Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
deutsche Musik.
deutsche Musik.Die d. M. entstand in der Auseinandersetzung von heidnisch-german. Musik mit dem Tonsystem der christl. Mittelmeerkultur. Im 8. Jh. wurde über die geistigen Zentren der Kloster- und Domschulen der gregorian. Gesang übernommen, der sich zu einer eigenen, auch Elemente der Volksmusik einschließenden Stilform entwickelte: den Sequenzen und Tropen, die nicht rein vokal, sondern mit Instrumentarium ausgeführt wurden (Notker Balbulus, Tuotilo).
Seit dem 12. Jh. entwickelte sich der einstimmige, von Instrumenten begleitete höf. Kunstgesang der Minnesänger (u. a. Heinrich von Morungen, Walther von der Vogelweide, Neidhart von Reuental, Heinrich von Meißen, gen. Frauenlob), den später die Meistersinger als lehrbare Techniken in feste Regeln fassten (Meistersang, Hans Sachs). Neben kunstvollen polyphonen Vokalwerken wurden seit der 2. Hälfte des 14. Jh. ausdrucksvolle Liedsätze von schlichter Stimmführung geschaffen. Spielleute und Vaganten musizierten im derb-volkstüml. Ton. Die bedeutendsten Sammlungen der frühen Volkslieder und der mehrstimmigen Gesänge sind das Lochamer Liederbuch (zw. 1450 und 1460) und das Glogauer Liederbuch (um 1480). Das Volkslied wird mit Cantus firmus im Tenor bearbeitet (»Dt. Tenorlied«), so von H. Finck, H. Isaac aus Flandern, L. Senfl, die alle am Kaiserhof wirkten. Im 15. Jh. bildete sich eine eigenständige Orgelmusik (K. Paumann). Der im 16. Jh. von M. Luther und J. Walther geschaffene dt. Choral wurde zum Mittelpunkt der prot. Kirchenmusik.Den Barock leitete M. Praetorius (✝ 1621) ein, der mehrchörige polyphone Motetten schrieb, dann aber den neuen italien. (monod.) Konzertstil mit Generalbass aufnahm und das prot. Kirchenlied pflegte. H. Schütz verschmolz die italien. Barockform mit polyphoner Satzweise. Neben und nach ihm wirkten u. a. J. H. Schein, S. Scheidt, D. Buxtehude, N. Bruhns, J. J. Froberger, J. Pachelbel. Die erste dt. Oper (»Dafne«, 1627, nicht erhalten) schuf H. Schütz. Im 18. Jh. erreichte die ältere, streng gebaute Polyphonie bei J. S. Bach einen Höhepunkt; zugleich ist bei ihm der neue harmonisch bestimmte Konzertstil ausgebildet. G. F. Händel schuf italien. Opern und Oratorien. Ein weiterer Meister dieser Zeit war G. P. Telemann. Ausgehend von der italien. Opera buffa wandte sich das Singspiel vom Pathos der Barockoper ab. C. W. Glucks Reform der Oper zielte auf eine dem Sinngehalt adäquate »wahre« dichterisch-musikal. Aussage ab. Der musikal. Satz der Mannheimer Schule bildete eine der Voraussetzungen für die Entstehung der Wiener klass. Musik.Um 1780 wurde Wien zum musikal. Zentrum (Wiener Klassik). Die Instrumentalmusik erlangte durch die Ausbildung des Sonatensatzes in Sinfonie, Sonate und Streichquartett klass. Gestalt. J. Haydn schuf das volkstüml. Oratorium, W. A. Mozart führte in seinen Bühnenwerken die Gattungen von Opera seria, Opera buffa und Singspiel auf den Höhepunkt, und L. van Beethoven erreichte in seinen Werken eine neue Individualität des Ausdrucks. Der bedeutendste Vertreter der Frühromantik, F. Schubert, war ein Meister des Lieds, das R. Schumann, J. Brahms und H. Wolf weiterentwickelten.
