Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Börse
Börse[niederländ., angeblich nach einer Brügger Kaufmannsfamilie van der Burse, vor deren Haus sich Kaufleute zu Geschäftszwecken getroffen haben sollen; der Familienname wird mit niederländ. beurs »Geldbeutel« (von spätlat. bursa) in Verbindung gebracht], regelmäßige Zusammenführung von Kaufs- und Verkaufsinteressen, sei es traditionell im Zuge des Zusammentreffens von (vermittelnden) Käufern und Verkäufern (Präsenz-B.) an einem bestimmten Ort (B.-Saal, B.-Parkett) und zu bestimmten Zeiten (B.-Zeit) oder durch Eingabe in ein elektron. Handelssystem (Computer-B.). Objekte des B.-Handels sind vertretbare (bewegl., fungible) und austauschbare Sachen, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen. Die B. führt Angebot und Nachfrage marktmäßig zusammen und gleicht sie aus durch amtl. Festsetzung von Preisen (Kursen), zu denen möglichst viele Geschäfte ausgeführt werden können.
Arten: 1) Effekten-B. oder Wertpapier-B. für Aktien oder festverzinsl. Wertpapiere, z. B. Rentenwerte, 2) Devisen-B., 3) Waren-B., an denen entweder verschiedene vertretbare Waren, v. a. landwirtsch. Erzeugnisse gehandelt werden (Produkten-B.) oder nur jeweils eine Warengattung für standardisierte Welthandelsgüter (Spezial-B.), z. B. Kaffee, Edelmetalle, 4) Termin-B., an denen insbes. Optionen und Futures (sog. Finanzderivate) gehandelt werden. Weiter existieren börsenähnlich organisierte Märkte, u. a. Dienstleistungs-B. für Geschäfte im Verkehrs- und Versicherungsbereich, z. B. Schifffahrtsbörsen.B.-Geschäfte sind entweder Kassageschäfte, d. h. Geschäfte, bei denen Lieferung und Zahlung innerhalb kürzester Frist erfolgen müssen, oder Termingeschäfte. Rechtsgrundlage bilden das B.-Gesetz und das im Zweiten Finanzmarktordnungs-Ges. vom 26. 7. 1994 verankerte Wertpapierhandelsgesetz. Oberste Instanz in allg. B.-Angelegenheiten ist in Dtl. der Bundesfinanzminister. Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe), Frankfurt am Main übt die Rechts- und Handelsaufsicht aus. Der B.-Vorstand leitet die Börse. Ihm obliegt die Überwachung des B.-Verkehrs nach der B.-Ordnung, die für jede B. zu erlassen ist, sowie nach sonstigen Vorschriften. Die B.-Versammlungen finden i. d. R. an allen Wochentagen zu bestimmten Stunden, meist mittags, statt, vorher und nachher die nichtamtl. Vor- und Nachbörse. Die Feststellung der Kurse im amtl. B.-Verkeh erfolgt an den Wertpapier-B. nur für solche Wertpapiere, die ausdrücklich zum B.-Handel zugelassen sind. Die Makler haben im B.-Saal feste Plätze und nehmen hier Aufträge entgegen. Die festgestellten Kurse werden im amtl. Kursblatt bekannt gegeben. Außer dem amtl. B.-Verkehr gibt es den nichtamtl. Freiverkehr, bei dem »freie Makler« als Vermittler mitwirken.Neben ihrer Bedeutung als Barometer für die Einschätzung der wirtsch. Entwicklung oder »Seismographen« für Wirkungen polit. Ereignisse haben B. folgende wirtsch. Funktionen: Bewertung von Kapitalgesellschaften aufgrund ihrer Kursentwicklung; Anlegern von Geldkapital ermöglichen die Wertpapier-B. eine liquide, weil jederzeit verwertbare Anlage, emittierende Schuldner erhalten langfristige Kredite oder das Geldkapital, B. erhöhen die nat. und internat. Mobilität des Kapitals; im