Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Dostojewski
Dostojẹwski,Fjodor Michailowitsch, russ. Schriftsteller, * Moskau 11. 11. 1821, ✝ Sankt Petersburg 9. 2. 1881; aus verarmter Adelsfamilie (Sohn eines Arztes). Sein Erstlingswerk, der Briefroman »Arme Leute« (1846), hatte großen Erfolg. Wegen Teilnahme an Treffen des utopisch-sozialist. Petraschewski-Kreises wurde D. 1849 zum Tode verurteilt und vor der Hinrichtung zu vier Jahren Verbannung nach Sibirien begnadigt. Die »Aufzeichnungen aus einem Totenhaus« (1860-62) schildern diese Leidenszeit. Erst 1859, nach mehreren Jahren Militärdienst, durfte D. zurückkehren, jetzt überzeugter Christ und radikaler Gegner des atheist. Sozialismus. In dieser Zeit begann er die Reihe seiner großen Romane (»Erniedrigte und Beleidigte«, 1861; »Raskolnikow«, 1866, 1906 u. d. T. »Schuld und Sühne«; »Der Spieler«, 1867; »Der Idiot«, 1868; »Die Dämonen«, 1871/72; »Die Brüder Karamasow«, 1879/80). Die politisch-ideolog. Stellung D.s, sein Panslawismus, seine Volksgläubigkeit und sein religiöser Mystizismus kommen im »Tagebuch eines Schriftstellers« (1873, 1876/77, 1880, 1881) am unmittelbarsten zum Ausdruck. D. schuf sich eine eigene, neuartige Romanform, die seinem neuen Menschen- und Weltbild, das durch tiefe Religiosität, aufopfernde Liebe für die Leidenden und krit. Auseinandersetzung mit selbstherrl. Rationalismus und Individualismus bestimmt wurde, entsprach; die zur Auflösung aller starren Grenzen und zur Aufhebung jeder eindeutigen Interpretation neigende Romantechnik ermöglichte eine bisher unbekannte Dynamik der Handlungsführung und Seelenanalyse. Die kriminalist. Handlungsführung, ihre psycholog. Vertiefung und deren Erhöhung zu einem Kampf metaphys. Mächte oder bewegende Ideen werden in einer Art Schichtung von drei Ebenen miteinander unlösbar verknüpft. In der neueren Kritik und Forschung findet neben den psycholog. Analysen und seinen Ideen v. a. die bahnbrechende Romantechnik Beachtung und Würdigung. Außer Romanen schrieb D. bed. Erzählungen, u. a. »Der Doppelgänger« (1846), »Weiße Nächte« (1848), »Onkelchens Traum« (1859).
Ausgabe:Polnoe sobranie sočinenij, hg. v. V. G. Bazanov u. a., 30 Bde. Leningrad1972-90.
Literatur:
Meier-Graefe, J.: Dostojewskij. Der Dichter. Frankfurt am Main 1988.
Jb. der Dostojewskij-Gesellschaft. Bd. 1 ff. Flensburg 1992 ff.Maurina, Z.: Dostojewskij. Memmingen 51997.
Lavrin, J.: F. M. Dostojevskij. A. d. Engl. Reinbek 115.-117. Tsd. 1998.
Terras, V.: Reading Dostoevsky. Madison, Wis., 1999.
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