In der Musik der Romantik trat die musikal. Darstellung von Stimmungen in den Vordergrund. C. M. von Weber schuf die erste romant. Oper (»Freischütz«, 1821). A. Lortzing widmete sich bes. der Spieloper. In der Klaviermusik bildeten Schubert, Schumann und F. Mendelssohn Bartholdy das Stimmungs- und Charakterstück aus. Brahms und A. Bruckner führten die Tradition der Sinfonie fort. An seinem Lehrer Bruckner orientiert ist das sinfon. Werk G. Mahlers. M. Reger griff auf die Kunst J. S. Bachs zurück. Veränderungen in der Orchestermusik brachten F. Liszt und R. Wagner durch die Verbindung von Musik und Poesie. Wagner schuf eine neue Opernform des musikalisch-dramat. Gesamtkunstwerks, Liszt entwickelte die Programmmusik, die bis zu R. Strauss u. a. weiterwirkte. Strauss führte auch das Musikdrama fort.Um 1900 begann A. Schönberg, die übernommenen harmon. Schemata aufzulösen. Durch die von der übersteigerten chromat. Harmonik der vorausgehenden Zeit mitbedingte Atonalität (atonale Musik) und Zwölftontechnik wies er der Musikentwicklung neue Wege. Zu seinen Schülern zählen u. a. A. (von) Webern, A. Berg und H. Eisler. Ein Repräsentant des an älteren Vorbildern orientierten Neoklassizismus war P. Hindemith. C. Orff, dessen Werk ebenfalls entscheidende Anregungen von der älteren Musik bekam, wurde durch sein Schulwerk und sein neuartiges Instrumentarium bekannt. Weitere Vertreter dieser Generation sind u. a. E. Krenek, W. Egk, B. Blacher und W. Fortner.Während eine Reihe von jüngeren Komponisten nach 1945, wie H. W. Henze, trotz aller Neuerungen an traditionellen Satztypen festhielt, verzichteten die Komponisten der seit 1950 entwickelten seriellen Musik und der elektronischen Musik auf wesentl. Elemente des überkommenen Tonsatzes wie Thematik und Durchführung, schließlich auch auf geschlossene Form. Dies führte u. a. zu neuartigen Notationsweisen bis zur musikalischen Grafik. Zunehmend wurde bei der Suche nach neuen Tonmaterialien und kompositor. Verfahrensweisen auch empirisch-experimentell vorgegangen, z. B. in der aleator. Musik (Aleatorik), die die Ausführung weitgehend dem Interpreten und damit zufälliger, improvisator. Gestaltungsweise überlässt. Mitunter wird der Umgang mit vorgegebenen Elementen auch dem Computer (Computermusik) überlassen. Zu einem wichtigen Bestandteil der Aufführungsweise neuer Kompositionen wurde die Live-Elektronik. Vertreter der Neuen Musik nach dem Zweiten Weltkrieg sind u. a. B. A. Zimmermann, G. Ligeti (ungar. Herkunft), K. Stockhausen, D. Schnebel, M. Kagel (argentin. Herkunft), H. Lachenmann, A. Reimann, N. A. Huber.In den 70er-Jahren widmeten sich avantgardist. Kreise bes. der experimentellen Musik, so der Kunst des Multimedia, andererseits sind auch Bemühungen von Komponisten um eine neue Ausdrucksmusik expressiver, teils lyr. Art anzutreffen. Neben der reichen Instrumentalmusik wurde (bes. durch K. Stockhausen) die szen. Musik (instrumentales Theater) weiterentwickelt. Seit etwa 1975 ist die Richtung der Neuen Einfachheit durch ein Streben nach unmittelbarer Expressivität und z. T. einen Rückgriff auf traditionelle (z. B. spätromant.) Stilelemente gekennzeichnet (P. M. Hamel, M. Trojahn, W. Rihm, H.-J. von Bose u. a.). Bei manchen Komponisten macht sich eine neue Religiosität bemerkbar, z. B. bei A. Pärt (estn. Herkunft) und K. Stockhausen (mit seinem Zyklus »Licht«). Darüber hinaus wird das Musikleben, das bisher bis auf wenige Ausnahmen (Ruth Zechlin, Grete von Zieritz) von Männern dominiert wurde, zunehmend von Komponistinnen bereichert (u. a. Carola Bauckholt, Susanne Erding, Babette Koblenz). Weitere Vertreter heutiger d. M. sind u. a.: H. U. Engelmann, H. Otte, W. Killmayer, P.-H. Dittrich, W. Heider, S. Matthus, R. Kunad, H.-J. Hespos, T. Medek, J. G. Fritsch, V. D. Kirchner, R. Gehlhaar, U. Zimmermann, Y. Höller, P. M. Hamel.
▣ Literatur:
Dahlhaus, C.: Klass. u. romant. Musikästhetik. Laaber 1988.
⃟ Dammann, R.: Der Musikbegriff im dt. Barock. Laaber 31995.
⃟ Braun, W.: Die Musik des 17. Jh.s. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Dahlhaus, C.: Die Musik des 19. Jh.s. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Danuser, H.: Die Musik des 20. Jh.s. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Die Musik des 18. Jh.s, hg. v. C. Dahlhaus. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Die Musik des 15. u. 16. Jh.s, hg. v. L. Finscher. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Die Musik des Mittelalters, hg. v. Hartmut Müller u. R. Stephan. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Burow, H-W.: Musik, Medien, Technik. Ein Handbuch. Laaber 1998.
