Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Dänemark
Dänemark Fläche: 43 094 km2
Einwohner: (1997) 5,243 Mio.
Hauptstadt: Kopenhagen
Verwaltungsgliederung: 14 Amtsbez. (Amtskommuner) und 2 Stadtbezirke
Amtssprache: Dänisch
Nationalfeiertag: 5. 6.
Währung: 1 Dänische Krone (dkr) = 100 Øre
Zeitzone: MEZ
(amtl. dänisch Kongeriget Danmark, dt. Königreich D.), Staat in Europa, grenzt im W an die Nordsee, im NW an das Skagerrak, im NO an das Kattegatt, im O an die Ostsee und im S an Dtl. Zum Staatsgebiet gehören auch die Färöer und Grönland, die sich beide in Selbstverwaltung regieren.
Staat und Recht: Nach der Verf. vom 5. 6. 1953 ist D. eine Erbmonarchie (Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg; auch mit weibl. Thronfolge) mit parlamentarisch-demokrat. Reg.form. Staatsoberhaupt und formal oberster Inhaber der Exekutive ist der König. Er ernennt das Kabinett unter Vorsitz des MinPräs., das dem Parlament verantwortlich ist. Die Legislative liegt beim König (formale Mitwirkung) und beim Einkammerparlament, dem Folketing (179 für vier Jahre gewählte Abg., darunter je zwei aus Grönland und von den Färöern). Einflussreichste Parteien sind die Sozialdemokrat. Partei, die Liberale Partei (Venstre), die Konservative Volkspartei, die Sozialist. Volkspartei und die Fortschrittspartei. Die Schleswigsche Partei vertritt die dt. Minderheit.
Landesnatur: D. umfasst die Halbinsel Jütland und etwa 480 Inseln, von denen rd. 100 bewohnt sind; die größten sind: Seeland, Fünen, Langeland, Falster, Lolland, Møn, Læsø und Bornholm. Als Brücke zw. Mitteleuropa und Skandinavien sowie als Schranke zw. Nord- und Ostsee hat D. große verkehrspolit. Bedeutung. Zw. Jütland, das im N im Kap Skagen endet, den großen Inseln und Südschweden führen drei Meeresstraßen, der Kleine und der Große Belt und der Sund (Øresund), in die Ostsee. D. ist geomorphologisch in großen Teilen eine Fortsetzung des Norddt. Tieflandes; landschaftsprägend war v. a. die letzte Eiszeit. Im W liegen die aus Geestinseln und eingeebneten Grundmoränenflächen bestehenden jütländ. Heidegebiete, im O die stärker reliefierten, von fruchtbarem Lehmhügelland bedeckten Grundmoränenlandschaften. Differenziert sind die Küstenformen: An die Watten- und Marschküste des südwestl. Jütland schließt sich eine Ausgleichsküste mit dünenbesetzten Nehrungen an. Fester Untergrund (Kreidekalk) tritt nur an wenigen Stellen, z. B. an der Küste von Møn, zutage. Die Küsten der Inseln haben vielfach Boddencharakter; an der O-Küste Jütlands setzt sich die Fördenküste Schlesw.-Holst. mit zahlr. guten Naturhäfen nach N fort. Nur auf Bornholm tritt das Grundgebirge (Gneise und Granite) zutage. Die höchste Erhebung D.s liegt im östl. Mitteljütland mit 173 m ü. M. Größere Flüsse fehlen; der längste Fluss ist der Gudenå mit 158 km. Von den zahlr. Seen ist der Arresee (42 km2) auf Seeland der größte.
D. hat Seeklima mit kühlen Sommern und milden Wintern (mittlere Temperaturen im Sommer um 16 bis 18 ºC, im Winter um 0 ºC). Die Niederschlagsmengen liegen im W Jütlands bei etwa 800 mm, auf Bornholm bei 450 mm jährlich. - D. gehört noch der Region des mitteleurop. Laubwaldes an; jedoch sind nur 12 % des Landes bewaldet. Dünen, Heideflächen, Hochmoore und Seen nehmen 5 % ein. Fast 70 % der Landesfläche werden landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzt.
Bevölkerung: Die Bewohner sind fast ausschließlich Dänen. Die deutschsprachige Minderheit in Südjütland (Nordschleswig) wird auf 35 000 Menschen geschätzt. Die Bevölkerungsdichte beträgt rd. 120 Ew. je km2; mehr als 85 % aller Dänen leben in städt. Siedlungen, mehr als ein Drittel davon in und um Kopenhagen; weitere Großstädte sind Århus, Odense, Ålborg. Allg. Schulpflicht besteht vom 7. bis 16. Lebensjahr. Universitäten gibt es in Kopenhagen (gegr. 1479), Århus (1928), Odense (gegr. 1964), Roskilde (1970) und Ålborg (1974) sowie weitere Hochschulen versch. Art. Rd. 95 % der Bev. gehören zur evang.-luther. Staatskirche, die in 10 Stifte unter der Leitung von Bischöfen gegliedert ist; u. a. auch kath. und jüd. Minderheiten.
