Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Brecht
Brẹcht,1) Arnold, amerikan. Staatswissenschaftler dt. Herkunft, * Lübeck 26. 1. 1884, ✝ Eutin 11. 9. 1977; Beamter im Dienst des Dt. Reichs und Preußens, als Gegner des Nationalsozialismus aus dem Staatsdienst entlassen; emigrierte 1933 in die USA, war dort bis 1954 als Prof. tätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg Berater bei der Schaffung des GG der Bundesrep. Deutschland.
B. formulierte 1932 das später nach ihm benannte »brechtsche Gesetz der progressiven Parallelität zw. Ausgaben und Bevölkerungsmassierung«, dem zufolge die öffentl. Ausgaben je Ew. mit zunehmender Bevölkerungsdichte und Verstädterung wachsen; es bildet heute die gedankl. Grundlage für die Bemessung der Schlüsselzuweisungen im kommunalen Finanzausgleich.
2) Bert(olt), eigtl. Eugen Berthold Friedrich B., Schriftsteller und Regisseur, * Augsburg 10. 2. 1898, ✝ Berlin (Ost) 14. 8. 1956. Der erbitterte Kriegsgegner studierte 1917-21 Philosophie und Medizin in München (ohne Abschluss), arbeitete 1924-26 an M. Reinhardts Dt. Theater in Berlin, danach als freier Schriftsteller;
seit 1928 mit H. Weigel. B. unterstützte die Kommunisten, trat aber nicht der KPD bei; emigrierte 1933 (Dänemark, seit 1941 USA), kehrte 1947 nach Europa, 1949 nach Berlin (Ost) zurück. B. begann mit expressionistisch-anarchist. Dramen (»Baal«, 1918/19; »Trommeln in der Nacht«, 1919; »Im Dickicht der Städte«, 1923; »Mann ist Mann«, 1926 ), hatte dann großen Erfolg mit der desillusionist., die bürgerl. Konventionen verspottenden »Dreigroschenoper« (1928, nach John Gays »The Beggar's Opera«, Musik von K. Weill) und seiner an François Villon und den Bänkelsang anknüpfenden Lyrik (»Hauspostille«, 1927). Unter dem Einfluss des Marxismus kam er zur strengen Disziplin der »Lehrstücke« (»Die Maßnahme«, 1930; »Die hl. Johanna der Schlachthöfe«, 1930; »Die Mutter«, nach Gorki, 1932). Die Hauptwerke entstanden im Exil: »Mutter Courage und ihre Kinder« (Antikriegsstück, 1939), »Herr Puntila und sein Knecht Matti« (1940), »Der gute Mensch von Sezuan« (1942), »Leben des Galilei« (1938/39), »Der kaukasische Kreidekreis« (1945). Stil und Sprache B.s übten großen Einfluss auf die moderne Dichtung aus. Seine gleichzeitig mit der Oper »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« (Musik von Weill) entwickelte Theorie des epischen Theaters sollte krit. Bewusstsein wecken und zu gesellschaftl. »Änderung« führen; gegenüber den Lehrstücken gewann in B.s späteren Werken (auch in seiner Theorie) das ästhet. Element wieder neue Bedeutung.Sowohl in den Dramen wie in der Lyrik spielen neben der sozialen Kritik auch andere Motive, bes. Mitleid mit dem Menschen, eine Rolle. B.s Lyrik behauptet einen künstlerisch gleichwertigen Rang und reicht von der derben, fast improvisierten Ballade bis zum Kampflied für die proletar. Einheitsfront, vom zarten Liebesgedicht bis zum philosoph. Monolog, vom Reimspruch bis zur bösen Satire. B. schrieb ferner zahlr. Essays und Aufsätze zum Theater, u. a.: »Kleines Organon für das Theater« (1948), Prosa, u. a. »Dreigroschenroman« (1934), »Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar« (1949, Fragment), »Kalendergeschichten« (1949), »Flüchtlingsgespräche« (1961, Dialoge). In B.s Spätzeit überwiegt prakt. Theaterarbeit, u. a. Modellinszenierungen und Bearbeitungen von Dramen. In dem 1949 in Berlin (Ost) gegründeten Berliner Ensemble schuf sich B. zus. mit seiner Frau H. Weigel eine Experimentierbühne; seine Inszenierungen erlangten Weltruhm.
Literatur:
Mittenzwei, W.:Das Leben des B. B. oder der Umgang mit den Welträtseln, 2 Bde. Berlin u. a. 41989.
B.s Theorie des Theaters, hg. v. W. Hecht. Frankfurt am Main 21992.
Heinze, H.: B.s Ästhetik des Gestischen. Versuch einer Rekonstruktion. Heidelberg 1992.
Kesting, M.: B. B. Reinbek 360.-363. Tsd. 1995.
Herrmann, H.-Chr. von: Sang der Maschinen. B.s Medienästhetik. München 1996.
Klotz, V.: B. B. Versuch über das Werk. Würzburg 61996.
Knopf, J.: B.-Handbuch, 2 Bde. Neuausg. München 1996.
Mayer, Hans: B. Frankfurt am Main 1996.
Reich-Ranicki, M.: Ungeheuer oben. Über B. B. Berlin 1996.
Scalla, M.: B. u. die intellektuelle Kritik in Dtl. Berlin u. a. 1996.
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