Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Bürgerbewegung
Bürgerbewegung,zusammenfassende Bez. für versch. Gruppierungen und Vereinigungen engagierter Bürger, die mit Forderungen nach Einflussnahme auf die polit. Willensbildung außerhalb parlamentar. Institutionen und mit krit. Diskussionsangeboten auf gesellschaftl. Defizite, bes. bezüglich der Bürgerrechte, hinweisen und unter Wahrnehmung von Bürgerverantwortung Veränderungen anmahnen. I. e. S. werden als B. die in einem breiten polit. Spektrum von liberal-demokratisch bis (links-)alternativ orientierten oppositionellen bzw. informellen Gruppen verstanden, die sich in den sozialist. Staaten Mittel- und Osteuropas, v. a. seit den 70er-/80er-Jahren herausbildeten. Von den diktator. Regimen scharf bekämpft und oft in den konspirativen Untergrund bzw. in die Illegalität gedrängt (»Dissidenten«), entstanden diese informellen Gruppen nicht selten aus kleineren, isolierten Freundeskreisen bzw. Minderheiten- und Intellektuellenzirkeln, zunächst auf lokaler Ebene und z. T. unter dem »Dach« der Kirchen. Unter Berufung auf die KSZE-Schlussakte von Helsinki (1975) forderten sie die Beachtung der in den nat. Verfassungen formell verankerten Menschen- und Bürgerrechte; am bekanntesten wurde die Gruppe Charta 77. Ab den 80er-Jahren verbreiterte sich die Oppositionskultur durch eine Vielfalt von unabhängigen Basisgruppen, allerdings ohne Masseneinfluss. Polit. Vorreiterrolle erlangte bald Solidarność in Polen (ab 1980); in der DDR vertrat die »Initiative Frieden und Menschenrechte« (ab 1985/86) als erste informelle Gruppe umfassendere polit. Konzeptionen. Im Herbst 1989 wurden die nun v. a. polit. Reformen und freie Wahlen fordernden B. zum Kristallisationskern von Demokratiebewegungen, die schließlich den Sturz der kommunist. Regime herbeiführten, in der DDR v. a. das Neue Forum. Nach den polit. Umbrüchen 1989/91, als in den meisten Ländern die Bürger- und Menschenrechte hergestellt waren, verloren die B. Mobilisierungskraft sowie Einfluss. (Bürgerrechtsbewegung).
▣ Literatur:
Balistier, T.: Straßenprotest. Formen oppositioneller Politik in der Bundesrep. Dtl. zw. zwischen 1979 und 1989. Münster 1996.
⃟ Fehr, H.: Unabhängige Öffentlichkeit u. soziale Bewegungen. Fallstudien über B.en in Polen u. der DDR. Opladen 1996.
Bürgerbewegung,zusammenfassende Bez. für versch. Gruppierungen und Vereinigungen engagierter Bürger, die mit Forderungen nach Einflussnahme auf die polit. Willensbildung außerhalb parlamentar. Institutionen und mit krit. Diskussionsangeboten auf gesellschaftl. Defizite, bes. bezüglich der Bürgerrechte, hinweisen und unter Wahrnehmung von Bürgerverantwortung Veränderungen anmahnen. I. e. S. werden als B. die in einem breiten polit. Spektrum von liberal-demokratisch bis (links-)alternativ orientierten oppositionellen bzw. informellen Gruppen verstanden, die sich in den sozialist. Staaten Mittel- und Osteuropas, v. a. seit den 70er-/80er-Jahren herausbildeten. Von den diktator. Regimen scharf bekämpft und oft in den konspirativen Untergrund bzw. in die Illegalität gedrängt (»Dissidenten«), entstanden diese informellen Gruppen nicht selten aus kleineren, isolierten Freundeskreisen bzw. Minderheiten- und Intellektuellenzirkeln, zunächst auf lokaler Ebene und z. T. unter dem »Dach« der Kirchen. Unter Berufung auf die KSZE-Schlussakte von Helsinki (1975) forderten sie die Beachtung der in den nat. Verfassungen formell verankerten Menschen- und Bürgerrechte; am bekanntesten wurde die Gruppe Charta 77. Ab den 80er-Jahren verbreiterte sich die Oppositionskultur durch eine Vielfalt von unabhängigen Basisgruppen, allerdings ohne Masseneinfluss. Polit. Vorreiterrolle erlangte bald Solidarność in Polen (ab 1980); in der DDR vertrat die »Initiative Frieden und Menschenrechte« (ab 1985/86) als erste informelle Gruppe umfassendere polit. Konzeptionen. Im Herbst 1989 wurden die nun v. a. polit. Reformen und freie Wahlen fordernden B. zum Kristallisationskern von Demokratiebewegungen, die schließlich den Sturz der kommunist. Regime herbeiführten, in der DDR v. a. das Neue Forum. Nach den polit. Umbrüchen 1989/91, als in den meisten Ländern die Bürger- und Menschenrechte hergestellt waren, verloren die B. Mobilisierungskraft sowie Einfluss. (Bürgerrechtsbewegung).
▣ Literatur:
Balistier, T.: Straßenprotest. Formen oppositioneller Politik in der Bundesrep. Dtl. zw. zwischen 1979 und 1989. Münster 1996.
⃟ Fehr, H.: Unabhängige Öffentlichkeit u. soziale Bewegungen. Fallstudien über B.en in Polen u. der DDR. Opladen 1996.