Wirtschaft, Verkehr: Die landwirtschaftl. Nutzung verlagert sich vom Hackfruchtanbau zum Getreidebau (Gerste und Weizen). Eine zunehmende Rolle spielen Gärtnereiprodukte (Blumen, Zierpflanzen). Die Viehwirtschaft (Schweine-, Rinder- und Geflügelhaltung) erbringt rd. 45 %, Milchprodukte und Eier 24 % des Gesamtwertes der landwirtschaftl. Erzeugung. Fischfang wird v. a. in der Nordsee betrieben und erbringt hohe Ausfuhrüberschüsse. Seit 1972 fördert D. vor der Nordseeküste Erdöl; seit 1984 besteht auch eine Erdgasproduktion mit allerdings geringen Erträgen. Die Ind. konzentriert sich auf traditionelle Bereiche, v. a. Nahrungsmittel- und Genussmittelherstellung (bes. Konserven, Zucker, Margarine, Schokolade, Bier und andere alkohol. Getränke), aber auch Eisen- und Metallverarbeitung (Maschinen- und Schiffbau), Textil- und Bekleidungs-, Möbel- sowie chem. Ind. (v. a. Düngemittel, Pharmazeutika). Wichtigster Ind.standort ist der Ballungsraum Kopenhagen. - Hauptexportgüter sind Nahrungsmittel, Maschinen und Transportmittel, Fertigerzeugnisse, bearbeitete Waren, chem. Produkte. Wichtigste Importgüter sind Maschinen und Fahrzeuge, bearbeitete Waren, Nahrungsmittel sowie Erdöl, Erdölerzeugnisse und Steinkohle. Haupthandelspartner sind Dtl., Schweden, Großbritannien, die USA und Norwegen. - Das Verkehrsnetz ist gut ausgebaut (1994: 2 349 km Eisenbahn; 71 255 km Straßen, davon 786 km Autobahnen). Brücken verbinden Jütland mit Fünen, Seeland mit Falster und Lolland; die wichtigsten Fährstrecken führen über den Großen Belt (Nyborg-Korsør), den Sund (Helsingør-Hälsingborg und Kopenhagen-Malmö), den Fehmarnbelt (Rødbyhavn-Puttgarden, Vogelfluglinie) und von Gedser nach Rostock bzw. Warnemünde. Seit 1998 ist eine rd. 18 km lange feste Verbindung über den Großen Belt (Brücken und Tunnel) zw. Fünen und Seeland für Eisenbahn und Kraftfahrzeuge in Betrieb. Haupthafen und Mittelpunkt des Luftverkehrs ist Kopenhagen. Weitere wichtige Häfen sind Århus, Ålborg, Frederikshavn und Esbjerg. D. ist mit Schweden und Norwegen an der Flugges. »Scandinavian Airlines System« (SAS) beteiligt.
