Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Britisches Reich und Commonwealth
Brịtisches Reich und Commonwealth[-'kɔmənwelθ] (engl. British Empire, seit dem Ende des 19. Jh. mehr und mehr: British Commonwealth of Nations, seit dem Zweiten Weltkrieg: Commonwealth of Nations), Gemeinschaft des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland mit den Kolonien und sonstigen abhängigen Ländern sowie folgenden unabhängigen Staaten: Antigua und Barbuda, Austral. Bund, Bahamas, Bangladesh, Barbados, Belize, Botswana, Brunei, Dominica, Gambia, Ghana, Grenada, Guyana, Indien, Jamaika, Kanada, Kenia, Kiribati, Lesotho, Malawi, Malaysia, Malediven, Malta, Mauritius, Namibia, Nauru (indirekt), Neuseeland, Nigeria, Pakistan, Papua-Neuguinea, Saint Kitts und Nevis, Saint Lucia, Saint Vincent and the Grenadines, Salomonen, Sambia, Seychellen, Sierra Leone, Simbabwe, Singapur, Sri Lanka, Rep. Südafrika, Swasiland, Tansania, Tonga, Trinidad und Tobago, Tuvalu (indirekt), Uganda, Vanuatu, Westsamoa und Zypern.Geschichte: Die Errichtung der Seeherrschaft Englands seit Ende des 16. Jh. (1588 Sieg über die span. Armada, erfolgreiche Seekriege gegen die Niederlande im 17. Jh.) war eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung seines Kolonialreiches. Mit monopolist. Privilegien ausgestattete engl. Handelskompanien (bes. die Ostind. Kompanie ab 1600) legten überseeische Stützpunkte in Indien (Madras 1639, Bombay 1662) und im atlantisch-karib. Raum an (Barbados 1627, Jamaika 1655). Die Afrikakompanie setzte sich an der Goldküste fest, um sich einen Anteil am Sklavenhandel zu sichern. Überbevölkerung und religiös-polit. Konflikte in England führten zur Auswanderung von religiösen Minderheitsgruppen und zur Gründung von Siedlungskolonien in Nordamerika (Virginia 1607, weitere 12 Kolonien bis 1732). Im Span. Erbfolgekrieg (1701-1713/14) sicherte sich Großbritannien mit der Eroberung Gibraltars (1704) den Zugang zum Mittelmeer. Nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-63) musste sich das rivalisierende Frankreich 1763 aus Nordamerika und Ostindien zurückziehen. Allerdings verlor Großbritannien wenig später den Hauptteil seiner nordamerikan. Kolonien, die 1776-83 die Unabhängigkeit erkämpften (Vereinigte Staaten von Amerika); es behielt jedoch das vorher frz. Kanada. Seit 1788 (Anlage einer Strafkolonie) erschlossen die Briten Australien für sich. Von strateg. Bedeutung war die Inbesitznahme Maltas (1800) und des Kaplands (1806) während der Napoleon. Kriege, bei deren Ende Großbritannien im Wiener Frieden 1815 auch die Seychellen und Mauritius erhielt. 1819 erwarb es Singapur, 1839 Aden und 1842 Hongkong. In Indien breitete sich die brit. Herrschaft immer weiter aus (1876 Proklamation der Königin Victoria zur Kaiserin von Indien). Bei der Aufteilung Afrikas fiel Großbritannien der Hauptanteil zu; es besetzte 1882 Ägypten und 1889 Rhodesien, unterwarf 1898 den östl. Sudan und 1899-1902 die südafrikan. Burenstaaten; gleichzeitig schuf es die Kolonien Nigeria und Kenia (Britisch-Ostafrika). 1919/20 wurden die meisten dt. Kolonien in Afrika als Völkerbundsmandate britisch, ferner im Nahen Osten Irak, Palästina und Transjordanien. Damit erreichte das B. R. seine größte Ausdehnung.Die alten Siedlungskolonien hatten schon seit 1847 parlamentar. Selbstverwaltung erhalten. Durch Zusammenschlüsse entstanden aus ihnen die Dominions Kanada (1867), Australien (1901), Neuseeland (1907) und die Südafrikan. Union (1910); in ihnen nahm ein Generalgouverneur die Rechte der Krone wahr. Sie stiegen seit 1918 zu selbstständigen und dem Mutterland gleichgestellten Gliedern des B. R. auf; sie wurden auch Mitglieder des Völkerbundes. Endgültig wurde die staatsrechtl. Stellung der Dominions 1931 im Westminster-Statut verankert. Danach waren sie »autonome Gemeinschaften innerhalb des brit. Empire, gleich im Status, in keiner Weise einander in inneren und äußeren Angelegenheiten untergeordnet«, aber »doch durch eine gemeinsame Bindung an die Krone vereinigt und als Mitgl. des British Commonwealth of Nations frei assoziiert«.