Seit dem 12. Jh. entwickelte sich der einstimmige, von Instrumenten begleitete höf. Kunstgesang der Minnesänger (u. a. Heinrich von Morungen, Walther von der Vogelweide, Neidhart von Reuental, Heinrich von Meißen, gen. Frauenlob), den später die Meistersinger als lehrbare Techniken in feste Regeln fassten (Meistersang, Hans Sachs). Neben kunstvollen polyphonen Vokalwerken wurden seit der 2. Hälfte des 14. Jh. ausdrucksvolle Liedsätze von schlichter Stimmführung geschaffen. Spielleute und Vaganten musizierten im derb-volkstüml. Ton. Die bedeutendsten Sammlungen der frühen Volkslieder und der mehrstimmigen Gesänge sind das Lochamer Liederbuch (zw. 1450 und 1460) und das Glogauer Liederbuch (um 1480). Das Volkslied wird mit Cantus firmus im Tenor bearbeitet (»Dt. Tenorlied«), so von H. Finck, H. Isaac aus Flandern, L. Senfl, die alle am Kaiserhof wirkten. Im 15. Jh. bildete sich eine eigenständige Orgelmusik (K. Paumann). Der im 16. Jh. von M. Luther und J. Walther geschaffene dt. Choral wurde zum Mittelpunkt der prot. Kirchenmusik.Den Barock leitete M. Praetorius (✝ 1621) ein, der mehrchörige polyphone Motetten schrieb, dann aber den neuen italien. (monod.) Konzertstil mit Generalbass aufnahm und das prot. Kirchenlied pflegte. H. Schütz verschmolz die italien. Barockform mit polyphoner Satzweise. Neben und nach ihm wirkten u. a. J. H. Schein, S. Scheidt, D. Buxtehude, N. Bruhns, J. J. Froberger, J. Pachelbel. Die erste dt. Oper (»Dafne«, 1627, nicht erhalten) schuf H. Schütz. Im 18. Jh. erreichte die ältere, streng gebaute Polyphonie bei J. S. Bach einen Höhepunkt; zugleich ist bei ihm der neue harmonisch bestimmte Konzertstil ausgebildet. G. F. Händel schuf italien. Opern und Oratorien. Ein weiterer Meister dieser Zeit war G. P. Telemann. Ausgehend von der italien. Opera buffa wandte sich das Singspiel vom Pathos der Barockoper ab. C. W. Glucks Reform der Oper zielte auf eine dem Sinngehalt adäquate »wahre« dichterisch-musikal. Aussage ab. Der musikal. Satz der Mannheimer Schule bildete eine der Voraussetzungen für die Entstehung der Wiener klass. Musik.Um 1780 wurde Wien zum musikal. Zentrum (Wiener Klassik). Die Instrumentalmusik erlangte durch die Ausbildung des Sonatensatzes in Sinfonie, Sonate und Streichquartett klass. Gestalt. J. Haydn schuf das volkstüml. Oratorium, W. A. Mozart führte in seinen Bühnenwerken die Gattungen von Opera seria, Opera buffa und Singspiel auf den Höhepunkt, und L. van Beethoven erreichte in seinen Werken eine neue Individualität des Ausdrucks. Der bedeutendste Vertreter der Frühromantik, F. Schubert, war ein Meister des Lieds, das R. Schumann, J. Brahms und H. Wolf weiterentwickelten.