Geschichte: Vorgeschichte Nordeuropa.In das von Germanen besiedelte Land drangen wohl aus S-Schweden die im 6. Jh. erstmals erwähnten Dänen vor, die mehrere Teilkönigtümer bildeten. König Göttrik (Godfred, ✝ 810) ließ zum Schutz gegen das Frankenreich das Danewerk errichten. Gorm der Alte (✝ um 950), der als eigtl. Staatsgründer gilt, vereinte große Teile des heutigen D. unter seiner Herrschaft; sein Sohn Harald Blätand (»Blauzahn«, ✝ um 985) nahm um 960 das Christentum an. Dän. Wikinger unternahmen vom 9. bis 11. Jh. ausgedehnte Beutezüge zu den Küstengebieten des europ. Kontinents. Die von Sven Gabelbart (986-1014) begonnene Eroberung Englands vollendete Knut d. Gr. (1018-35), der ferner 1035 das schleswigsche Gebiet zw. Eider und Schlei erwarb und 1028 Norwegen unterwarf. Dieses Nordseegroßreich brach jedoch nach Knuts Tod wieder auseinander (1035 Loslösung Norwegens, 1042 Englands). D. stand durch einen Erbvertrag 1042-47 sogar selbst unter norweg. Herrschaft. Einen neuen Aufschwung der dän. Macht leitete Waldemar I., d. Gr. (1157-82), ein; er und seine Söhne Knut VI. (1182-1202) und Waldemar II., der Sieger (1202-41), unterwarfen die heidn. Wenden der mecklenburgisch-pommerschen Ostseeküste, 1201 das dt. Holstein und 1219 Estland; die wendisch-dt. Eroberungen gingen durch die Niederlage bei Bornhöved (1227) wieder verloren. Waldemar IV. Atterdag (1340-75) verkaufte 1346 Estland dem Dt. Orden, erwarb 1361 Gotland und unterlag im Krieg gegen die dt. Hanse (Friede von Stralsund 1370). Seine Tochter Margarete (1387-1412) war Königin von D. und Norwegen, gewann dazu 1389 Schweden und brachte 1397 die Kalmarer Union der drei skandinav. Reiche zustande, die (mit Unterbrechungen) bis 1523 bestand.Mit Christian I. (1448-81) begann die Reihe der Könige aus dem Haus Oldenburg und dessen Nebenlinien; ihn wählten 1460 auch die Stände Schleswig-Holsteins zum Landesherrn. Unter Christian II. (1513-23) gewann Schweden durch die Erhebung Gustav Wasas 1520-23 seine Unabhängigkeit zurück, während Norwegen immer enger mit D. verbunden wurde. Christian III. (1534-59) vereitelte in der Grafenfehde (1533-36) die von Lübeck unterstützte Wiedereinsetzung seines 1523 gestürzten Vetters Christian II. und führte 1536 die luther. Reformation ein. Christian IV. (1588-1648) griff zugunsten der dt. Protestanten erfolglos in den Dreißigjährigen Krieg ein; an Schweden verlor er im Frieden von Brömsebro 1645 die Prov. Jämtland und Härjedalen, die Inseln Ösel und Gotland, Friedrich III. (1648-70) musste im Frieden von Roskilde 1658 die südschwed. Prov. Schonen, Blekinge und Halland abtreten. 1660 wurde D. in eine Erbmonarchie umgewandelt, 1665 der monarch. Absolutismus verfassungsrechtlich (»Königsgesetz«) fixiert. Den mit Schweden verbündeten Gottorpern nahm D. im Nord. Krieg (1700-21) ihren Anteil an Schleswig und erwarb 1773 im Austausch gegen das seit 1676 dän. Oldenburg auch den gottorp. Besitz in Holstein. Im Geist der Aufklärung wirkten die Reformminister J. H. E. von Bernstorff (1751-70), J. F. von Struensee (1771/72) und A. P. von Bernstorff (1773-80, 1784-97), bes. durch die Bauernbefreiung von 1788. Friedrich VI. (seit 1784 Regent, 1808-39 König) musste nach zwei brit. Seeangriffen auf Kopenhagen 1801 und 1807 die dän. Flotte ausliefern; er schloss sich darauf Napoleon I. an und verlor nach dessen Niederlage im Kieler Frieden 1814 Helgoland an Großbritannien sowie Norwegen (aber nicht Island und die Färöer) an Schweden.In der Folgezeit erwachte der nat. Ggs. zw. den Dänen und den dt. Schleswig-Holsteinern. Die nationalliberalen »Eiderdänen« forderten die völlige Verschmelzung Schleswigs bis zur Eider mit dem Königreich D. Dagegen verteidigten die Deutschen die 1460 verbriefte Untrennbarkeit der beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein und ihre bisherige Selbstständigkeit in Verwaltung und Gesetzgebung (Schleswig-Holstein, Geschichte). 1848-50 kam es zum Dt.