Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Dualismus
Dualịsmus[zu lat. duo »zwei«] der,
1) allg.: Zweiheit; Gegensätzlichkeit; Zweiheitslehre; prinzipiell auf allen Gebieten und auf sehr versch. Ebenen vertreten; im Ggs. zum Einheitsprinzip (Monismus) einerseits, zum Pluralismus andererseits.
2) Philosophie: die Annahme, dass alles Seiende auf zwei (und nur zwei) ursprüngl., nicht auseinander herzuleitende Prinzipien gegründet sei; z. B. Gott-Welt, Geist-Stoff, Leib-Seele.
3) Physik: (Welle-Teilchen-D.) die experimentell vielfach nachgewiesene Tatsache, dass sich alle Materie, d. h. sowohl elektromagnet. Wellen (insbesondere Licht) als auch Korpuskeln, je nach den Versuchsbedingungen wie Wellen oder Teilchen verhält. Die in der klass. Physik einander ausschließenden Bilder der Welle und des Teilchens sind nach der Quantenmechanik beide nur begrenzt und deshalb widerspruchsfrei anwendbar (Komplementarität, Materiewellen).
4) Religionsgeschichte: die Anschauung, dass zwei voneinander unabhängige und einander entgegengesetzte letzte Prinzipien die Welt begründen und gestalten. Die ostasiat. Religion etwa kennt die Polarität des Yin und Yang, der Orphismus und die Gnosis den Leib-Seele-Dualismus. Der zur Gnosis gehörende Manichäismus betont den Ggs. von Licht und Finsternis. Ein doppelter D. findet sich im Parsismus: Geist und Materie wie Gut und Böse stehen zueinander im Ggs. Die ind. Samkhya-Philosophie unterscheidet Materie (prakriti) und Geist (puruscha). Im Christentum sind die Antithesen Gott-Welt, Fleisch-Geist, Gesetz-Gnade nur scheinbar und werden durch die Erwählung Israels durch Gott im A. T. und die in Jesus anbrechende Gottesherrschaft im N. T. aufgehoben. In der Gnosis, ebenso wie bei Marcion und später im Manichäismus, ist der D. eine grundlegende Voraussetzung; diese Bewegungen wurden von der christl. Kirche immer wieder verurteilt.
5) Staatslehre: das koordinierte Nebeneinander zweier Machtfaktoren (Institutionen) in einer polit. Einheit, bes. im Staat, so die Teilung der Souveränität zw. Ständevertretung (»Land«) und Fürst (»Herrschaft«) im Ständestaat oder das Gegeneinander von Parlament (»Gesellschaft«) und Krone (»Staat«) in der konstitutionellen Monarchie. D. nannte man auch die Polarität zw. Österreich und Preußen im Dt. Bund (1815-66) und die 1867 geschaffene Zweiteilung der Österreichisch-Ungar. Monarchie.
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