Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Dialektik
Dialẹktik[grch. »Kunst der Unterredung«], logische Beweisführungstechnik; auch metaphys. Seinsprinzip, so bei Platon und Hegel. - Zenon wurde nach Aristoteles Erfinder der D., als er die innere Widersprüchlichkeit der Bewegung nachzuweisen suchte (D. als Widerspruchsaufweis). Bei den Sophisten und der megarischen Schule (Euklid von Megara u. a.) diente die D. als intellektuelles Werkzeug der Streitkunst (Eristik) und der Scheinbeweise. Sokrates und Platon entfalten die D. zur allg. Methode der Wahrheitsfindung durch Überwindung widersprüchlicher Meinungen im Dialog; bei Platon wird sie zudem Zentralbegriff seiner Ontologie: Sie ist der Gang von der erscheinenden Realität zu den sie begründenden Ideen, bis hinauf zur Idee der Ideen, dem an sich Guten. - Vom MA. bis zum 18. Jh. war D. vorwiegend Bez. für die Logik insgesamt. - Bei I. Kant ist D. Ausdruck der Verwicklung der Vernunft in Widersprüche, weil sie allein aus sich heraus zu Erkenntnissen zu gelangen sucht, ohne sich auf Erfahrung stützen zu wollen (»transzendentale Dialektik«). - Die heutige Bedeutung der D. geht in erster Linie auf J. G. Fichte zurück, der sie als den durch Widersprüche zur Synthese fortschreitenden Gang des Bewusstseins verstand (dialekt. Dreischritt); bei G. W. F. Hegel wurde die D. (anknüpfend an Platons Seins-D.) zum wesentl. Bestandteil eines umfassenden philosoph. Systems. Grundgedanke seiner D. ist, dass jede Setzung (Thesis) mit innerer Notwendigkeit ihr Gegenteil (Antithesis) aus sich hervortreibt und dass sich beide in einer höheren Einheit (Synthesis) gegenseitig aufheben. Da nach Hegel Denken und Wirklichkeit zusammenfallen, ist die D. das innere Bewegungsgesetz nicht nur der Begriffe, sondern auch des »wirkl.« Seins, bes. der geschichtl. Welt; D. wird damit zur Realdialektik. - Die materialist. Interpretation der Hegelschen D. durch K. Marx wurde im System des dialekt. Materialismus (Marxismus) zum Bewegungsgesetz der wirtschaftlich-gesellschaftl. Wirklichkeit, das F. Engels auch auf das Naturgeschehen (Natur-D.) auszudehnen suchte. Im Rahmen des Neomarxismus strebte bes. J.-P. Sartre eine wissenschaftsmethodolog. Grundlegung der D. auf dem Gebiet der Geistes- und Sozialwiss. an. Innerhalb der krit. Theorie der Frankfurter Schule entwickelte T. W. Adorno die Lehre der negativen D., die sich gegen alle geschlossenen, auf Identitätssetzung beruhenden Systeme wendet und demgegenüber die unauflösl. Nichtidentität des Besonderen hervorhebt. Die Methode der D. wurde häufig kritisiert und von K. Popper im Sinne der Trial-and-error-Methode uminterpretiert.
▣ Literatur:
Röd, W.: Dialektische Philosophie der Neuzeit. München 21986.
⃟ Strukturen der D., hg. v. H. H. Holz. Hamburg 1992.
Dialẹktik[grch. »Kunst der Unterredung«], logische Beweisführungstechnik; auch metaphys. Seinsprinzip, so bei Platon und Hegel. - Zenon wurde nach Aristoteles Erfinder der D., als er die innere Widersprüchlichkeit der Bewegung nachzuweisen suchte (D. als Widerspruchsaufweis). Bei den Sophisten und der megarischen Schule (Euklid von Megara u. a.) diente die D. als intellektuelles Werkzeug der Streitkunst (Eristik) und der Scheinbeweise. Sokrates und Platon entfalten die D. zur allg. Methode der Wahrheitsfindung durch Überwindung widersprüchlicher Meinungen im Dialog; bei Platon wird sie zudem Zentralbegriff seiner Ontologie: Sie ist der Gang von der erscheinenden Realität zu den sie begründenden Ideen, bis hinauf zur Idee der Ideen, dem an sich Guten. - Vom MA. bis zum 18. Jh. war D. vorwiegend Bez. für die Logik insgesamt. - Bei I. Kant ist D. Ausdruck der Verwicklung der Vernunft in Widersprüche, weil sie allein aus sich heraus zu Erkenntnissen zu gelangen sucht, ohne sich auf Erfahrung stützen zu wollen (»transzendentale Dialektik«). - Die heutige Bedeutung der D. geht in erster Linie auf J. G. Fichte zurück, der sie als den durch Widersprüche zur Synthese fortschreitenden Gang des Bewusstseins verstand (dialekt. Dreischritt); bei G. W. F. Hegel wurde die D. (anknüpfend an Platons Seins-D.) zum wesentl. Bestandteil eines umfassenden philosoph. Systems. Grundgedanke seiner D. ist, dass jede Setzung (Thesis) mit innerer Notwendigkeit ihr Gegenteil (Antithesis) aus sich hervortreibt und dass sich beide in einer höheren Einheit (Synthesis) gegenseitig aufheben. Da nach Hegel Denken und Wirklichkeit zusammenfallen, ist die D. das innere Bewegungsgesetz nicht nur der Begriffe, sondern auch des »wirkl.« Seins, bes. der geschichtl. Welt; D. wird damit zur Realdialektik. - Die materialist. Interpretation der Hegelschen D. durch K. Marx wurde im System des dialekt. Materialismus (Marxismus) zum Bewegungsgesetz der wirtschaftlich-gesellschaftl. Wirklichkeit, das F. Engels auch auf das Naturgeschehen (Natur-D.) auszudehnen suchte. Im Rahmen des Neomarxismus strebte bes. J.-P. Sartre eine wissenschaftsmethodolog. Grundlegung der D. auf dem Gebiet der Geistes- und Sozialwiss. an. Innerhalb der krit. Theorie der Frankfurter Schule entwickelte T. W. Adorno die Lehre der negativen D., die sich gegen alle geschlossenen, auf Identitätssetzung beruhenden Systeme wendet und demgegenüber die unauflösl. Nichtidentität des Besonderen hervorhebt. Die Methode der D. wurde häufig kritisiert und von K. Popper im Sinne der Trial-and-error-Methode uminterpretiert.
▣ Literatur:
Röd, W.: Dialektische Philosophie der Neuzeit. München 21986.
⃟ Strukturen der D., hg. v. H. H. Holz. Hamburg 1992.