Irland, das in einem blutigen Aufstand die Selbstständigkeit zu erringen versucht hatte, erhielt 1921 unter Abtrennung Nordirlands den Dominion-Status. 1922 erkannte Großbritannien Ägypten als unabhängigen Staat an, konnte sich jedoch im angloägypt. Vertrag von 1936 Souveränitätsrechte in einer Zone entlang des Sueskanals sichern. Während des Zweiten Weltkrieges erstarkten unter dem Eindruck des japan. Vormarsches in O- und SO-Asien dort die nat. Bewegungen. Trotz zeitweiligen Verlustes von Herrschaftsgebieten (z. B. Singapur, Birma) überstand das B. R. den Zweiten Weltkrieg territorial unversehrt. Der allmähl. Schwund der brit. Weltmachtstellung beschleunigte aber nach 1945 den Prozess der Entkolonialisierung. Britisch-Indien, der Kern des ehemaligen brit. Imperiums, erlangte nach jahrzehntelanger Unabhängigkeitsbewegung unter Führung M. Gandhis 1947 die staatl. Unabhängigkeit, allerdings unter Teilung des Subkontinents in die Ind. Union und Pakistan. Die Mehrzahl der unabhängig gewordenen Staaten in Asien, Afrika, Ozeanien und Zentralamerika blieb Mitgl. der Gemeinschaft. 1949 formulierte die Konferenz der Premierminister des B. R. die Stellung der brit. Krone neu, sodass auch Länder mit republikan. Staatsform im Commonwealth verbleiben konnten. Fortan galt die Krone als »Symbol der freien Vereinigung seiner unabhängigen Mitgliedstaaten und insofern als Oberhaupt des Commonwealth«. Nur wenige Staaten schieden aus dem B. R. aus: Birma (1948), Irland (1949), die Südafrikan. Union (1961, Wiederaufnahme 1994), Pakistan (1972, Wiedereintritt 1989), Fidschi (1987, Wiedereintritt 1997).In einigen Gebieten führte der Prozess der Entkolonialisierung zu regional begrenzten krieger. Auseinandersetzungen mit der brit. Kolonialmacht: Mau-Mau-Aufstand (1949-56) in Kenia; Kämpfe mit kommunist. Partisanen auf der Malaiischen Halbinsel (1948-57). Weltpolit. Folgen hatte der Rückzug Großbritanniens aus Palästina (1948) und Zypern (1960). Nach Verstaatlichung der Sueskanalgesellschaft (1956) durch Ägypten intervenierten Großbritannien und Frankreich militärisch (»Sueskrise«), mussten sich jedoch unter dem Druck der USA und der UdSSR wieder zurückziehen. Nach dem Scheitern des Zentralafrikan. Bundes (1963) führte die »einseitige Unabhängigkeitserklärung« (Süd-)Rhodesiens (1965) zu einem britisch-rhodes. Konflikt, seit Mitte der 1970er-Jahre zu einem Bürgerkrieg zw. der auf den europastämmigen Bevölkerungsminderheiten fußenden Regierung und den die schwarzafrikan. Bevölkerungsmehrheit des Landes vertretenden Befreiungsbewegungen. 1971 gab die brit. Regierung die grundlegende Erklärung ab, »östlich von Sues« keine wesentl. Interessen mehr zu besitzen. 1979 konnte Großbritannien auf der Genfer Rhodesienkonferenz eine Lösung für den Rhodesienkonflikt durchsetzen, 1980 entließ es das Land als Simbabwe in die Unabhängigkeit. - Mit Argentinien kam es 1982 zu einem Krieg um die Falklandinseln. 1997 erfolgte die Rückgabe der brit. Kronkolonie Hongkong an China.
Literatur:
I. M. Cumpston. The growth of the British Commonwealth 1880-1932, hg. v. London 1973.
Gallagher, J.: The decline, revival and fall of the British Empire. Cambridge u. a. 1982.
The Cambridge illustrated history of the British Empire, hg. v. P. J. Marshall. Cambridge u. a. 1996.
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