Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Bodenreform
Bodenreform,i. w. S. die Reform des Besitzrechts am Boden allgemein, i. e. S. am landwirtschaftlich genutzten Boden. Während im Agrarsozialismus in der Aufhebung des privaten Grundeigentums und der Vergemeinschaftung des Bodens ein Ansatzpunkt für die Neugestaltung der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung gesehen wurde, strebten die Bodenreformer (J. S. Mill, H. George, F. Oppenheimer, A. Damaschke u. a.) nur die Beseitigung der Bodenspekulation und der Grundrente durch Gesetze an. Als B. mit begrenztem Ziel ist in Dtl. die seit den 80er-Jahren des 19. Jh. in den preuß. Ostprovinzen durchgeführte Siedlung zu verstehen. - Eine grundlegende Änderung der Besitzverhältnisse am landwirtsch. Nutzland wurde nach dem Ersten Weltkrieg u. a. in Russland 1917/18 und im Baltikum 1919/22 sowie verstärkt nach 1945 (nach russ. Vorbild) in den Ländern des Ostblocks durchgeführt.
Die in den Ländern der westl. Besatzungszonen Dtl.s 1946-48 erlassenen Gesetze zur B. sahen gestaffelte Landabgaben bei Betrieben über 100 ha (in der brit. Zone 150 ha) oder über einem bestimmten Einheitswert gegen Entschädigung vor und dienten v. a. als Neubauern- und Siedlerstellen für Vertriebene. Die in der SBZ Anfang Sept. 1945 verabschiedeten B.-Verordnungen führten zur entschädigungslosen Enteignung von 14 000 landwirtsch. Groß- und Spezialbetrieben (der gesamte Großgrundbesitz über 100 ha) mit etwa 3,3 Mio. ha Land, die zunächst v. a. an Landarbeiter, landlose Bauern und Vertriebene (»Umsiedler«) verteilt wurden. Durch die Zwangskollektivierung ging dieses Land bis 1960 zumeist in das Eigentum von Landwirtsch. Produktionsgenossenschaften (LPG) über. Die im Einigungsvertrag von 1990 getroffene Festlegung, dass Enteignungen in der SBZ (1945-49) nicht mehr rückgängig zu machen sind, wurde vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. 4. 1991 bestätigt. Entschädigungsregelungen enthalten das Ausgleichsleistungs-Ges. vom 27. 9. 1994 und das Entschädigungs-Ges. vom 27. 11. 1994. Die »Bodenverwertungs- und -verwaltungs-GmbH« (BVVG), eine Nachfolgeorganisation der Treuhandanstalt, privatisiert die von ihr verwalteten (»staatl.«) Ländereien. - B. sind auch häufig Bestandteil von Agrarreformen in Entwicklungsländern.
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