Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Buddhismus
Buddhịsmus,die von Buddha im 6. oder 5. Jh. v. Chr. im nördl. Indien gestiftete religiös-philosoph. Lehre; urspr. als geistig-seel. Heilverfahren, ohne die Absicht, eine philosoph. Erklärung von Mensch und Welt geben zu wollen, gedacht, wurde der B. erst später zu metaphys. und religiösen Systemen ausgebaut. In seiner Lehre geht Buddha von den »Vier Edlen Wahrheiten« aus: 1) alles Leben ist leidvoll; der Mensch ist geistig krank; 2) die Ursache der Leiden ist Begehren aus Unwissenheit; die Menschen bewegen sich in einem Netz von Konventionen und Illusionen, durch das sie die Welt und sich wahrnehmen; 3) die Leiden können überwunden werden; 4) der Weg dazu besteht im »Edlen Achtfachen Pfad«: rechte Anschauung und Gesinnung, rechtes Reden, Handeln und Leben, rechtes Streben, Denken und Sichversenken.
Ziel der Heilung ist die Ruhe durch Freiwerden, das Nirwana, das Erlöschen der Lebensillusionen.
Nicht klar ausformulierte metaphys. und psycholog. Äußerungen Buddhas führten nach seinem Tode zu Konflikten im Orden. Es formierten sich unterschiedl. Schulen und Strömungen, die sich z. T. heftig bekämpften. Ausgangspunkt der Konflikte war u. a. Buddhas metaphys. These, alle Dinge seien ohne ein Selbst, ohne dauerhafte Substanz.Der Hinajana-B. (»Kleines Fahrzeug«) behauptet, alles, was wir als dauernde Seinsform ansehen, existiere gar nicht. Substanzen, Einzelwesen, Individuen existieren real nicht, sondern seien lediglich Kausalreihen flüchtiger Daseinsformen, Wirbel von Wandlungsreihen. Es gebe keinen Denker, nur das Denken, keinen Fühlenden, nur das Fühlen. Real seien allein die kleinen, kurz dauernden Seinsabschnitte. Nirwana besteht demnach im Aufgeben dieser falschen Idee angeblich dauerhafter Substanzen.
Um die abendländ. Zeitwende entstand der Mahajana-B. (»Großes Fahrzeug«). Hier dominieren die Yogacarins und die Madhyamika-Schule (Begründer ist der Philosoph Nagarjuna, 2. Jh.). Die Lehre der Yogacarins bestimmt das eigentl. Reale jenseits der Welt des Wandels und Scheins als reines Bewusstsein, reines Denken, vertritt also einen metaphys. Idealismus und nähert sich damit dem monist. System des Vedanta und Brahmanismus. Nagarjuna dagegen bestimmte das wahrhaft Reale als die all-eine »Leerheit« (shunyata). Nirwana ist demgemäß das Erkennen des Nichtdualismus, die Erkenntnis der »Leere«, aus der und in der alles Vergängliche lebt. Der Mahajana-B. wurde die eigentl. buddhist. Weltreligion. Er kam den religiösen Bedürfnissen des Volkes eher entgegen (größere Anschaulichkeit der religiösen Bilder, Verehrung einer Vielzahl von Gottheiten und Bodhisattvas, Kulte und Riten), zudem versprach er allen Menschen die Erlösung. Der Hinajana-B. hingegen blieb Asketen- und Mönchsreligion; ihm zufolge wird nur wenigen die Erleuchtung zuteil.Ausbreitung des B.: Im 3. Jh. v. Chr. wurde der B. unter König Aschoka in Indien Staatsreligion. Seitdem verbreitete er sich auch außerhalb Indiens. Sein ursprüngl. Wesen erfuhr dabei vielfache Änderungen, da er sich den Volksreligionen anglich. In der Gegenwart besteht der B. als Hinajana-B. in Sri Lanka, Birma, Thailand, Laos, Kambodscha, als Mahajana-B. in Vietnam, China, Korea, Japan sowie in den Sonderformen des Lamaismus in Tibet, Bhutan, Nepal, NO-Indien (bes. Sikkim), Russland (Burjatien, Kalmückien und Tuwa) und in der Mongolei. Auf dem ind. Subkontinent wurde er weitestgehend vom Hinduismus verdrängt, in Afghanistan, Ostturkestan und Indonesien, wo er im MA. verbreitet war, ist er heute verschwunden, hingegen haben ihn ostasiat. Auswanderer nach Hawaii sowie nach Nord- und Südamerika gebracht. Die Zahl der Buddhisten wird auf 340-350 Mio. geschätzt. Kleine buddhist. Gemeinden sind in neuerer Zeit auch in Europa entstanden (Neubuddhismus).
Literatur:
Snelling, J.: B. Ein Handbuch für den westlichen Leser. A. d. Engl. München 1991.
Conze, E.: Der B. Wesen u. Entwicklung. A. d. Engl. Stuttgart u. a. 101995.
Schumann, H. W.: B. Stifter, Schulen u. Systeme. Neuausg. München 31995.
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