der ehem. DDR ausgedehnt (Einigungsvertrag).
Das nat. Recht wird in der Gegenwart zunehmend von supranat. Recht (Europarecht) beeinflusst und z. T. überlagert.
Literatur:
Mitteis, H.: Dt. Rechtsgesch., neubearb. v. H. Lieberich. München 191992.
Köbler, G.: Dt. Rechtsgesch. Ein systemat. Grundriß der geschichtl. Grundlagen des d. R. von den Indogermanen bis zur Gegenwart. München 51996.
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