Außenhandel bieten Devisen- und Waren-B. die Möglichkeit, sich durch Preis- bzw. Kurssicherungsgeschäfte (Hedging) gegen Preis- bzw. Kursschwankungen zu sichern, Zins- und Aktienkursrisiken lassen sich durch entsprechende Kontrakte an Termin-B. verringern. Die Vernetzung der Informationssysteme ermöglicht heute einen internat. Wertpapierhandel »rund um die Uhr«. Seit Einführung des Integrierten Börsenhandels- und Informationssystems, IBIS, 1991 gibt es ein duales System von Präsenz- und Computerbörse.Geschichtliches: Im späten MA. wurde aus den urspr. formlosen Zusammenkünften von Kaufleuten eine rechtlich geregelte Einrichtung, teils durch staatl. Gesetzgebung, teils durch Gewohnheitsrecht und Selbstverwaltung. Der Name B. taucht erstmals im 16. Jh. auf. Die Seestädte Sevilla, Cádiz und Lissabon hatten schon im 15. Jh. Börsen (Lonja). Die erste internat. B. hatte Antwerpen (1531). In Frankreich waren die ersten gesetzlich organisierten B. die von Lyon, Toulouse (1546) und Rouen (1566); Paris erhielt erst 1724 eine gesetzl. Börse. In London wurde 1566-70 die Royal Exchange (anfänglich The Bourse genannt) gegründet. In Dtl. entstanden in der 1. Hälfte des 16. Jh. B. in Augsburg und Nürnberg, in der 2. Hälfte in Hamburg und Köln, Anfang des 17. Jh. in Königsberg, Lübeck, Frankfurt am Main und Leipzig, Anfang des 18. Jh. in Berlin. Bis etwa 1866 standen Berlin und Frankfurt am Main gleichbedeutend nebeneinander, dann erhielt die Berliner B. mehr und mehr eine überragende Stellung. Die Berliner und alle B. in der sowjet. Zone wurden 1945 geschlossen. In Dtl. gibt es acht Wertpapier-B.: Frankfurt am Main (führend), Berlin (1950 wieder eröffnet), München, Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart, Hannover, Bremen. Weiterhin bestehen mehrere Produktenbörsen.
▣ Literatur:
Grosjean, R. K.: Börsen-ABC. Frankfurt am Main 61991.
⃟ Erlenbach, E. u. Gotta, F.: So funktioniert die B. Frankfurt am Main 91991.
⃟ Geld-, Bank- u. Börsenwesen, begr. v. G. Obst, hg. v. N. Kloten u. a. Stuttgart 391993.
⃟ Büschgen, H. E.: Das kleine Börsen-Lexikon. Düsseldorf 201994.
Arten: 1) Effekten-B. oder Wertpapier-B. für Aktien oder festverzinsl. Wertpapiere, z. B. Rentenwerte, 2) Devisen-B., 3) Waren-B., an denen entweder verschiedene vertretbare Waren, v. a. landwirtsch. Erzeugnisse gehandelt werden (Produkten-B.) oder nur jeweils eine Warengattung für standardisierte Welthandelsgüter (Spezial-B.), z. B. Kaffee, Edelmetalle, 4) Termin-B., an denen insbes. Optionen und Futures (sog. Finanzderivate) gehandelt werden. Weiter existieren börsenähnlich organisierte Märkte, u. a. Dienstleistungs-B. für Geschäfte im Verkehrs- und Versicherungsbereich, z. B. Schifffahrtsbörsen.B.-Geschäfte sind entweder Kassageschäfte, d. h. Geschäfte, bei denen Lieferung und Zahlung innerhalb kürzester Frist erfolgen müssen, oder Termingeschäfte. Rechtsgrundlage bilden das B.-Gesetz und das im Zweiten Finanzmarktordnungs-Ges. vom 26. 7. 1994 verankerte Wertpapierhandelsgesetz. Oberste Instanz in allg. B.-Angelegenheiten ist in Dtl. der Bundesfinanzminister. Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe), Frankfurt am Main übt die Rechts- und Handelsaufsicht aus. Der B.-Vorstand leitet die Börse. Ihm obliegt die Überwachung des B.