-Dän. Krieg, in dem die Schleswig-Holsteiner schließlich, von der Frankfurter Nationalversammlung und Preußen im Stich gelassen, unterlagen. Die europ. Großmächte bestimmten im Londoner Protokoll von 1852 u. a., dass die Herzogtümer eine selbstständige Stellung behalten sollten. Trotzdem nahmen die Eiderdänen, die inzwischen in D. die liberale Verfassung von 1849 (Einführung der konstitutionellen Monarchie) durchgesetzt hatten, 1863 die verfassungsmäßige Verschmelzung Schleswigs mit D. in Angriff. Die Sanktionierung dieses Gesetzes war die erste Amtshandlung von König Christian IX. (1863-1906) und löste den Dt.-Dän. Krieg von 1864 aus, in dem D. die Herzogtümer Schleswig, Holstein und das seit 1815 in seinem Besitz befindl. Lauenburg an Österreich und Preußen verlor. Seitdem hat es nach außen eine bewusste Neutralitätspolitik eingehalten. Die Innenpolitik wurde bis zur Jahrhundertwende von konservativen Reg. bestimmt, bes. unter MinPräs. J. B. S. Estrup (1875-94); der Einfluss der Liberalen (Venstre; gegr. 1870; seit 1872 stärkste Partei im Folketing) und der Sozialdemokraten (1871 Parteigründung) wuchs stark an. 1901 berief Christian IX. die Venstre an die Reg., die ein streng parlamentar. System durchsetzten. Friedrich VIII. (1906-12) folgte Christian X. (1912-47). 1915 wurde eine demokrat. Verfassung verabschiedet (Einführung des Frauenwahlrechts). 1917 verkaufte D. die von ihm verwalteten Inseln in der Karibik an die USA. 1918 wurde Island selbstständiges Königreich in Personalunion mit D. 1920 kam Nordschleswig aufgrund einer im Versailler Vertrag festgelegten Volksabstimmung zu D. Eine Sozialreform unter dem sozialdemokrat. MinPräs. T. Stauning (1924-26, 1929-42) begründete D. Ruf als »Wohlfahrtsstaat«. Der Streit mit Norwegen um Grönland wurde 1933 vom Haager Gerichtshof zugunsten D. entschieden. Am 31. 5. 1939 schloss D. mit dem Dt. Reich einen Nichtangriffspakt ab, wurde jedoch am 9. 4. 1940 von dt. Truppen besetzt (bis 1945). Die Reg. blieb zunächst im Amt (1943 abgesetzt); König Christian X. wurde ab 1943 auf Schloss Amalienborg gefangen gehalten. Der 1943 in London gebildete »Dän. Rat« organisierte den Widerstand gegen die dt. Besatzungsmacht. Island, das 1940 von den Alliierten besetzt worden war, proklamierte sich am 17. 6. 1944 zur unabhängigen Republik.Die Reg. unter E. Buhl (1945) annullierte alle unter dt. Druck beschlossenen Gesetze und ging gegen Kollaborateure vor. 1947 bestieg Friedrich IX. den Thron. 1948 erhielten die Färöer Selbstverwaltung, 1953 wurde Grönland Bestandteil von D. (seit 1979 innere Autonomie). D., das 1945 Mitbegründer der UNO war und sich 1949 dem Europarat und der NATO anschloss, war 1952 Gründungsmitgl. des Nordischen Rates; 1960 trat es der EFTA bei, ist jedoch seit 1973 Mitgl. der EG. Nach dem Tode Friedrichs IX. (1972) bestieg seine Tochter Margrethe II. den Thron. Zw. 1947 und 1973 bildeten zumeist die Sozialdemokraten die Reg. (z. T. in Koalitionen mit anderen Parteien), 1950-53 und 1968-71 bürgerl. Kabinette. Seit 1973 wurde D. vorwiegend von Minderheitskabinetten regiert, MinPräs. war 1975-82 A. Jørgensen (Sozialdemokrat), 1982-93 P. Schlüter (Konservative Volkspartei) und seit 1993 P. N. Rasmussen (Sozialdemokrat). In einem 1. Referendum (Juni 1992) stimmte die Bev. gegen, nach Gewährung von Ausnahmeregelungen für D. in einer 2. Abstimmung (Mai 1993) für die Maastrichter Verträge. Das Verhältnis D.s zur EU blieb auch in den folgenden Jahren in der innenpolit. Diskussion, z. B. die Frage, wie viel Souveränität die Reg. an europ. Institutionen abgeben dürfe. Im Mai 1998 billigte die Bev. in einem Referendum den Amsterdamer EU-Vertrag.
Literatur:
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Kamphausen, A.: D. Ein Führer. München 1980.
Patitz, A.: D. Mit Fotos v. B. Wagner. Bern u. a. 1981.
Luftbildatlas D. Eine Landeskunde in 78 farbigen Luftaufnahmen. Redaktion: B. Furhauge u. a. A. d. Dän. Esbjerg/Brenderup 1982.
Jones, W. G.: Denmark. A modern history. Neuausg. London u. a. 1986.
Historisk atlas Danmark. Redaktion: Y. Kjærulff Hellesen. Kopenhagen 1988.
Meissner, G.: D. unterm Hakenkreuz. Berlin 1990.
D., mit Fotos v. F. Dressler, Text v. B. Henningsen u. M. Eysell. München 1993.
Hastrup, B.: Contemporary Danish society. Kopenhagen 1995.
Denmark. An official handbook, hg. v. C. Wulff. Kopenhagen 1996.
D., hg. v. P. Grane. Kopenhagen 1998.
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