In der Musik der Romantik trat die musikal. Darstellung von Stimmungen in den Vordergrund. C. M. von Weber schuf die erste romant. Oper (»Freischütz«, 1821). A. Lortzing widmete sich bes. der Spieloper. In der Klaviermusik bildeten Schubert, Schumann und F. Mendelssohn Bartholdy das Stimmungs- und Charakterstück aus. Brahms und A. Bruckner führten die Tradition der Sinfonie fort. An seinem Lehrer Bruckner orientiert ist das sinfon. Werk G. Mahlers. M. Reger griff auf die Kunst J. S. Bachs zurück. Veränderungen in der Orchestermusik brachten F. Liszt und R. Wagner durch die Verbindung von Musik und Poesie. Wagner schuf eine neue Opernform des musikalisch-dramat. Gesamtkunstwerks, Liszt entwickelte die Programmmusik, die bis zu R. Strauss u. a. weiterwirkte. Strauss führte auch das Musikdrama fort.Um 1900 begann A. Schönberg, die übernommenen harmon. Schemata aufzulösen. Durch die von der übersteigerten chromat. Harmonik der vorausgehenden Zeit mitbedingte Atonalität (atonale Musik) und Zwölftontechnik wies er der Musikentwicklung neue Wege. Zu seinen Schülern zählen u. a. A. (von) Webern, A. Berg und H. Eisler. Ein Repräsentant des an älteren Vorbildern orientierten Neoklassizismus war P. Hindemith. C. Orff, dessen Werk ebenfalls entscheidende Anregungen von der älteren Musik bekam, wurde durch sein Schulwerk und sein neuartiges Instrumentarium bekannt. Weitere Vertreter dieser Generation sind u. a. E. Krenek, W. Egk, B. Blacher und W. Fortner.Während eine Reihe von jüngeren Komponisten nach 1945, wie H. W. Henze, trotz aller Neuerungen an traditionellen Satztypen festhielt, verzichteten die Komponisten der seit 1950 entwickelten seriellen Musik und der elektronischen Musik auf wesentl. Elemente des überkommenen Tonsatzes wie Thematik und Durchführung, schließlich auch auf geschlossene Form. Dies führte u. a. zu neuartigen Notationsweisen bis zur musikalischen Grafik. Zunehmend wurde bei der Suche nach neuen Tonmaterialien und kompositor. Verfahrensweisen auch empirisch-experimentell vorgegangen, z. B. in der aleator. Musik (Aleatorik), die die Ausführung weitgehend dem Interpreten und damit zufälliger, improvisator. Gestaltungsweise überlässt. Mitunter wird der Umgang mit vorgegebenen Elementen auch dem Computer (Computermusik) überlassen. Zu einem wichtigen Bestandteil der Aufführungsweise neuer Kompositionen wurde die Live-Elektronik. Vertreter der Neuen Musik nach dem Zweiten Weltkrieg sind u. a. B. A. Zimmermann, G. Ligeti (ungar. Herkunft), K. Stockhausen, D. Schnebel, M. Kagel (argentin. Herkunft), H. Lachenmann, A. Reimann, N. A. Huber.In den 70er-Jahren widmeten sich avantgardist. Kreise bes. der experimentellen Musik, so der Kunst des Multimedia, andererseits sind auch Bemühungen von Komponisten um eine neue Ausdrucksmusik expressiver, teils lyr. Art anzutreffen. Neben der reichen Instrumentalmusik wurde (bes. durch K. Stockhausen) die szen. Musik (instrumentales Theater) weiterentwickelt. Seit etwa 1975 ist die Richtung der Neuen Einfachheit durch ein Streben nach unmittelbarer Expressivität und z. T. einen Rückgriff auf traditionelle (z. B. spätromant.) Stilelemente gekennzeichnet (P. M. Hamel, M. Trojahn, W. Rihm, H.-J. von Bose u. a.). Bei manchen Komponisten macht sich eine neue Religiosität bemerkbar, z. B. bei A. Pärt (estn. Herkunft) und K. Stockhausen (mit seinem Zyklus »Licht«). Darüber hinaus wird das Musikleben, das bisher bis auf wenige Ausnahmen (Ruth Zechlin, Grete von Zieritz) von Männern dominiert wurde, zunehmend von Komponistinnen bereichert (u. a. Carola Bauckholt, Susanne Erding, Babette Koblenz). Weitere Vertreter heutiger d. M. sind u. a.: H. U. Engelmann, H. Otte, W. Killmayer, P.-H. Dittrich, W. Heider, S. Matthus, R. Kunad, H.-J. Hespos, T. Medek, J. G. Fritsch, V. D. Kirchner, R. Gehlhaar, U. Zimmermann, Y. Höller, P. M. Hamel.
▣ Literatur:
Dahlhaus, C.: Klass. u. romant. Musikästhetik. Laaber 1988.
⃟ Dammann, R.: Der Musikbegriff im dt. Barock. Laaber 31995.
⃟ Braun, W.: Die Musik des 17. Jh.s. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Dahlhaus, C.: Die Musik des 19. Jh.s. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Danuser, H.: Die Musik des 20. Jh.s. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Die Musik des 18. Jh.s, hg. v. C. Dahlhaus. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Die Musik des 15. u. 16. Jh.s, hg. v. L. Finscher. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Die Musik des Mittelalters, hg. v. Hartmut Müller u. R. Stephan. Sonderausg. Laaber 1996.
⃟ Burow, H-W.: Musik, Medien, Technik. Ein Handbuch. Laaber 1998.