-Verkehrs nach der B.-Ordnung, die für jede B. zu erlassen ist, sowie nach sonstigen Vorschriften. Die B.-Versammlungen finden i. d. R. an allen Wochentagen zu bestimmten Stunden, meist mittags, statt, vorher und nachher die nichtamtl. Vor- und Nachbörse. Die Feststellung der Kurse im amtl. B.-Verkeh erfolgt an den Wertpapier-B. nur für solche Wertpapiere, die ausdrücklich zum B.-Handel zugelassen sind. Die Makler haben im B.-Saal feste Plätze und nehmen hier Aufträge entgegen. Die festgestellten Kurse werden im amtl. Kursblatt bekannt gegeben. Außer dem amtl. B.-Verkehr gibt es den nichtamtl. Freiverkehr, bei dem »freie Makler« als Vermittler mitwirken.Neben ihrer Bedeutung als Barometer für die Einschätzung der wirtsch. Entwicklung oder »Seismographen« für Wirkungen polit. Ereignisse haben B. folgende wirtsch. Funktionen: Bewertung von Kapitalgesellschaften aufgrund ihrer Kursentwicklung; Anlegern von Geldkapital ermöglichen die Wertpapier-B. eine liquide, weil jederzeit verwertbare Anlage, emittierende Schuldner erhalten langfristige Kredite oder das Geldkapital, B. erhöhen die nat. und internat. Mobilität des Kapitals; im Außenhandel bieten Devisen- und Waren-B. die Möglichkeit, sich durch Preis- bzw. Kurssicherungsgeschäfte (Hedging) gegen Preis- bzw. Kursschwankungen zu sichern, Zins- und Aktienkursrisiken lassen sich durch entsprechende Kontrakte an Termin-B. verringern. Die Vernetzung der Informationssysteme ermöglicht heute einen internat. Wertpapierhandel »rund um die Uhr«. Seit Einführung des Integrierten Börsenhandels- und Informationssystems, IBIS, 1991 gibt es ein duales System von Präsenz- und Computerbörse.Geschichtliches: Im späten MA. wurde aus den urspr. formlosen Zusammenkünften von Kaufleuten eine rechtlich geregelte Einrichtung, teils durch staatl. Gesetzgebung, teils durch Gewohnheitsrecht und Selbstverwaltung. Der Name B. taucht erstmals im 16. Jh. auf. Die Seestädte Sevilla, Cádiz und Lissabon hatten schon im 15. Jh. Börsen (Lonja). Die erste internat. B. hatte Antwerpen (1531). In Frankreich waren die ersten gesetzlich organisierten B. die von Lyon, Toulouse (1546) und Rouen (1566); Paris erhielt erst 1724 eine gesetzl. Börse. In London wurde 1566-70 die Royal Exchange (anfänglich The Bourse genannt) gegründet. In Dtl. entstanden in der 1. Hälfte des 16. Jh. B. in Augsburg und Nürnberg, in der 2. Hälfte in Hamburg und Köln, Anfang des 17. Jh. in Königsberg, Lübeck, Frankfurt am Main und Leipzig, Anfang des 18. Jh. in Berlin. Bis etwa 1866 standen Berlin und Frankfurt am Main gleichbedeutend nebeneinander, dann erhielt die Berliner B. mehr und mehr eine überragende Stellung. Die Berliner und alle B. in der sowjet. Zone wurden 1945 geschlossen. In Dtl. gibt es acht Wertpapier-B.: Frankfurt am Main (führend), Berlin (1950 wieder eröffnet), München, Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart, Hannover, Bremen. Weiterhin bestehen mehrere Produktenbörsen.
▣ Literatur:
Grosjean, R. K.: Börsen-ABC. Frankfurt am Main 61991.
⃟ Erlenbach, E. u. Gotta, F.: So funktioniert die B. Frankfurt am Main 91991.
⃟ Geld-, Bank- u. Börsenwesen, begr. v. G. Obst, hg. v. N. Kloten u. a. Stuttgart 391993.
⃟ Büschgen, H. E.: Das kleine Börsen-Lexikon. Düsseldorf 201994.